Anzeige

Mülheim. Der Rat der Stadt Mülheim an der Ruhr hat am 22.9.2016 beschlossen, die bisherige 49%-Beteiligung der innogy SE (ehemals RWE) an der städtischen medl fortzusetzen. Dieser Beschluss wurde nun umgesetzt.

In seiner letzten Sitzung beschloss der Rat, die bisherige Beteiligungsstruktur der medl GmbH über den 31.12.2016 hinaus beizubehalten, den sogenannten residualen Festbetragsausgleich i. H. v. 21,2 Millionen Euro zu zahlen und die hierfür notwendigen Vertragsänderungen vorzunehmen. Laut Beschlussbegründung soll mit der Ratsentscheidung „eine grundlegende, diesen Themenkomplex abschließende Ratsentscheidung herbeigeführt werden.“

„Wir waren vom Rat aufgefordert worden, eine Beschlussvorlage zur „medl/SWB 2016 – Gesamtthematik zu erstellen. Über die Ergebnisse der Umsetzung soll in der Ratssitzung am 14./15.12.2016 berichtet werden“, so Oberbürgermeister Ulrich Scholten. Der Ratsvorlage beigefügt war ein Eckpunktepapier „zur Fortführung der Partnerschaft zwischen der Stadt Mülheim und der innogy SE“. Darin heißt es: „Die innogy-Beteiligung an der medl soll bis zum 31.12.2036 befristet fortgesetzt werden, es sei denn, dass sich die Parteien auf eine weitere Vertragsverlängerung verständigen“.

Dieser Beschluss des Rates wurde nun durch die notwendigen Unterschriften vollzogen. „Die Verpflichtung des Oberbürgermeisters und seiner Verwaltung, die Beschlüsse des Rates umzusetzen, ergibt sich unmittelbar aus der Gemeindeordnung (§ 62 Abs. 2 GO NRW). Da der Beschluss des Rates keine Bedingung und keinen Vorbehalt enthält, war er umzusetzen, auch wenn mittlerweile ein Bürgerbegehren begonnen wurde, das den Beschluss des Rates aufheben möchte. Die Entscheidung des Rates ist unmittelbar demokratisch legitimiert und ein Hinauszögern ihrer Umsetzung bis zum Abschluss des Bürgerbegehrens wäre eine Manipulation dieser demokratischen Entscheidung gewesen“, erläutert Stadtdirektor und Rechtsdezernent Dr. Frank Steinfort. Das Gesetz sehe nicht vor, dass mit der Ankündigung eines Bürgerbegehrens eine Sperrwirkung eintritt, sondern erst, wenn der Rat ein Bürgerbegehren für zulässig erklärt hat.

„Ein möglicher Vorwurf, man habe sich besonders beeilt, um das Bürgerbegehren auszuhebeln ist nicht berechtigt“, fügt er hinzu. „In den bestehenden Verträgen war die Verlängerungsoption bereits eingebaut. Daher bedurfte es nach dem Ratsbeschluss nur weniger redaktioneller Überarbeitungen“.

„Im Übrigen war es mindestens einem der Initiatoren des Begehrens aus seiner Mitwirkung in Arbeitsgruppen zu diesem Themenkomplex schon seit 2015 bekannt, dass eine Entscheidung zum Ende des Jahres 2016 anstand. Die geltenden Verträge mit RWE erzwangen insoweit eine Entscheidung. Es bestand also genug Zeit, ein sogenanntes initiierendes Bürgerbegehren zu starten mit dem Ziel, dass eine Entscheidung, wie sie nun vom Rat getroffen wurde, gar nicht erst hätte getroffen werden dürfen. Diese Zeit ist ungenutzt verstrichen“, resümiert OB Scholten.

Auf positive Resonanz stößt die Fortsetzung der Zusammenarbeit zwischen medl und der RWE-Tochter innogy bei der SPD-Fraktion. „Es ist ein guter Schritt für die medl, aber auch für unsere Stadt, dass die Beteiligungsverträge nun unterschrieben sind. Damit hat die Verwaltung den Auftrag des Rates umgesetzt“, so die Stellungnahme des Fraktionsvorsitzenden der SPD im Rat, Dieter Wiechering.

„Selbstverständlich wäre es wünschenswert gewesen, die medl zu 100% in den Händen der Stadt zu wissen, allerdings war dies im Rahmen einer verantwortungsvollen Finanzpolitik nicht darstellbar. Hierfür andere wichtige Aufgaben zu gefährden, kann niemand ernsthaft in Betracht ziehen“, meint Wiechering weiter.

