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Kamp-Lintfort/Krakau. Seit vier Wochen gehört Muskelkater für Tobias Bausch zum Alltag. „An manchen Tagen hat es mich wirklich Überwindung gekostet, mich morgens wieder auf den Sattel zu schwingen.“ Als er am 23. Juli gegen 17 Uhr mit seinem Fahrrad das Ortsschild „Krakau“ erreicht, wird er für seine Mühen entschädigt. „Ein überwältigendes Gefühl“, sagt der junge Mann. Zu dem Zeitpunkt liegen 1565 Kilometer hinter dem Kamp-Lintforter. Vier Wochen lang trat er kräftig in die Pedale seines eigens für ihn gebauten Fahrrads. Vor vier Wochen war er mit diesem in seiner Heimat, dem Niederrhein, gen Polen gestartet. Sein Ziel: der Weltjugendtag in Krakau.

„Aufgeben war für mich nie eine Option“, blickt er zurück. „Schlechte Tage“ habe es aber durchaus auch gegeben. „Eigentlich war jedes Gefühl dabei, das man sich vorstellen kann: große Anspannung vor Beginn meiner Reise, Begeisterung auf den ersten Kilometern, schlechte Laune bei Regen oder vielen Anstiegen und natürlich das umwerfende Gefühl, als ich in Krakau angekommen bin.“

Über den schönsten Moment seiner Reise muss Tobias Bausch erst nachdenken. So viele dieser Momente habe es in den vergangenen Wochen gegeben. Ein totales Glücksgefühl aber habe er erlebt, als er seiner Gruppe aus Kamp-Lintfort bei deren Ankunft in Pszczyna für die Tage der Begegnung einen Überraschungsbesuch abstattete. „Niemand hat mit mir gerechnet, weil ich kurzfristig meine Route geändert hatte. Ich wusste, dass sie vergangenen Mittwoch dort auf dem Marktplatz ankommen, nur nicht die genaue Uhrzeit.“ Stundenlang habe er dort gewartet, bis der Bus schließlich um die Ecke bog. „Alle haben sich so gefreut, mich zu sehen, das war überwältigend“, beschreibt der 25-Jährige. Zwei Tage lang begleitete der die Gruppe bei ihrem Programm. Tage, die besonders von polnischer Gastfreundschaft geprägt gewesen seien. „Eine Familie hat sich sofort bereiterklärt, mich aufzunehmen, und wollte alles über meine Reise mit dem Fahrrad wissen“, erzählt er.

Und da gab es viel zu erzählen. Von Kamp-Lintfort steuerte Bausch zunächst Köln an und fuhr anschließend weiter über Koblenz, Weilburg, Gießen, Bad Hersfeld, Eisennach, Weimar, Leipzig und Görlitz. Wo er die Nacht verbringen würde, klärte sich in den meisten Fällen erst kurz vorher. Verschiedene Varianten nutzte der Niederrheiner dafür – er verband den Besuch von Bekannten mit einer Übernachtung, buchte über das Internet „Couch-Surfing“ für Radfahrer, zeltete auf Wiesen oder kam in Hostels unter. Die Suche nach einer Unterkunft für die Nacht bereitete dem 25-Jährigen selten Probleme – bis auf einmal. „In Bad Hersfeld war ich abends gegen 19.30 Uhr ziemlich verzweifelt“, sagt er. Obwohl er sich sicher war, dass das Pfarrbüro nicht mehr geöffnet hat, steuerte er die Einrichtung an – und hatte Glück. „Es war bis 20 Uhr geöffnet und mir wurde das Gemeindehaus für die Nacht zur Verfügung gestellt.“

500 Kilometer in fünf Tagen inklusive vieler Höhenmeter: In Leipzig angekommen brach Tobias Bausch beinahe zusammen. „Ich hatte mich total übernommen und lag fast zwei Tage nur im Bett“, erzählt der Kamp-Lintforter. Nach der polnischen Grenze ließ er es darum ruhiger angehen. Ein Tag auf dem Fahrrad, ein Tag Pause. Und so erreichte er nach Aufenthalten in Liegnitz, Breslau, Oppeln, Gleiwitz und Auschwitz am 23. Juli sein Ziel Krakau. Tobias Bausch ist dankbar, „so viele tolle Städte und so wunderbare Menschen“ kennengelernt zu haben. Nach anfänglichem Unverständnis über seine Idee, den Weltjugendtag zu „erradeln“, habe er – je näher er seinem Ziel kam – immer mehr Motivation erhalten. „Krakau, das ist gar nicht mehr so weit, das schaffst du! Wir glauben an dich!“, es seien diese Sätze gewesen, die ihm Kraft gegeben hätten, sagt er.

Auch wenn Tobias Bausch schon viele Kilometer geschafft hat, ist Krakau nur ein erstes Etappenziel. Der 25-Jährige plant weiterhin eine Weltreise – „aber ich gehe das locker an und plane immer nur kurzfristig.“ Nach dem Weltjugendtag steht die Hauptstadt Warschau auf dem Programm, die er aber mit dem Zug ansteuern wird. Dann wird er sich wieder auf den Sattel schwingen und Wien und Venedig besuchen. „Und danach schaue ich mal, wo es mich hintreibt.“

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