(Foto: Annika Lante)
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Mülheim. Trends in der Jugendarbeit und Finanzverwaltung – mit diesen Fragen beschäftigte sich die Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises An der Ruhr, die am Wochenende tagte. Superintendent Gerald Hillebrand stellte die soziale Relevanz von Kirche in den Fokus seines jährlichen Berichts an die Kreissynode. Beschlossen wurden turnusgemäß die Haushalts- und Stellenpläne für das kommende Jahr. Ein weiterer Tagesordnungspunkt waren der Bericht zur Eröffnungsbilanz und die ersten Jahresabschlüsse nach dem Neuen Kirchlichen Finanzwesen (NKF).

In seinem Bericht an die Kreissynode nahm Superintendent Gerald Hillebrand die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz von Kirche in den Blick. Kirche könne nicht mehr auf selbstverständliche soziale Anerkennung setzen. Die frohe Botschaft des Evangeliums sei „nicht die Einzige, die den Menschen Sinn und Halt in ihrem Leben zu geben verspricht.“ Gemeinsame Wertvorstellungen müssten heute, viel stärker als früher, im gesellschaftlichen Diskurs errungen werden. Die genuine Botschaft des Glaubens formulierte Superintendent Hillebrand als: „eine Botschaft, die die Welt verändern kann, weil sie Menschen verändert, die auf Liebe setzt statt auf Macht, die in die Freiheit führt, statt in neue Zwänge (…) die für Menschlichkeit eintritt, weil Gott selbst Mensch geworden ist.“

Ihren Sinn habe die Kirche „im Sein für Andere. Dann ist sie auch gesellschaftlich relevant“. Deswegen sei es richtig, dass der Kirchenkreis sich dem AfD-Protest im Bündnis „Mülheim stellt sich quer“ angeschlossen habe – trotz geäußerter Kritik am vermeintlichen „Meinungsterror“. Superintendent Hillebrand: „Wehre den Anfängen – das haben die Kirchen zu Beginn der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts nicht getan. Diesen Fehler wollen wir nicht noch einmal machen. Deshalb (…) beziehen wir Position – nicht aus einem politischen Auftrag heraus, sondern aus christlicher Überzeugung!“

Um weiter relevant zu bleiben, müsse Kirche sich nicht neu erfinden, aber neu aufstellen – so wandte sich der Superintendent strukturellen Entwicklungen zu. Kirche müsse stärker als bisher die Mehrheit der Gemeindemitglieder erreichen, die der Kirche zwar angehören, aber kaum Anbindung an ihre Angebote haben: „Um mit ihnen in Kontakt zu kommen, sollten wir mehr investieren“. Als Beispiele nannte der Superintendent die Kontakte bei Taufen, Trauungen und Beerdigungen, aber auch Elternangebote in den KiTas und den Konfirmandenunterricht. Viele Menschen erlebten Kirche außerhalb der Ortsgemeinde: in Familienbildung, Beratung, im Rahmen der Notfall- und Krankenhausseelsorge. Kräfte und Kompetenzen seien zu bündeln, gemeinde- und kirchenkreisübergreifend. Kooperationen in der Ökumene oder auch mit diakonischen Trägern seien stärker in Betracht zu ziehen. „Es ist gut, Visionen zu haben“, formulierte Superintendent Hillebrand „und man muss damit auch nicht, wie Helmut Schmidt einst empfohlen hat, zum Arzt gehen, sondern darf sich von ihnen inspirieren und bewegen lassen.“

Erste Zukunftsvisionen, insbesondere aber eine fundierte Bestandsaufnahme, präsentierten die KSV-Mitglieder Dr. Heinz-Jürgen Joppien und Dr. Heinz-Rudi Spiegel als Zwischenergebnisse der Jugendvisitation. Im Herbst hatte es eine Fragebogenerhebung in Gemeinden und kreiskirchlichen Einrichtungen gegeben, mit der der Kreissynodalvorstand (KSV) die Situation der Jugendarbeit erfasste. Mit Blick auf die Jugendarbeit wurde der Status der gemeindeinternen Zusammenarbeit und der Kooperation mit externen kirchlichen und nichtkirchlichen Partnern erhoben. Außerdem ging es um Trends in der Jugendarbeit und die finanzielle Ausstattung des Arbeitsgebietes.

Die Ergebnisse: Der Stellenwert der Jugendarbeit wird in den Gemeinden durchweg als hoch eingeschätzt. Dies spiegelt sich auch in den ermittelten Trends wider: Die Zahl der ehrenamtlich Mitarbeitenden steigt, für die freiwillig Engagierten gibt es fachlich fundierte Schulungen. Jugendarbeit und Konfirmandenunterricht werden zunehmend verzahnt. Die kirchenmusikalischen Angebote für junge Leute nehmen in der Zahl zu. Außerdem wird eine wachsende Vernetzung und Kooperationen über Gemeindegrenzen hinweg beschrieben. Das kreiskirchliche Jugendreferat wird als wirksame Unterstützung erlebt. Gleichermaßen werden aber auch ein geringerer Zulauf bei regelmäßig verbindlichen Angeboten der Jugendarbeit attestiert und ein nicht immer einfacher Zugang zu Schulen.

Gewünscht wurden neben einem weiterem Ausbau vorhandener Stärken auch eine intensivere Kooperation mit Schulen und die Erschließung neuer Kommunikationsformen für öffentlichkeitswirksame Angebote der Jugendarbeit. Bis zum Frühjahr wird der Kreissynodalvorstand die Beteiligten zu einem Abschlussgespräch der Jugendvisitation einladen.

Derzeit sind 9 Personen (in umgerechnet 7,6 Vollzeitstellen) in der gemeindlichen Jugendarbeit beschäftigt, hinzu kommt der im Kirchenkreis angesiedelte Jugendreferent. Rund 200 ehrenamtlich Mitarbeitende engagieren sich in der evangelischen Jugendarbeit in Mülheim.

Turnusgemäß beschlossen die Synodalen die Haushalts- und Stellenpläne für das kommende Jahr. Ein weiterer Tagesordnungspunkt waren der Bericht zur Eröffnungsbilanz und die ersten Jahresabschlüsse nach dem Neuen Kirchlichen Finanzwesen (NKF).

Stichwort: Synode

Die Kreissynode tagt mindestens einmal, oft zweimal im Jahr und ist das höchste Entscheidungsgremium, das „Parlament”, eines jeden Kirchenkreises. Zu den Synodalen zählen alle Pfarrerinnen und Pfarrer, sowie weitere gewählte Mitglieder aus den Gemeindepresbyterien (von den Gemeindegliedern gewählte Leitungsgremien). Die Synodalen entscheiden unter anderem über kreiskirchliche Finanzen, erarbeiten auch gemeinsame theologische und sozialethische Stellungnahmen und können Anträge an die Landessynode stellen. Die Synode verhandelt öffentlich. Zum Evangelischen Kirchenkreis An der Ruhr zählen rund 45.000 Gemeindeglieder.

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