Daniel Mühlenfeld, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion, hebt noch einmal den Beitrag der medl zur lokalen Energiewende hervor: „Gerade die kürzlich vorgestellten Zukunftspläne machen deutlich, dass beide Gesellschafter der medl diesen Prozess unterstützen. Das Unternehmen stellt sich mit seinen Dienstleistungen im Bereich der Energieversorgung breit auf und prüft dabei auch innovative Ideen. Egal ob es sich um den Ausbau des Nahwärmenetzes oder um neue Projekte, wie die E-Mobilität und die Errichtung von Solaranlagen, handelt. Energiewende ist für unseren lokalen Energieversorger also kein Fremdwort.“

Bürgerfrust und Verbitterung fördert nach Ansicht der Grünen die aktuelle Entwicklung in punkto Bürgerbegehren zur Zukunft der medl. „Ich kann gut nachvollziehen“, erklärt Fraktionssprecher Tim Giesbert, „wie verbittert und enttäuscht nun diejenigen sind, die in Regen und Kälte Unterschriften sammelten. Dies ebenso wie jene, die unterschrieben haben oder noch unterschreiben wollten. Sie stehen vor einem Scherbenhaufen.“

Die Menschen müssten zur Kenntnis nehmen, dass ihr bürgerliches Engagement durch einen Federstrich zunichte gemacht werde. Die Allmacht des RWE erscheine unangreifbar. Das sei einem demokratischen Miteinander nicht förderlich.

Möglich wäre angesichts der Situation der Einbau einer Vorbehaltsklausel in die Verträge gewesen.  Sie hätte der Stadt bei einem erfolgreichen Bürgerbegehren oder –entscheid einen Rückzug ermöglicht. „Ob bei Stadtspitze und Beteiligungsholding dazu der politische Wille vorhanden war“, merkt Giesbert an, „darf stark bezweifelt werden.“ Rein juristisch möge die Verwaltung im Recht sein, politisch betrachtet sei das Geschehen bürgerunfreundlich.

Die Stadt Mülheim unterläuft bewusst das aktuell laufende Bürgerbegehren „Energie in kommunaler Hand“. Diesen Vorwurf erhebt die Initiative „Mehr Demokratie“, nachdem die Stadt einen neuen Gesellschaftervertrag unterzeichnet hat, mit dem der Energiekonzern Innogy für weitere 20 Jahre mit 49 Prozent Partner des lokalen Energieversorgers Medl bleibt. Damit ist das Bürgerbegehren, mit dem gefordert wird, die Beteiligung auslaufen zu lassen und die bisherigen Innogy-Gesellschafteranteile in kommunale Strukturen zu überführen, laut geltender Rechtsprechung unzulässig.

 „Oberbürgermeister Ulrich Scholten hat den neuen Vertrag ohne Not unterzeichnet. Auch nach der Ratssitzung im Dezember wäre hierfür ausreichend Zeit geblieben“, sagt Alexander Trennheuser, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie. Seiner Meinung nach hätte der Vertrag mit Rücksicht auf das Bürgerbegehren auch eine entsprechende Ausstiegsklausel für den Fall enthalten können, dass das Begehren erfolgreich ist. „Dies nicht zu tun ist ein Ausdruck von Ignoranz gegenüber der direkten Demokratie“, so Trennheuser weiter.

Dazu passe auch die Äußerung des Oberbürgermeisters, dass ein Hinauszögern der Umsetzung des Ratsbeschlusses zur Innogy-Beteiligung bis zum Abschluss des Bürgerbegehrens eine Manipulation der demokratischen Entscheidung des Rates gewesen wäre. „Auch Bürgerbegehren und Bürgerentscheid sind demokratische Verfahren, die Scholten mit der Vertragsunterzeichnung nun manipuliert“, kritisiert Trennheuser. Binnen einer Woche sei dies nun der zweite derartige Vorfall in einer nordrhein-westfälischen Stadt. Erst in der vergangenen Woche habe der Monheimer Bürgermeister Daniel Zimmermann ein Bürgerbegehren gegen die städtische Finanzierung des Kaufs von zwei zur Errichtung von Moscheen vorgesehenen Grundstücken durch die Unterzeichnung des Kaufvertrages ins Leere laufen lassen.

Als Konsequenz daraus fordert Mehr Demokratie ein früheres Einsetzen der aufschiebenden Wirkung von Bürgerbegehren. Bisher sind direkt-demokratische Initiativen auf kommunaler Ebene erst dann vor einem unterlaufen werden geschützt, wenn sie vom jeweiligen Stadtrat nach Einreichung der notwendigen Unterschriftenzahl für zulässig erklärt wurden. Mehr Demokratie schlägt vor, dass die aufschiebende Wirkung schon nach Abgabe der Hälfte der erforderlichen Unterschriften greift. Von da an soll eine einmonatige Schutzfrist gelten.

Für sinnvoll hält man bei Mehr Demokratie außerdem ein Transparenzgesetz, das regeln soll, dass Vertragstexte wie der in Mülheim grundsätzlich vorab zu veröffentlichen sind und eine Rücktrittsklausel beinhalten. Das Bündnis “NRW blickt durch”, zu dem auch Mehr Demokratie gehört, hatte dies mit einem Entwurf für ein solches Gesetz schon 2014 vorgeschlagen. Die Landesregierung hat im Koalitionsvertrag zwar die Verabschiedung eines solchen Gesetzes vereinbart, ein halbes Jahr vor der nächsten Landtagswahl aber noch immer keinen Entwurf hierzu vorgelegt.

 

LokalKlick hat die Pressemitteilungen der Stadtverwaltung, der SPD- und Bündnis 90/Die Grünen-Fraktionen sowie des Landesverbandes NRW von Mehr Demokratie e.V. in voller Länge zur Meinungsbildung zusammengefügt.

Beitrag drucken
Anzeigen