(Foto: privat)
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Duisburg. Jubiläumsveranstaltung der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen: Die Gleichberechtigung der Frauen ist noch nicht erreicht

Am Samstag, dem 23. Februar 1919 fanden in Duisburg die Wahlen zur ersten Stadtverordnetenversammlung (heute: Rat der Stadt) statt, bei der die Frauen ihr soeben errungenes Wahlrecht vor Ort wahrnehmen durften, das der Rat der Volksbeauftragten im November 1918 für das gesamte Deutsche Reich verkündet hatte. Um an die Ereignisse der Vergangenheit zu erinnern und um Handlungsbedarf für die Zukunft aufzuzeigen, lud die Duisburger Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) auf den Tag genau exakt 100 Jahre später zu einer Jubiläumsveranstaltung ins Café Museum ein, die bis auf den letzten Platz besetzt war.

Die Erringung des Frauenwahlrechts bedeutete einen der wichtigsten Meilensteine auf dem Weg zur Gleichberechtigung der Frauen in Deutschland. Auf Grund der Bedeutung dieses Ereignisses hatte die Duisburger AsF eigens eine Frauengeschichts-Arbeitsgruppe gebildet, die die historische Entwicklung für Duisburg aus sozialdemokratischer Sicht in intensiver Kleinarbeit und ausführlichen Quellenstudien aufgearbeitet hat. Diese Geschichtsarbeitsgruppe, der Doris Freer, Ingrid Marx, Dr. Maxi Platz, Martina Stecker und Petra Weis angehören, förderte neue und erstaunliche Ergebnisse zu Tage, die im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung vorgestellt wurden. So ist belegt, dass es in Duisburg bereits seit 1891 eine sozialdemokratische Frauenbewegung gab und dass es auch hier unmittelbar am ersten weltweit begangenen Internationalen Frauentag 1911 eine Großveranstaltung gab, an der laut Polizeibericht 375 Frauen und 25 Männer teilnahmen, die mit Nachdruck die Resolution „Frauen fordern das Wahlrecht“ verabschiedeten.

Als am 23. Februar 1919 in Duisburg gewählt worden war, war die Situation ernüchternd: Von den insgesamt 24 aufgestellten Kandidatinnen (davon 9 von den „Mehrheitssozialisten“) für die Stadtverordnetenversammlung wurden – insbesondere auf Grund der schlechten Listenplätze – nur vier gewählt: Die Sozialdemokratinnen Marie Arning und Therese Cremers sowie Margarete Pasie von der Deutschen Demokratischen Partei und Frieda Heidkamp vom Zentrum. Obwohl ihr Engagement weder in der Politik noch in der Presse besonders gewürdigt wurde, setzten sich, so ergaben die Nachforschungen der Geschichts-AG, diese vier Frauen intensiv für soziale Belange und für die Verbesserung der Bildungssituation von Frauen und Mädchen in Duisburg ein.

Bis 1933, als alle demokratischen Parteien und Frauenvereine aufgelöst und der Internationale Frauentag verboten wurde, waren insgesamt 11 Frauen unterschiedlicher Parteien Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung gewesen. Im überregionalen Vergleich der großen NRW-Städte lag Duisburg damit ganz am Ende der Statistik. Aber die Analyse der Duisburger AsF-Frauengeschichtsgruppe ergab für die Folgezeit eine nicht erwartete positive Entwicklung: Von 1919 bis heute hat sich der Frauenanteil im Rat der Stadt versechsfacht: 1919 waren es 4 Frauen, das hieß 5,3 %, heute sind es immer hin 31 Frauen, d.h. 36,9%. Ein Grund zum Feiern?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, befasste sich die Veranstaltung im zweiten Schritt mit der aktuellen Situation. In einem gleichfalls beeindruckenden, von Christine Danckert moderierten Podiumsgespräch brachten es zwei Duisburger Asf-Vorsitzende mit Nachdruck auf den Punkt: Gisela Walsken, heute Regierungspräsidentin des Regierungsbezirks Köln, die von 1990 bis 1994 das Amt der Duisburger AsF-Vorsitzenden in Duisburg inne hatte und die Diplom Textilingenieurin Martina Stecker, die seit 2010 in dieser Funktion für Fraueninteressen eintritt:  Beide unterstrichen die Notwenigkeit von gegenseitiger Unterstützung, Solidarität und Förderung der Frauen und ihren Interessenlagen – sei es im beruflichen Alltag im Allgemeinen, bei der Förderung von Frauen in Führungspositionen oder auf der großen politischen Bühne. Das entschiedene Vorgehen gegen die Diskriminierung von Frauen sei heute noch genauso wichtig wie eh und je. Dies sei offensichtlich geworden bei der aktuellen Debatte um das Selbstbestimmungsrecht der Frau im Zusammenhang der Notwendigkeit der Streichung des § 219 a, zu der es leider nicht gekommen sei.

Alle Referentinnen waren sich einig: Auch, wenn Frauen im Duisburger Rat der Stadt zahlenmäßig stark aufgeholt haben: Die 50-Prozent-Marke liegt noch in weiter Ferne. Die Vergangenheit hat nach der Analyse der Geschichts-Arbeitsgruppe gezeigt, dass – bezogen auf die SPD – der Frauenanteil immer dann im Rat der Stadt gestiegen war, wenn frauenfördernde Maßnahmen vorausgegangen waren. Dies zeigte sich deutlich im Anwachsen der Zahl der Parlamentarierinnen nach der Gründung der Duisburger AsF 1973 und nach der Einführung einer parteiinternen Quotenregelung 1988, bei der die SPD als erste Volkspartei eine verpflichtende Frauenquote zur Besetzung von Spitzenpositionen in der Partei von 40 Prozent verabschiedet hatte. Daher sei die Forderung nach einem Paritätsgesetz zu unterstützen.

Das gesamte Plenum war sich an diesem denkwürdigen 23. Februar in Duisburg einig: Die Frauen dürfen nicht nachlassen, solidarisch für ihre Interessen einzutreten; denn anderenfalls sind Rückschritte in der Frauenpolitik vorprogrammiert.

InfoKlick: https://spd-frauen-duisburg.de/

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