Ralf-Günter Stefan arbeitet ehrenamtlich im Museum Burg Linn, hier mit Dr. Christoph Dautermann, stellvertretender Museumsleiter, in der historischen Bibliothek (Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, L. Strücken)
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Krefeld. Umrahmt von Werken aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert sitzt Ralf-Günter Stefan an seinem Laptop. Nur das Tippen auf der Tastatur durchbricht die Ruhe in der historischen Bibliothek des Museums Burg Linn. In den Holzregalen, die aus einer alten Krefelder Apotheke stammen, stehen Band an Band gedruckte Schätze. Die ältesten Ausgaben, wie eine Handschrift, stammen aus dem 15. Jahrhundert. Einige dieser Publikationen lassen sich weltweit nur noch in diesem historischen Bestand mit seinen rund 4000 Büchern und Atlanten nachweisen. Sie sind Teil einer 15 000 Bände umfassenden Arbeitsbibliothek und werden – vergleichbar dem Bestand im Rokokosaal der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar – immer noch für die wissenschaftliche Arbeit genutzt. Damit zum Beispiel Historiker den Bestand für ihre Forschung verwenden können, müssen die Bücher erfasst werden – und genau damit beschäftigt sich Stefan.

Der ehemalige Kriminalhauptkommissar arbeitet seit rund 20 Jahren ehrenamtlich für das Museum Burg Linn. Unter anderem wirkt er als Kurator wie für die aktuelle Sonderausstellung „Bücherschätze“ mit. Sein Hauptaugenmerk gilt jedoch dem historischen Buchbestand des Hauses. „Ich bin in der Regel zwei Tage in der Woche hier“, sagt Stefan. Wenn die Bienen des Hobbyimkers in der kalten Jahreszeit weniger Zeit in Anspruch nehmen, wolle er vielleicht noch an einem dritten Tag kommen. „Das genaue Erfassen von Büchern ist sehr aufwändig“, so Stefan. Jeden Band schaut er sich Seite für Seite an. Er beschreibt den allgemeinen Zustand des Buches, listet Schäden und deren Ausmaß auf, ob Seiten fehlen – manches Buch benötigt zum Schutz vor dem weiteren Verfall dringend eine Restaurierung. Auch die Notizen sowie Randbemerkungen von einstigen Besitzern nimmt er auf und welche Stiche, Zeichnungen oder Notenblätter in einem Buch vorhanden sind. „Je nachdem, was man sucht, kann es wichtig sein“, erklärt Stefan. Soweit wie möglich führt er auch die Provenienz in seine Beschreibung ein, die er durch Namenseintragungen oder Stempel nachweisen kann.

Bei einer Ausgabe aus dem Jahr 1696 über das Lebens und die Taten von Friedrich Heinrich von Oranien (1584 bis 1647) ist das der Fall: Handschriftlich wird es für 1788 dem Bestand einer Bibliothek zugeordnet, dann mit einem Stempel einem Schloss und letztlich dem Heimathaus des Niederrheins, das der ehemalige Leiter des Museums Burg Linn, Albert Steeger, in den 1930er-Jahren am Nordwall in Krefeld gegründet hatte. „Das Buch befindet sich in einem guten Zustand. Es sind sogar noch alle Stiche vorhanden. Die hat man gerne herausgenommen und einzeln teuer verkauft“, sagt Dr. Christoph Dautermann, stellvertretender Museumsleiter. Das in Amsterdam gedruckte Werk verfügt über eine große Anzahl von Abbildungen. Zu sehen sind unter anderem Festungen, Stadtansichten und Seeschlachten. „Je mehr Kupferstiche, desto teurer wurde es“, sagt Stefan. Geld spielte im Haus Oranien wohl keine Rolle. „Mit solchen Büchern hat man auch seinen Herrschaftsanspruch zementiert“, so Dautermann. Friedrich Heinrich von Oranien wurde auf diese Weise ein literarisches Denkmal gesetzt, das weit über 300 Jahre erhalten geblieben ist.

Während es von diesem Buch wohl noch einige wenige Exemplare in den Niederlanden gibt, befinden sich in der historischen Bibliothek auch einige, von denen nur noch ein Druck existiert. Damit diese einmal allen Wissenschaftlern weltweit zur Verfügung stehen, möchte Stefan den Bestand in den „Karlsruher Virtuellen Katalog“ einbringen. Dabei handelt es sich um eine Meta-Suchmaschine zum Nachweis von mehreren hundert Millionen Medien in Bibliotheks- und Buchhandelskatalogen. Ein weiteres Ziel wäre zudem die Digitalisierung des historischen Bestandes. „So könnten Wissenschaftler erfahren, was wir in unseren Bestand haben und damit arbeiten“, sagt Stefan. Etwa 700 Werke hat er bis jetzt detailreich beschrieben und in eine Datenbank eingepflegt. Dann nimmt sich Stefan das nächste Buch, öffnet eine neue Seite, schaut sich das Werk an und beginnt zu tippen.

Die aktuelle Sonderausstellung „Bücherschätze“ zeigt zum ersten Mal einen Einblick in den umfangreichen historischen Buchbestand des Museums Burg Linn. Die Schau gliedert sich in unterschiedliche Themenbereiche. Die Rettung historischen Kulturguts steht gleich zu Beginn an. Kartenwerke, Reiseliteratur, theologische Bücher, Geschichtswerke, Ausgaben über Recht und Naturwissenschaft werden durch ein umfangreiches Begleitheft erläutert. Private Leihgaben und Exponate aus dem volkskundlichen Bestand des Museums ergänzen die Druckwerke. Anhand einer mittig platzierten Zeitpyramide können Besucher die Veränderung der Buchprodukte nachvollziehen.

Wer bei der Restaurierung von Büchern helfen möchte, bekommt hier Gelegenheit: in der Ausstellung wird eine Spendenbox aufgestellt. Firmen oder Einzelpersonen, die im größeren Umfang das Vorhaben unterstützen möchten, wenden sich direkt an das Museum. Die Ausstellung endet am 4. November. Weitere Informationen sowie eine Kontaktmöglichkeit stehen unter www.museumburglinn.de.

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