Prof. Dr. Christian Taube (Foto: "MARTIN KAISER Medienzentrum")
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Essen. Passivrauchen schädigt das Immunsystem von Ungeborenen

„Schwangere sollten konsequent auf aktives und passives Rauchen verzichten. Denn beides kann zusätzlich zu anderen gravierenden gesundheitlichen Folgen das Immunsystem und die Lungenfunktion des Kindes in Mitleidenschaft ziehen und Asthma begünstigen“, warnt Professor Dr. Christian Taube, Direktor der Klinik für Pneumologie der Universitätsmedizin Essen-Ruhrlandklinik. Anlässlich des Weltnichtrauchertages (31. Mai 2019) erinnert der Lungenfacharzt daran, dass Tabakrauch zu den schädlichsten Innenraumschadstoffen gehört, vor denen Ungeborene und Kinder unbedingt geschützt werden müssen.

Professor Taube, Mitautor des „Weißbuch Allergien in Deutschland“, das jüngst in dritter Auflage erschien, macht auch deutlich, dass passiv rauchende Kinder eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, an Allergien zu erkranken. Ist deren Immunsystem durch den blauen Dunst geschwächt, öffnet es einer späteren Allergiekarriere Tür und Tor. Daher sollten Eltern nicht nur selbst konsequent auf das Rauchen verzichten, sondern ihr Kind ausnahmslos vor Passivrauch schützen, fordert Professor Taube, der auch Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie ist.

„Inzwischen wissen wir, dass die Häufigkeit und Intensität des Zigarettenrauchs, den Kinder einatmen müssen, mit der Wahrscheinlichkeit, an Asthma zu erkranken, in direktem Zusammenhang steht. Daher ist die Erkrankungswahrscheinlichkeit bei Kindern rauchender Eltern deutlich erhöht.“

Kinder mit Neurodermitis, die genetisch bedingt ohnehin ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung weiterer Allergien haben, sind besonders gefährdet. Darüber hinaus ist Tabakrauch einer der Hauptauslöser für Asthmaanfälle bei bereits an Asthma erkrankten Kindern. Doch damit nicht genug: „Kleine Passivraucher haben häufig Schlafstörungen und laufen Gefahr, Dauer­­gäste in der Kinderarztpraxis zu werden: Sie sind auch anfälliger für Infekte wie Lungen- und Mittelohrentzündung“, weiß der Klinikchef aus seiner täglichen Praxis.

Wie wirksam der Schutz vor Passivrauch ist, zeigt unter anderem eine Studie aus Schottland. Dort darf seit 2006 in allen öffentlichen Gebäuden, Transportmitteln,

und Bahnhöfen nicht mehr geraucht werden. Forscher aus der Universität Glasgow, die den Prozess wissenschaftlich begleiteten, stellten unter anderem fest, dass nach dem Rauchverbot die Krankenhauseinweisung von Kindern wegen akuter Asthmaanfälle deutlich zurück ging.

 

Interview mit Professor Dr. Christian Taube zum Weltnichtrauchertag und zum Thema Rauchverbot in Autos

Professor Dr. Christian Taube ist Direktor der Klinik für Pneumologie der Universitätsmedizin Essen-Ruhrlandklinik und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI).

Dass das Rauchen schädlich, ja krebserregend ist und die Lunge schädigt, ist allgemein bekannt. Aber welchen Einfluss hat das Rauchen der Mutter auf ihr ungeborenes Kind gerade mit Blick auf die spätere Allergiekarriere des Kindes?

Wie die Ursache-Wirkungsbeziehung zwischen Passivrauchen und Allergieentwicklung im Detail aussieht, wird derzeit intensiv erforscht. Wir wissen aus der Epidemiologie und aus der experimentellen Forschung, dass gerade das Passivrauchen eine spätere Allergiekariere des Ungeborenen im hohen Maße befördert. Klar ist, dass die über 4.000 Schadstoffe im Tabakrauch das noch empfindliche Immunsystem aus dem Gleichgewicht bringen, eine gedeihliche Entwicklung massiv stören und überschießende Abwehrreaktionen wie die einer Allergie erhöhen. Denn das noch nicht ausgereifte, frühkindliche Immunsystem ist für derartige Störungen überaus empfänglich.

