Mahmut Özdemir, Parlamentarischer Staatssekretär, SPD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der SPD Duisburg (Foto: Susie Knoll)
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Duisburg. Nicht nur der Krisenmarathon der vergangenen zehn Jahre aus Finanz-, Euro- und Flüchtlingskrise und die andauernde Terrorgefahr haben unsere Gesellschaft zutiefst verunsichert. Viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich im Jahr 2017 schlicht nicht mehr sicher in ihrem Land. Sie fürchten um ihren Arbeitsplatz, sorgen sich um die Ausbildung der Kinder, um die Höhe der Rente nach einem langen und harten Erwerbsleben und haben Angst vor Einbrechern und No-Go-Areas in deutschen Städten.

Die politischen Verantwortungsträger müssen Antworten finden auf die Unsicherheiten dieser Zeit:

Es ist die Aufgabe des Staates, zunächst die innere Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu garantieren – das war ideengeschichtlich der Gründungsgedanke der Nationalstaaten. Und gleichzeitig soll der Staat – zumindest nach unserer europäischen Staatsdefinition – helfend denjenigen zur Seite stehen, die zum Schmieden ihres Glückes kein passendes Werkzeug haben. Dem radikalliberalen Credo, dass jeder sich um sich selbst kümmern muss, erteilen wir eine klare Absage, denn aufgrund zum Teil sehr unfairer Startbedingungen können mitnichten alle sich selbst zum Erfolg im Leben verhelfen.

Allerdings müssen wir uns stets vor Augen führen, dass, wenn ein Staat hinreichend Sicherheiten gewährleistet, dies auch stets ein Stück weit auf Kosten der Freiheit geschieht.

Derzeit ist der Ruf nach einem starken Staat mit gut ausgestatteten Sicherheitsbehörden in allen Teilen der Gesellschaft stark zu vernehmen. Und für mich als Innenpolitiker ist eines klar: Unser Rechtsstaat muss zu jederzeit und in jedem Winkel unseres Landes lückenlos durchgesetzt werden. Und bei der Bewältigung dieser Aufgabe haben unsere Beamtinnen und Beamten bei der Polizei, Feuerwehr, aber auch die ehrenamtlich bei Sicherheitskräften tätigen Menschen, die täglich für uns den Kopf hinhalten, die bestmögliche Ausstattung verdient – personell und materiell. Der veränderten Gefahrenlage wurden seitens der Politik bereits mit Gesetzesverschärfungen sowie mit der Schaffung von tausenden neuen Stellen für unsere Polizeibehörden begegnet.

Dennoch müssen wir uns stets bewusst machen, dass Entscheidungen, die aus Momenten der Unsicherheit heraus getroffen werden, nicht immer auf einem soliden Fundament stehen. Wir müssen also dafür Sorge tragen, dass wir einerseits unseren gesellschaftlichen Anspruch gegenüber dem Staat auf innere Sicherheit einfordern und durchsetzen lassen. Aber gleichzeitig dürfen wir als Gesellschaft nicht das Augenmaß verlieren und einem vermeintlichen Sicherheitsgewinn unsere freiheitlich-liberalen Werte und rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen opfern. Als Gesellschaft liegt es an uns, dass wir gemeinsam den Feinden unserer Demokratie offen den Kampf ansagen und uns nicht für ihre Zwecke missbrauchen lassen. Und dabei ist es ganz egal, ob die Angriffe von steinewerfenden Linksradikalen, hitlergrußzeigenden Neonazis oder radikalen Islamisten kommen.

Sie alle stellen uns und unseren Rechtsstaat vor eine harte Bewährungsprobe. Ich plädiere aber dafür, dass wir in unserer gesellschaftlichen Debatte diesen Feinden nicht auf den Leim gehen, nicht die Emotion über das Sachargument – so schwer das manchmal auch sein mag – obsiegen lassen und unsere eigenen Werte damit verraten. Eine Spirale der sich übertrumpfenden Maximalforderungen nach härteren Strafen und Gesetzesverschärfungen wird am Ende des Tages nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu einem unfreieren Staat und einer eingeengten Gesellschaft führen – auch wenn gerne das Gegenteil behauptet wird.

Aber Dummheiten werden nicht dadurch wahr, dass man sie in der Dauerschleife wiederholt.

Ein KlarKlick von Mahmut Özdemir, SPD-Bundestagsabgeordneter

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