Projektleiterin Dr. Andrea Kuckert-Wöstheinrich: „Was die Menschen an Kompetenzen mitbringen, ist oft genau das, was wir dringend brauchen.“ (Foto: © St. Augustinus Gruppe)
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Neuss. St. Augustinus Gruppe zieht Bilanz zu einem ganz besonderen Projekt

In Krankenhäusern und Senioreneinrichtungen werden dringend neue gute Arbeitskräfte gesucht, und das Projekt „Geflüchtete als Potenzialträger im deutschen Gesundheitswesen“ hat gezeigt: In den vergangenen Jahren sind viele für diesen Bereich sehr geeignete Menschen nach Deutschland gekommen. Im Rahmen einer berufsqualifizierenden Maßnahme ließen sich in Neuss fast 70 Menschen aus Syrien, Afghanistan und anderen Krisengebieten zum „Alltagsbegleiter für Menschen mit Demenz“ ausbilden. Die jetzt dazu veröffentlichten Zahlen können sich sehen lassen: Von 69 geschulten Geflüchteten erhielten 61 Zertifikate für bestandene Prüfungen. Im Anschluss gab es fast 20 Ausbildungsverträge und noch mehr weitere Qualifikationen. „Das ist ein toller Erfolg, und wir bekommen hier gute Leute, die super geeignet sind“, sagt Projektleiterin Dr. Andrea Kuckert-Wöstheinrich von der Unternehmensentwicklung der St. Augustinus Gruppe.

Die abgeschlossene Analyse des Projekts zeigt tatsächlich: Das Modellprojekt wurde zur Win-Win-Situation für die Teilnehmenden und die St. Augustinus Gruppe, in deren Einrichtungen für Senioren und für Menschen mit Behinderung die Geflüchteten gearbeitet haben. Neben den Grundlagen der Pflege und Hygiene haben die Teilnehmer beispielsweise auch die deutsche Sprache gelernt und viele Aspekte der deutschen Kultur kennengelernt. Immerhin 330 Stunden Theorie und 150 Stunden Praxis galt es insgesamt zu absolvieren. „Die Geflüchteten konnten sich orientieren, was sie können, und was Deutschland ihnen zu bieten hat“, erklärt Kuckert-Wöstheinrich.

Viele finden einen Job

Einige Geflüchtete haben nach der Projektzeit tatsächlich einen Ausbildungsplatz in der Pflege bekommen, andere werden jetzt Pflegehelfer oder machen zunächst den Hauptschulabschluss, und wieder andere haben schon einen sozialversicherungspflichtigen Job. „Bei einigen Teilnehmenden denken wir noch, dass wir sie vermitteln können. Ich freue mich ja auch, wenn jemand feststellt, dass er besser ins Baugewerbe passt. Auch hier gab es schon mehrere Einstellungen“, sagt Projektleiterin Kuckert-Wöstheinrich. Ihr ist nur wichtig, dass die Arbeitgeber nicht defizitär schauen, sondern konstruktiv.

Gefördert wurde das Modellprojekt mit knapp 220.000 Euro vom Bundesgesundheitsministerium, die St. Augustinus Gruppe gab noch einmal einen deutlichen fünfstelligen Betrag dazu. Wenn dadurch der Grundstein für viele dauerhafte Erwerbsbiografien gelegt wird, müsste das Projekt eigentlich als voller Erfolg gewertet werden. Aber Kuckert-Wöstheinrich sieht das differenzierter: „Was wir unterschätzt haben, ist die Überführung vom Projekt in das, was danach kommt. Hier kommen manche ins Straucheln – auch, weil beispielsweise die Ausländerbehörden sehr viele bürokratische Hürden aufbauen. Das hatten wir unterschätzt.“

Fachtagung zu den Erkenntnissen

Die Ergebnisse der Modellphase – viele gute wie manche ernüchternde – stellen Andrea Kuckert-Wöstheinrich und weitere Referenten bei einem Fachtag am 23. März im Neusser Alexius/Josef Krankenhaus vor. Einen Tag lang geht es dann um Herausforderungen, Chancen und Lehren aus dem Projekt „Geflüchtete als Potenzialträger“. Mit dabei sind übrigens auch einige Teilnehmer der Qualifizierungsmaßnahme mit teils extrem spannender Migrationsbiografie. Andrea Kuckert-Wöstheinrich: „Was die Menschen an Kompetenzen mitbringen, ist oft genau das, was wir dringend brauchen.“

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