Bei den Kindern ist die Freude groß, dass ihnen (von links) Jörg Rettberg, Nicole Weiner, Barbara Ernstings und Nicol Peters immer neue Geschichten erzählen (Foto: Bischöfliche Pressestelle / Jürgen Flatken)
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Dinslaken/Bistum Münster. „Der Lese-Opa ist da, der Lese-Opa ist da“, rufen die Kinder der Heilig-Blut-Kita in Dinslaken aufgeregt durcheinander. Mit leuchtenden Augen rennen sie Jörg Rettberg entgegen und werfen sich in seine ausgebreiteten Arme. Die Augen leuchten auf beiden Seiten. Die Kinder wissen: Wenn Rettberg die Kita betritt, ist das nächste Abenteuer nicht weit. Denn seit 2003 liest der inzwischen 79-Jährige den Jungen und Mädchen regelmäßig Geschichten vor erfährt dabei, dass man auch in seinem Alter noch dazulernen kennen.

„In der Vergangenheit habe ich die Geschichten vorgelesen und gut war“, erklärt der rüstige Rentner. Er war daher erstaunt, als er mitbekam, dass die Erzieherinnen anfingen, Geschichten frei zu erzählen. „Mit dem Ergebnis, dass die Kinder viel aufmerksamer zuhörten und länger bei der Stange blieben“, beobachtete Rettberg und freute sich. Denn „die Geschichte wurden zu einem richtigen Schauspiel, in das die Kinder quasi mit hineingezogen wurden.“ Das wollte er auch lernen.

„Wir sind seit 2015 eine Literatur-Kita“, erklärt Kita-Leiterin Nicole Weiner. „Die Sprache entwickelt sich durchs Erzählen.“ Auch die Eltern würden mit ins Boot geholt und aktiv beteiligt, wie etwa durch Vorlesetage. Daher waren alle in der Kita begeistert, als Mitte 2018 im Aktionsprogramm „Kita – Lebensort des Glaubens“ die zertifizierte Fortbildung „Erzähl´ mir Deine Hoffnung – Erzählwerkstatt im Kindergarten“ angeboten wurde. Weiners Kolleginnen Barbara Ernstings und Nicol Peters haben daran teilgenommen und nun zusammen mit 20 weiteren Teilnehmerinnen die Zertifikate in der Akademie Franz Hitze Haus in Münster in Empfang genommen.

„Durch diese Fortbildung sind wir infiziert worden“, berichtet Weiner. „Jetzt erzählen wir alle“, freut sie sich und war darüber so begeistert, dass ein extra Theaterraum geschaffen wurde, „um die Geschichten in einem würdigen Rahmen zu erzählen“.  Erzieherin Ernsting ergänzt: „Als wir noch Geschichten vorgelesen haben, wollten sich die Kinder immer auch die Bilder anschauen, was natürlich nicht immer alle konnten. Das Erzählen ermöglicht es den Kindern, eigene Bilder im Kopf zu entwickeln. Ihre Fantasie wird angeregt.“ Mit dem Ergebnis, dass sich die Kinder mittlerweile gegenseitig Geschichten erzählen. „Sie ahmen uns nach“, freut sie sich.

„Geschichten zu erzählen ist so alt wie die Menschheit“, erklärt Ausbildungsleiter Thomas Hoffmeister-Höfener vom Verein Theomobil während der Zertifikatsübergabe. „Seit Anbeginn aller Zeiten fragen sich die Menschen: Wo kommt alles her? Warum ist alles so, wie es ist?“ Hoffmeister-Höfener ist von dem Engagement seiner 22 Teilnehmerinnen der Erzählwerkstatt „begeistert“. Es gehe nicht darum, irgendetwas zu imitieren. Jede solle lernen, auf ihre Art und auf jeden Fall authentisch, Geschichten zu erzählen. Weiner ist stolz darauf, „so motivierte Mitarbeiterinnen zu haben, die dem Kulturgut Buch Leben einhauchen.“ Und bei Erzähl-Opa Jörg Rettberg ist nach seiner Fortbildung im freien Erzählen eine neue Leidenschaft entstanden. Die strahlenden Augen der Kinder danken es ihm.

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