Der ungarische Jagdhund Artus riecht an der Duftprobe der vermissten Person (Foto: Marc Albers)
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Moers/Kreis Wesel. Hunde können nicht lesen? Von wegen. Sie lesen nur anders. Ihre Bibliothek besteht aus Duftstoffen. Und wenn eine solche Duftbibliothek künftig in den Seniorenzentren der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Kreis Wesel zur Verfügung steht, ist der Verband bestens gerüstet, falls einer der Seniorinnen und Senioren, die dort leben, vermisst werden sollte. Die Duftbibliothek ist ein Baustein aus einem ganzen Paket, das Betreiber von Seniorenzentren für den Ernstfall schnüren können. Wie das geht, erfuhren die AWO-Einrichtungsleiter jetzt bei einer nicht alltäglichen Fortbildung – mit Hund.

„Wir wollen genau wissen, was zu tun ist, wenn jemand „verloren“ geht“, sagt Dr. Bernd Kwiatkowski, Leiter des Referats Altenpolitik beim AWO-Kreisverband. „Wir haben keine geschlossenen Einrichtungen, und es kann vorkommen, dass zum Beispiel Menschen mit Demenz die Orientierung verlieren und nicht wieder zurückfinden.“ Wobei die AWO die Menschen, die in ihren Seniorenzentren wohnen, gut kennt. Und wenn jemand verschwinde, sei der erste Anlaufpunkt das ehemalige Zuhause. Aber was ist zu tun, wenn der oder die Gesuchte dort nicht anzutreffen ist und wie können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Suche der Polizei unterstützen, waren die Themen der Veranstaltung.

Sieben Personensuchhunde gibt es in Nordrhein-Westfalen, ihre Halterinnen und Halter sind Privatpersonen, natürlich entsprechend zertifiziert und von der Polizei auf Herz und Nieren geprüft. Und es ist auch die Polizei, die im Ernstfall Hund und Halter anfordert. Einer dieser Hunde ist Artus, der jetzt zu Gast bei der AWO in Moers war. Artus ist ein ungarischer Jagdhund und verfügt über mehr als 200 Millionen Riechzellen. Zum Vergleich: Der Mensch besitzt davon gerade einmal rund fünf Millionen. Damit die Riechzellen auch erfolgreich zum Einsatz kommen können, braucht Artus Hilfe.

Erste Regel, wenn jemand verschwunden ist: Das Zimmer des oder der Vermissten abschließen. Nicht aufräumen oder gar Geschirr wegräumen und wenn die Polizei das Zimmer sehen möchte, die Beamten mit Handschuhen versehen. Denn Artus und seine Kolleginnen und Kollegen riechen immer nur den obersten Duft, nehmen also die Gerüche von der Person wahr, die Glas, Taschentuch, Buch oder Brille zuletzt angefasst hat. Wenn das ein Seniorenzentrum-Mitarbeiter gewesen ist, endet die Arbeit für den Hund, bevor sie überhaupt angefangen hat.

Und weil bei vielen Gegenständen nicht klar ist, wer sie zuletzt berührt hat, empfehlen die Fachleute die Duftbibliothek. Marmeladengläser im höchsten Spülmaschinenprogramm reinigen lassen, sie danach nur noch mit Handschuhen anfassen und ein Papiertuch hineinlegen, mit dem sich der potenzielle Ausreißer selbst abgerieben hat. Deckel drauf und fertig. Der Duft kann so rund drei Monate konserviert werden. In den USA soll neulich ein Hund noch nach anderthalb Jahren anhand einer Duftprobe einen Vermissten gefunden haben. Für die Experten ein Lottogewinn, einer, auf den sich besser niemand verlassen sollte.

Das AWO-Team war angetan von dem unterhaltsamen und spannenden Vortrag. „Es war unglaublich interessant“, so Kwiatkowski, „und die Tipps sind außerdem einfach umzusetzen.“

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