Dr. Ingo Böcker, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin an der HELIOS St. Elisabeth Klinik Oberhausen (Fotos: HELIOS)
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Rhein-Ruhr. Bei den warmen Temperaturen kann ein leckerer Obstsalat, ein herzhafter Biss in eine saftige Wassermelone oder ein Joghurt mit frischen Erdbeeren sehr erfrischend sein. Doch scheinbar immer mehr Menschen reagieren auf diese leichten Leckereien mit Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall – dahinter kann eine Fructoseintoleranz stecken, also eine Unverträglichkeit auf Fruchtzucker. Dr. Ingo Böcker, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin an der HELIOS St. Elisabeth Klinik Oberhausen, erklärt, wie es dazu kommt und gibt Tipps.

Je nach Ausprägung können die unangenehmen Folgen auf den Verzehr von Obst oder anderen fruchtzuckerhaltigen Lebensmitteln ganz unterschiedlich ausfallen. „Bei manchen reicht schon ein halber Apfel, bis die ersten Symptome einsetzen, andere können mehr Obst zu sich nehmen. Mal zeigen sich die Unverträglichkeitsreaktionen innerhalb von ein paar Minuten, mal können bis zu 48 Stunden vergehen“, sagt Dr. Ingo Böcker. Diese diffusen Beschwerden seien auch der Grund dafür, dass viele Betroffene lange Zeit die Ursache für ihr Leiden gar nicht klar erkennen können.

Transportstörung im Darm

Schuld für die Fructoseintoleranz ist eine Störung in der Verdauung. Bei einem Kohlenhydrat wie dem Fruchtzucker beginnt diese schon im Mund über den Speichel, wenn wir etwa in einen Apfel beißen und kauen. Die Hauptarbeit passiert aber im Dünndarm. Die Fructose wird hier über spezielle Transport-Proteine aufgenommen und gelangt in den Stoffwechsel. Bei einer Unverträglichkeit ist diese Transportfunktion jedoch vorübergehend gestört oder gar nicht mehr vorhanden, Mediziner sprechen dann von einer Fructosemalabsorption. Die Folge: Der Fruchtzucker gelangt unbearbeitet in den Dickdarm. Wird stetig mehr Fructose gegessen, als der Körper aufnehmen kann, dann verändert sich dort die Bakterienflora. „Durch Gärprozesse entstehen Wasserstoff, Kohlendioxid und Methan – diese Gase führen zu Blähungen, der Stuhl wird weicher“, erläutert der Internist Dr. Böcker. Doch auch gesunde Menschen können mit den unschönen Folgen zu kämpfen haben, wenn sie in kurzer Zeit eine sehr große Menge an Fructose verzehren. Bei etwa 35 bis 50 Gramm Fruchtzucker pro Stunde streikt auch das normale Darmtransportsystem. Das entspricht 110 Gramm, also etwa einer halben Tüte Rosinen, oder einem halben Liter Apfelsaft.

 

Es liegt in der Luft

Um den Verdacht auf eine Unverträglichkeit zu bestätigen, führt Dr. Ingo Böcker in der HELIOS Klinik in Styrum einen speziellen Atemtest mit dem Patienten durch. Dieser trinkt zunächst eine Fructose-Lösung und atmet anschließend in einem Abstand von jeweils 30 Minuten mehrmals in ein Messgerät. „Damit weisen wir in der Atemluft den bereits erwähnten Wasserstoff nach, der entsteht, wenn der Fruchtzucker nicht verstoffwechselt wird“, erklärt der Chefarzt. Da allerdings nicht jeder auf diesen Test anschlägt, müssen einige Betroffene anschließend noch eine Probediät halten, angeleitet von erfahrenen Ernährungsexperten oder Diätassistenten.

Ist die Diagnose gesichert, kann – je nach Ausprägung der Intoleranz – ein dreimonatiger Verzicht auf Fruchtzucker schon Besserung bringen. „Das Transport-Protein erholt sich, die Patienten können anschließend in Maßen wieder Obst essen, ohne dass der Darm böse reagiert“, sagt Dr. Ingo Böcker. Wem dies nicht hilft, der findet in der Apotheke spezielle Kapseln, über die man das fehlende Protein zur Verdauung selbst zuführen kann. „Diese nimmt man eine gewisse Zeit vor dem Essen ein und kann danach auch bedenkenlos einen Obstsalat essen“, so der Mediziner.

Dass die Anzahl der Patienten mit Fructoseintoleranz zunimmt, führt der Arzt zum einen auf die besseren Diagnosemöglichkeiten zurück, zum anderen auf einen ungesunden Lebenswandel. „Stress, wenig Bewegung und falsche Ernährung mit vielen Konservierungsstoffen überladen unseren Darm regelrecht. Mit frischen Zutaten und mehr Bewegung kann man dem jedoch gut vorbeugen.“

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