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Rhein-Ruhr. Die Empörung ist derzeit groß! Die Anmerkung des Kriminologen Frank Kawelovski bei einer Expertenanhörung des Landtags NRW, dass die Polizei „Bilanztricks bei der Aufklärung von Wohnungseinbruchsdiebstählen“ praktiziere und die daraufhin medial entbrannte Diskussion um gezielte Manipulationen der PKS (Polizeiliche Kriminalstatistik), lassen erkennen, wie sensibel die Öffentlichkeit momentan reagiert, wenn Fragen zur Inneren Sicherheit diskutiert werden.

Führt die Politik die Bevölkerung gezielt hinter das Licht, um zu beruhigen, zu schönen oder vermeintliche politische Erfolge zu zelebrieren?

Wenn man sich der Beantwortung dieser Frage widmet, dann ist zunächst festzustellen, dass die PKS zweifelsohne ein hoch politisches Instrument ist, dessen Bedeutung im Kontext des Gefühls der Überfremdung und sich nähernder Landtagswahlen nicht zu unterschätzen ist. Emotionale statt rationale Diskussion?

Sachlich betrachtet dient die PKS u.a. dazu, Kriminalität zu beobachten, einzelne Deliktsarten im Hinblick auf deren Umfang und die Zusammensetzung des Tatverdächtigenkreises auszuwerten. Sie soll auch Basis für die Erlangung von Erkenntnissen für vorbeugende und verfolgende Verbrechensbekämpfung sein und damit kriminalpolitische Entscheidungen vorbereiten. Sie bildet lediglich das so genannte „Hellfeld“ ab, somit Straftaten, die polizeilich bekannt geworden sind, entweder durch polizeilichen Ermittlungsdruck oder durch die Anzeigenbereitschaft der Bevölkerung. Dies heißt zugleich, dass die PKS die reale Kriminalitätslage nur bedingt und relativ abbilden kann.

Zum besseren Verständnis kann man z.B. Drogendelikte betrachten. Hierbei handelt es sich um „Kontrolldelikte“, die in der Regel nicht durch Anzeigen Dritter, sondern vornehmlich durch polizeiliche Ermittlungs- und Kontrolltätigkeiten bekannt werden. Je intensiver Personal zur Bekämpfung der Drogenkriminalität eingesetzt wird, desto höher der Anstieg der PKS-erfassten Drogendelikte. Zugleich wird eine hohe Aufklärungsquote generiert, da der Tatverdächtige in der Regel beim Bekanntwerden der Tat direkt „mitgeliefert“ wird.

Darüber hinaus sind die Jahres–PKS nicht generell miteinander vergleichbar. Regelmäßige Veränderungen der bundesweiten PKS–Richtlinien, aber auch gesetzgeberische Vorgaben sind die Gründe. Die Computerkriminalität in NRW sank z.B. in dem Erfassungsjahr 2014 zum Jahr 2013 stark, obwohl sie in den Vorjahren stetig anstieg und die Bedrohung in 2014 akuter erschien als jemals zuvor. Der Rückgang betrug 23,3 % und im Jahr darauf nochmals 19,6 %. Insgesamt wurde durch eine Veränderung der Richtlinien die Statistik um mehr als 10.000 Straftaten „bereinigt“. Dabei handelte es sich um die Straftaten, die ihren Ursprung im Ausland hatten. Die Geschädigten saßen jedoch häufig in Nordrhein-Westfalen. Eine Reihe weiterer Beispiele ließen sich anfügen.

Fakt ist, dass die Häufigkeitszahl – auch eine PKS basierte Bemessungsgröße, die die Anzahl der Straftaten je 100.000 Einwohner ausweist – seit Jahren ansteigend ist. Dies bedeutet, wir haben eine stetig anwachsende Kriminalitätsentwicklung, aber weniger Kriminalbeamte als Jahre zuvor zur Verfügung.

Für ermittlungsintensive Straftaten, wie z.B. dem Wohnungseinbruch oder dem Taschen- und Fahrraddiebstahl stehen deutlich zu wenig Ermittler zur Verfügung. Umso weniger Ermittler, desto schlechtere Aufklärungsquoten. So werden Taschendiebstahlsdelikte mehr als unzureichend bekämpft, obwohl gerade hier ältere Mitmenschen Opfer von skrupellosen Banden werden. Die Aufklärungsquoten sprechen dabei für sich.

Ob eine Straftat im polizeilichen Sinne aufgeklärt ist oder nicht, entscheidet der kriminalpolizeiliche Sachbearbeiter ganz für sich alleine. Die subjektive Entscheidungsfindung, die sich etwa am modus operandi (Begehungsform der Straftat) ausrichten kann, muss nicht zwingend mit einer objektiven Beweisführung einhergehen, deshalb weisen die Verurteiltenstatistik und die PKS u.a. derart hohe Diskrepanzen auf.

Jeder Kripo-Beamte, der willkürlich Aufklärungszahlen produziert, erweist den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes, und weil er ja auch einer von Ihnen ist, sich selbst einen Bärendienst. Ministerielle Weisungen zur „Verschönerung der PKS“ gibt es nicht, Stellschrauben um das Abbild von Kriminalitätsgeschehen zu beeinflussen gibt es aber viele!

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass eine unzureichende personelle Ausstattung der Kripo Nordrhein-Westfalen als Betätigungsort für Kriminelle zunehmender attraktiver macht, auch ohne ungünstige soziale Rahmenbedingungen, die begleitend, zur Verschlechterung der Kriminalitätslage beitragen können.

Die PKS sollte weder Regierung noch Opposition als Waffe im Wettstreit miteinander dienen. Die Politik ist aufgefordert, Zahlen in deren Komplexität und unter besonderer Beachtung der Möglichkeiten der PKS zur Kenntnis zu nehmen und in unser aller Interesse, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Das politisch opportune Beleuchten einzelner Segmente ist ein vollkommen falsches Signal.

Ein KlarKlick von Arno Eich, Vorsitzender Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) im Bezirksverband Duisburg

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