Und wie gefährlich ist das passiv Rauchen der Mutter, etwa wenn der Lebensgefährte regelmäßig in der gemeinsamen Wohnung raucht?

Auch das ist mit erheblichen gesundheitlichen Folgen für das Kind verbunden. Es reicht auch nicht, wenn der Partner nur auf dem Balkon raucht, denn schon der Schwall der Tabakluft, die beim Wiedereintreten in die gemeinsame Wohnung dringt, schädigt das Kind. Kinder sind noch gefährdeter als Erwachsene, da sich die Giftstoffe bei ihnen auf eine geringere Körpermasse verteilen und sie eine höhere Atemfrequenz haben. Außerdem sind viele Organe und Funktionen des Körpers noch nicht voll ausgebildet wie zum Beispiel die Möglichkeit zur Entgiftung von Schadstoffen.

Dann ist Rauchen im Auto tabu, wenn Kinder oder Schwangere mitfahren?

Auf jeden Fall!! In England, Irland und Schottland ist das Rauchen im Auto verboten, wenn Personen unter 18 Jahre mit an Bord sind. In Italien sogar, wenn Schwangere oder Kinder unter zwölf Jahre mitfahren. Ich finde das vorbildlich. In einem Auto ist die Luftschadstoffkonzentration derart erhöht, dass gerade die Kindergesundheit massiv in Mitleidenschaft gezogen wird – mit all den genannten Folgen.

Gibt es vergleichbare Bestrebungen in Deutschland?

Ja, im März hat die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen einen gemeinsamen Antrag von CDU, SPD, FDP und Grünen gestellt, Rauchen in Autos zu verbieten, wenn sich Minderjährige oder Schwangere an Bord befinden. Die Regelung soll sich nicht nur auf das Bundesland beschränken, sondern deutschlandweit gelten. Die Landesregierung soll nun über den Bundesrat einen Gesetzentwurf einbringen, der das Rauchen in Autos in Anwesenheit von Minderjährigen oder Schwangeren verbietet und sanktioniert.

Und wie wirkt sich das Passivrauchen auf eine bereits bestehende Allergie aus?

Rauchen verschlechtert die bestehenden Grunderkrankung wie Neurodermitis, Asthma oder die Chronisch obstruktive Lungenerkrankung erheblich. Wissenschaftliche Daten belegen, dass Kinder mit bestehenden Grunderkrankungen sehr viel häufiger ins Krankenhaus und in die Notfallambulanz eingeliefert werden und häufiger Infekte haben. Wir wissen auch, dass rauchende Asthmatiker eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für Asthmaanfälle und für einen deutlichen Verlust der Lungenfunktion haben und, dass sich weitere Lungenerkrankungen zum Asthma hinzugesellen können.

Wie lange vor einer Schwangerschaft sollten Frauen mit dem Rauchen aufhören und was gibt es noch zu beachten?

Eine Frau sollte spätestens dann mit dem Rauchen aufhören, wenn sie plant schwanger zu werden und nicht erst, wenn der Schwangerschaftstest positiv ist. Denn den exakten Zeitpunkt der Empfängnis kann erst im Nachhinein bestimmt werden. Und selbst in der Zeit, in der die Frau unwissentlich schwanger ist, kann der Tabakrauch bereits die Frucht schädigen.

Quelle: Weißbuch Allergie in Deutschland: Springer Medizin Verlag GmbH, überarbeitete und erweiterte Auflage. ISBN 978-3-89935-312-9, ISBN 978-3-89935-313-6 (eBook), Preis: 39,99 Euro.

Über die Deutsche Allergie-Liga e.V.: Die AllergieLiga e.V. (DAL) will die Menschen in Deutschland für das frühzeitige Erkennen von allergischen Erkrankungen und deren rationale Diagnostik und nachhaltige Behandlung sensibilisieren. Des Weiteren setzt sie sich auch für Patientenschulungen und eine Übernahme der Kosten für Anti-Allergika durch die Krankenkassen ein. Ihre Arbeitsgrundlage ist das “Weißbuch Allergie in Deutschland”. Das umfassende Werk beschreibt den aktuellen Forschungsstand der Allergologie in Deutschland. Die DAL ist eine Initiative des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen (AEDA) und der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI).

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