Mülheimer Alpenvereinsmitglieder auf dem Weg zum Arbeitseinsatz am Westerfrölkeweg in der Goldberggruppe (Foto: Manfred Kleine)
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Mülheim. Kaum irgendwo wird der rasant fortschreitende Klimawandel so sichtbar wie in den Hochlagen der Alpen. Die Alpenvereinssektionen mit ihren Arbeitsgebieten im Hochgebirge schlagen Alarm: Die Gletscher im Schatten des Alpenhauptkamms schwinden deutlich schneller als noch in den jüngsten Klimamodellen berechnet. Und mit dem stark voranschreitenden Rückgang des Permafrosts verlieren ganze Berggruppen ihren Halt. Auch auf die Ebenen nördlich und südlich der Alpen wird das in den nächsten Dekaden fatale Auswirkungen haben, beispielsweise für die Wasserversorgung der Bevölkerung.

Deswegen hatte der Deutsche Alpenverein (DAV) mit seinen 357 Sektionen, in denen 1,3 Mio. Mitglieder organisiert sind, Klimawandel und Klimaschutz zum Kernthema seiner diesjährigen Hauptversammlung gemacht, die anlässlich seines 150jährigen Jubiläum am Gründungsort München stattfand. Nahezu einstimmig (mit über 99 Prozent der Stimmen) verabschiedeten die Delegierten eine Resolution, die Bund, Länder und Kommunen auffordert, nun konsequent die Weichen in Richtung Klimaschutz zu stellen. In der Resolution bekennt sich der DAV auch klar und uneingeschränkt zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens von 2015 und fordert seine eigenen Mitglieder auf, für einen nachhaltigen Klimaschutz einzutreten und selbst aktiv zu werden.

In seiner ebenso nahezu einstimmig beschlossenen Selbstverpflichtungserklärung formulierten der DAV und seine Sektionen dann auch konsequenterweise weitreichende Schritte zur Reduzierung klimaschädlicher Aktivitäten. In einem ersten Schritt soll eine umfassende Bestandsaufnahme der Klimagefährdung durch den Alpenverein, seine Sektionen und Angebote erfolgen. In den folgenden Schritten sollen dann konkrete Maßnahmen in den Kernbereichen Infrastruktur und Mobilität erarbeitet und umgesetzt werden. „Die Vermeidung von klimaschädlichen Emissionen hat oberste Priorität, gefolgt von der Reduzierung von Treibhausgasen. Nur in unvermeidlichen Fällen soll die Kompensation als dritte und letzte Alternative herangezogen werden“, fassten Josef Klenner, Präsident des DAV, und der für Natur- und Umweltschutz verantwortliche Vizepräsident, Rudi Erlacher, die Selbstverpflichtung zusammen.

Klar war für die rund 800 Delegierten dann auch, dass hierfür finanzielle Mittel erforderlich sein werden, ohne allerdings jetzt schon abschätzen zu können, wie viel dies letztlich sein wird. Um aber zeitnah mit der Bestandsaufnahme und ersten Maßnahmen beginnen zu können, beschlossen die Sektionsvertreter/innen, ab dem kommenden Jahr einen Klimabeitrag pro Vollmitglied in Höhe von einem Euro zu erheben, so dass schon im kommenden Jahr gut eine Mio. Euro für das DAV-Klimapaket zur Verfügung stehen werden, verstärkt durch die klimaschützenden Maßnahmen, die der DAV an seinen über 300 Schutzhütten in den Alpen und Mittelgebirgen durchführen wird und die aus einem weiteren, speziell hierfür zur Verfügung stehenden Etat finanziert werden.

„Der Mülheimer Alpenverein wird diese Herausforderung annehmen“, so Michael Cremer, Erster Vorsitzender, während der Hauptversammlung in der bayerischen Landeshauptstadt. Potentiale sieht er in der energetischen Optimierung der Mülheimer Eifelhütte wie auch der Geschäftsstelle in Eppinghofen, vor allem aber in der konsequenten Emissionsreduktion bei Sektionsunternehmungen. So sind die Arbeitsgebiete der Sektion in der Rureifel und im Nationalpark Hohe Tauern ganz einfach mit dem Zug erreichbar. Im Interessenverband Tauernhöhenweg ist die Sektion an der Entwicklung nachhaltiger und naturverträglicher Tourismuskonzepte beteiligt. Und Tourenangebote, welche die An- und Abreise per Flugzeug erforderlich machen, gibt es in der Mülheimer Alpenvereinssektion schon seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. „Wenn unsere Sektion sich hier anstrengt und Zeichen setzt, werden auch unsere Mitglieder mitmachen und ihrerseits ihre Möglichkeiten nutzen, um das Klima zu schützen“, ist Cremer überzeugt. „Ein wichtiger Beitrag auch für unsere Stadt und ihre Klimaziele, die wir mit dem Mülheimer Klimabündnis zusammen mit anderen Natur- und Umweltschutzverbänden und –organisationen immer wieder anmahnen“, ergänzt er.

Im Zuge der Feierlichkeiten zum Jubiläum blickte der DAV auch auf seine Geschichte zurück. Und gerade im Hinblick auf die in den 1920er Jahren zunehmend nationalistische Ausrichtung des Alpenvereins mahnte Präsident Klenner in seiner Ansprache an, heute wachsamer denn je zu sein und couragiert für Gleichberechtigung, Offenheit und Toleranz in unserer Gesellschaft einzutreten. Gerade die Jugend des DAV (jdav) hat hier eine Vielzahl von Projekten initiiert und umgesetzt, wusste Sunnyi Mews, Bundesjugendleiterin der jdav aus Essen, auf der Hauptversammlung zu berichten. Auch der Mülheimer Alpenverein ist mit seinem Projekt „InterVertikal“ zusammen mit dem Kletterzentrum Neoliet seit vielen Jahren beispielsweise in der Flüchtlingsarbeit aktiv. Und ein neues Projekt steht im Inklusionsbereich an. Zusammen mit dem DAV Summit Club plant die Sektion eine inklusive Bergsportwoche für Familien.

„Leisten wir unseren Beitrag zum Klimaschutz und für eine offene, tolerante Gesellschaft, dann stehen dem Deutschen Alpenverein auch weitere 150 erfolgreiche Jahre bevor“, so Cremers Fazit. Denn die Berge werden ihre Anziehungskraft auf Menschen behalten. „Auch wenn sie in 30-40 Jahren stark vom Klimawandel gezeichnet sein dürften“, befürchtet Cremer.

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