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Mülheim. Es war wie ein Paukenschlag, gestern wurde der Austritt von den beiden Stadtverordneten Frank Blum und Frank Wagner aus der CDU bekannt. Keine 24 Stunden später gibt es im Mülheimer Stadtrat eine neue Fraktion mit fünf Verordneten: Drei ehemalige Mitglieder der CDU, Ramona Baßfeld, Frank Blum und Frank Wagner sowie der Ex-MBI`ler Hans Georg Hötger komplettieren das Team um den zuletzt fraktionslosen Stadtverordneten Jochen Hartmann, der früher ebenfalls Mitglied der CDU aber auch Gründungsvorsitzender der AfD war. Der Name der neuen Fraktion soll zugleich auch ihr Programm sein, Bürgerlicher Aufbruch in Mülheim oder kurz BAMH.

„Wir wollen die Stadt den Bürgern zurückgeben und mit der Hinterzimmerpolitik aufräumen“, sagte der Fraktionsvorsitzende der neugegründeten Mülheimer Ratsfraktion „Bürgerlicher Aufbruch“, Jochen Hartmann, bei der Vorstellung der Fraktion und ihres Programms.

„Wir waren schon lange mit Merkels Politik und der Sozialdemokratisierung der Union nicht mehr einverstanden. Das Flüchtlingsthema und seine Behandlung – auch durch die CDU in Mülheim – gaben dann letztlich den entscheidenden Impuls die Partei zu verlassen“, sagten übereinstimmend die drei ehemaligen CDU Stadtverordneten. Das sei ein schwerer Schritt gewesen, den man nicht einfach mal eben so machen könne. Aber die CDU habe ihr konservatives Profil völlig verloren und sei kaum noch von anderen Parteien zu unterscheiden. Wagner und Blum betonten, dass sie nun innerhalb des „Bürgerlichen Aufbruch“ die Chance sehen, eine konservativ-pragmatische Politik, basierend auf christlich-sozialen Werten, zu gestalten.

Hans Georg Hötger, der erfahrenste Stadtverordnete, hat sich nach eigenen Angaben dazugesellt, weil „Transparenz und Bürgernähe schon immer Grundelement meines kommunalpolitischen Engagements waren.“ Er erinnerte an seine langjährige Tätigkeit in der Bezirksvertretung II und seine Mitarbeit im Dümptener Bürgerverein. Als Dümptener sei ihm beispielsweise auch am Erhalt des Hexbachtals gelegen. „Das Hexbachtal darf weder durch Mülheim noch durch Essen weiter angetastet werden. Die von Essen vorgesehenen Flüchtlingsunterkünfte im Landschaftsschutzgebiet müssen, auch durch Mülheimer Widerspruch, verhindert werden“, so Hötger.

„Sechs Richtige für Mülheim“ haben die fünf Stadtverordneten sich als Arbeitsprogramm auf die Fahnen geschrieben, nämlich „Mehr Sicherheit für Mülheim, seriöse Finanzen und Förderung der Wirtschaftskraft, Mülheim als bildungsfreundliche und soziale Familienstadt, Miteinander die Stadt lebenswert gestalten, das Ruhrgebiet als Einheit und MetRUHRpole sowie lebendige Stadtteile“.

„Wir wollen das Grundrecht auf innere Sicherheit auch und gerade für die Schwächsten in unserer Stadt durchsetzen. Deshalb fordern wir z.B. ein eigenständiges Polizeipräsidium Mülheim, einen kriminalpräventiven Rat, den verstärkten Einsatz von Sicherheitskräften und die Einrichtung eines Opferfonds auf kommunaler Ebene“, so Hartmann.

Für Wagner und Blum ist vor allem auch die Finanzpolitik von Bedeutung. „Hier muss eine Umkehr einsetzen hin zu einer seriösen und nachhaltigen Finanzpolitik, wobei auch sogenannte ‘heilige Kühe‘ nicht unantastbar bleiben dürfen“, so die beiden Stadtverordneten.

