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Kreis Wesel. Das Sexualstrafrecht ist nach den Silvestervorfällen und dem Fall Gina-Lisa in aller Munde. Die Nein-heißt-Nein–Bewegung feierte einen großen Erfolg, als 2016 das Sexualstrafrecht reformiert wurde.

Bislang war es erforderlich, dass der Täter das Opfer mit Gewalt dazu  brachte sexuelle Handlungen zu dulden. Frauen/Männer müssen sich –jetzt nach der Reform– nicht mehr aktiv wehren, um zum Ausdruck zu bringen, dass etwas nicht gewollt ist. Ein „NEIN“ oder ein einfaches Kopfschütteln reicht nun aus. Endlich!

Oder gibt es dadurch neue Probleme?

Man stelle sich folgende Situation vor: Ein Paar liegt im Bett, sie will Sex. Er sagt, nein ich bin müde… Sie gibt nicht auf und streichelt seinen Penis, bis er doch Lust hat. Das Verhalten der Frau erfüllt bereits den neuen Tatbestand des § 177 Abs. 1 StGB und wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. Falls sie jetzt denken, wer zeigt denn so etwas an, mögen Sie recht haben. Doch was ist, wenn die Beziehung wenig später beendet wird und z.B.  ein Streit um das Sorgerecht entflammt?

Fest steht zumindest, dass durch die Reform des Sexualstrafrechtes ein deutliches Signal gesendet wurde, nämlich dass Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe in diesem Land unter keinen Umständen toleriert werden, egal wer diese begeht. Und dieses Signal ist wichtig!

Doch eines ist auch leider klar: Die Reform löst das eigentliche Problem im Bereich der Vergewaltigungen nicht. 2012 lag die deutschlandweite Verurteilungsquote bei lediglich 8,4 % der angezeigten Taten. Oft scheitert eine Verurteilung, weil die belastende Aussage des Opfers für eine Verurteilung nicht ausreichte. Es stand am Ende des Verfahrens „Aussage-gegen-Aussage“ oder ein Glaubwürdigkeitsgutachten kam zu dem Ergebnis, dass es zumindest zweifelhaft ist, ob das Opfer die Wahrheit sagt. Diese Zweifel reichen aus, damit der Täter freigesprochen wird.

Deshalb sollten sich Opfer von Sexualstraftaten nach der Tat fachkundige Hilfe suchen. Erst nach einer psychischen Stabilisierung und fachkundige Hilfe durch eine Frauenberatungsstelle und einem spezialisierten Rechtsbeistand ist das Opfer in der Lage die Belastungen eines gerichtlichen Verfahrens zu überblicken. Im Verfahren findet das Opfer durch die Unterstützung des eigenen Rechtsanwalts/der eigenen Rechtsanwältin als Nebenklagevertreterin und einer psychosoziale Prozessbegleitung die notwendige Kraft um das Verfahren durchzustehen und ggf. mehrfach die Aussage zu wiederholen.

Unmittelbar nach der Tat ist ein Opfer aber oft gar nicht in der Lage abschließend zu beurteilen, was es will. Der Schock und die psychische Belastung durch das Erlittene sind oft so hoch, dass sich das Opfer überfordert fühlt und im Zweifel keine Anzeige erstattet. Nur wenn eine Anzeige erstattet wurde kam die Polizei mit einem entsprechenden Spurensicherungsset in das Krankenhaus.

Diesen Missstand wollte man im Kreis Wesel angehen. Es wurde nach einer Möglichkeit gesucht, um die Beweise gerichtsfest sichern zu lassen und gleichzeitig den Opfern die notwendige Zeit zu geben, sich in Ruhe zu entscheiden, ob diese eine Anzeige erstatten wollen oder nicht.

In allen gynäkologischen Ambulanzen der Krankenhäuser im Kreis Wesel besteht nun die Möglichkeit eine anonyme Spurensicherung vornehmen zu lassen. Die so erhobenen objektiven Beweise werden sicher und gerichtsfest für die Dauer von 10 Jahren in der Rechtsmedizin in Düsseldorf eingelagert. Entschließt sich das Opfer Strafanzeige innerhalb dieser 10 Jahre zu erstatten, können die objektiven Beweise dem Strafverfahren zugeordnet werden, indem das Opfer die entsprechende Chiffrenummer mitteilt. Die Beweise stehen dann der Polizei und der Staatsanwaltschaft für die Ermittlungen zur Verfügung.

Auch nach Jahren besteht dann die Möglichkeit durch objektive Beweise die Aussage des Opfers zu untermauern. Es gibt dann neben der Aussage des Opfers weitere Beweise, welche eine Überführung des Täters deutlich einfacher machen. Man ist eben nicht einzig und allein auf die Aussage des Opfers angewiesen. Denn leider gehört es auch zur Wahrheit, dass es im Jahr 2000 in Bayern bei 7,4 % der Vergewaltigungsanzeigen zu bewussten Falschanzeigen gekommen ist und es die angezeigten Taten nie gab. Auch diese Frauen, die bewusst einen falschen Sachverhalt mitteilen, tragen dazu bei, dass man den tatsächlichen Opfern so „auf den Zahn“ fühlt. Auch diese Taten gehören mit absoluter Konsequenz verfolgt und bestraft.

Opferschutz ist wichtig und in Deutschland sicherlich noch an der einen oder anderen Stelle verbesserungsfähig. Trotzdem möchte ich jede Frau, die Opfer eines Sexualdelikts geworden ist, ermutigen, die anonyme Spurensicherung zu nutzen. Lassen sie sich beraten und zeigen sie dann die Täter an!

 

Ein KlarKlick von Tim Rathner, Rechtsanwalt

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