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Oberhausen. Wer an den heißen Tagen der letzten Wochen ganz schön ins Schwitzen geraten ist, der mag sich über die momentanen kühleren Temperaturen eventuell freuen. Dabei ist die normale Schweißproduktion eine natürliche Schutzfunktion des Körpers, um Temperaturunterschiede auszugleichen und für die meisten von uns nur ein kurzfristiges Übel. Rund sieben Millionen Menschen in Deutschland sind jedoch von übermäßigem Schwitzen – der sogenannten Hyperhidrosis – betroffen, ganz unabhängig von der Wetterlage. Die meisten davon ziehen sich aus Scham zurück. Was viele nicht wissen: Die Medizin bietet ihnen zahlreiche Therapieoptionen.

Unser Nervensystem ist ausgeklügelt. Es meldet Schmerzen, Gefahren oder Kälte. Und es reagiert sofort, wenn der Körper überhitzt. Bei großer Anstrengung oder sommerlichen Temperaturen wie noch vor kurzem beginnen wir zu schwitzen: Rund einen halben Liter Flüssigkeit pro Tag verlieren wir dadurch. Hyperhidrosis-Patienten aber liegen mit fast zwei Litern weit über dem Durchschnitt, denn in ihrem Nervensystem läuft etwas falsch. Egal, zu welcher Jahreszeit, ob im T-Shirt oder Rollkragen – sie schwitzen ständig ohne erkennbaren Grund und müssen im Zweifel mehrmals am Tag die Kleidung wechseln. Die Folge: Betroffene ziehen sich zurück, gehen kaum mehr aus dem Haus. “Viele Patienten nehmen das Schwitzen nicht als behandelbare Krankheit wahr und fühlen sich deshalb hilflos“, erklärt Prof. Dr. med. Alexander Kreuter, Chefarzt der Dermatologie an der HELIOS St. Elisabeth Klinik Oberhausen. 

Dabei stehen den Patienten je nach Art und Stärke der Symptome verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Bei leichten Fällen können schon tägliches Duschen, luftige Baumwollkleidung ohne Kunstfasern und schweißhemmende Deos Abhilfe schaffen. Wenn das nichts nützt, ist die Schwachstromtherapie, die sogenannte Iontophorese, eine schonende Alternative. Winzige ionisierte Arzneistoffe gelangen über sanfte Stromimpulse in die Haut und unterbrechen die Schweißproduktion. “Über 70 Prozent der Patienten sprechen auf die Therapie an. Sie ist jedoch sehr zeitintensiv und nur an Händen und Füßen anwendbar”, sagt der Dermatologe.

Bei Betroffenen mit verstärktem Achselschweiß kann eine Botox-Therapie Linderung bringen. Dabei wird der aus der Schönheitschirurgie bekannte Stoff unter die Haut gespritzt und blockiert dort die Schweißdrüsen. Eine Lösung auf Dauer ist das jedoch nur bedingt: Die Injektionen sind teuer, werden nicht von allen Krankenkassen bezahlt und müssen alle paar Monate wiederholt werden.

Manchen Patienten kann eine medikamentöse Therapie mit sogenannten Anticholinergika helfen. „Die Präparate unterdrückt die Wirkung von Acetylcholin, einem Neurotransmitter, der unter anderem die Schweißproduktion in Gang setzt. Die Einnahme sollte jedoch immer nur in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen“, rät Prof. Kreuter.

Doch egal für welchen Weg sich Betroffene entscheiden, der Gang zum Arzt ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung. Denn starkes Schwitzen ist nicht nur eine eigenständige Krankheit, sondern kann auch Symptom für eine andere sein.

 

Erläuterungen

Als primäre Hyperhidrosis bezeichnet man eine generell gesteigerte Schweißproduktion ohne erkennbare Ursache. Das Gehirn sendet dabei falsche Signale an die für die Schweißproduktion zuständigen Nervenzellen. Erbliche Faktoren könnten eine Rolle spielen.

Bei sekundärer Hyperhidrosis ist das starke Schwitzen nur ein Symptom für eine andere, mitunter schwere Grunderkrankung – etwa für Diabetes oder Tuberkulose. Besonders bei nächtlichen Schweißausbrüchen sollte unbedingt ein Arzt hinzugezogen werden.

 

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