„Bezahlbare Betreuungsangebote, der Ausbau nachbarschaftlicher Strukturen zur Unterstützung älter werdender Menschen, die möglichst lange in ihrem bekannten Lebensumfeld verweilen sollen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Schaffung ausreichender und zeitlich flexibler Betreuungsangebote“ sind nur eine der Themen, die insbesondere Ramona Baßfeld am Herzen liegen.

Für alle Stadtverordneten nimmt die Bildung einen „elementaren Stellenwert“ ein. Hier fordert der Bürgerliche Aufbruch u.a. wohnortnahe Grundschulangebote mit OGS Angeboten, die Stärkung der Realschulen und Gymnasien und den Erhalt der Förderschulen als Inklusionsalternative.

„Die ‘Gutachteris‘ muss in Mülheim ein Ende haben. Stadtplanung soll mit den Menschen erfolgen, nicht ohne oder gegen sie“, sagt Ratsmitglied Hans Georg Hötger. Man wolle durch Ratsbürgerentscheide endlich eine Zukunft für das Flughafengelände und den ÖPNV in Mülheim mit den Bürgern gemeinsam entwerfen. Der „Bürgerliche Aufbruch“ stehe für eine Attraktivierung der Innenstadt in Internetzeiten, für den Erhalt des „Pantoffelgrüns“ im Wohnumfeld der Bürgerinnen und Bürger und gegen die weitere Zersiedelung der Landschaft in Mülheim, so Hötger.

Als einzigartigen Schmelztiegel der Kulturen bezeichnete Hartmann das Ruhrgebiet: „Wir wollen eine MetRUHRpole – die allerdings die historisch gewachsenen Strukturen und die Unverwechselbarkeit der Gemeinden erhält.“ „Das Ruhrgebiet muss seine Identität wahren, sich aber auch den Veränderungen der Zeit stellen“, sagen übereinstimmend Frank Wagner und Frank Blum. In diesem Zusammenhang forderte Hans Georg Hötger einen echten einheitlichen Verkehrsverbund wie in Berlin oder München.

Ein besonderes Augenmerk wollen die fünf Stadtverordneten auch auf die Stadtteile werfen. Dort müsse das bürgerschaftliche Engagement und die wichtige Arbeit der Vereine gestärkt werden. Eine weitere Verlagerung des Einzelhandels aus den Ortskernen heraus müsse vermieden werden. Wohnortnah sollen Ärzte, Apotheken und Geschäfte des täglichen Bedarfs erreichbar bleiben. Um das Sicherheitsempfinden auch in den Stadtteilen zu erhöhen, fordert der „Bürgerliche Aufbruch“ mehr Streifenpolizisten vor Ort.

„Sie sehen: wir haben uns eine ganze Menge vorgenommen. Wir laden die Mülheimerinnen und Mülheimer ein, mit uns gemeinsam die Zukunft unserer schönen Stadt zu gestalten“, so die fünf Stadtverordneten abschließend.

Die Kritik des CDU-Kreispartei- und Fraktionsvorstandes zu der bebenartigen Entwicklung in der Mülheimer Kommunalpolitik ließ nicht lange auf sich warten. In einer gemeinsamen Erklärung zum Austritt und Fraktionswechsel der Stadtverordneten Baßfeld, Blum und Wagner äußerten Hansgeorg Schiemer und Thomas Mehlkopf-Cao ihr Bedauern. „Einstimmig wurden die Stadtverordneten Ramona Baßfeld, Frank Blum und Frank Wagner aufgefordert, die bei der Kommunalwahl 2014 gewonnenen CDU-Ratsmandate zurückzugeben. Kreispartei- und Fraktionsvorstand haben kein Verständnis dafür, dass diese Ratsmandate aufgrund des Wählerauftrages zu einer neu gebildeten Ratsfraktion mitgenommen werden“, so Schiemer und Mehlkopf-Cao.

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