Im LVR-Wohnverbund Lindenstraße lädt Sofie Swet (Haus Freudenberg Goch) zum Zeitvertreib zu einer Runde „Stapelmännchen“ ein (Foto: LVR-Verbund HPH)
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Kevelaer/Goch. LVR-Verbund HPH kooperiert mit Haus Freudenberg

Normal ist anders. Normal ist, wenn die 32 Frauen und Männer, die in den zwei Wohnverbünden des LVR-Verbundes Heilpädagogischer Hilfen (LVR-Verbund HPH) in Kevelaer zuhause sind, morgens zur Arbeit in die Werkstatt fahren. Oder in die LVR-Heilpädagogischen Zentren (LVR-HPZ), die für die Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung gedacht sind, die nicht in einer Werkstatt arbeiten können. Doch normal ist nichts in Corona-Zeiten. Die Werkstätten waren geschlossen, öffnen jetzt erst wieder schrittweise und die LVR-HPZ werden nicht vor dem 30. Juni 2020 öffnen. Alle Bewohnerinnen und Bewohner sind daheim und wollen beschäftigt werden. Dass da mehr Arbeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Häusern an der Linden- und der Dietrich-Bonhoeffer-Straße anfällt, ist klar. Doch ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Wege.  Deshalb gibt es eine besondere Kooperation zwischen dem LVR-Verbund HPH und dem Haus Freudenberg: Zwei Mitarbeiterinnen aus der Werkstatt in Goch unterstützen die Bewohnerinnen und Bewohner und die Teams an den beiden Standorten in Kevelaer.

„Im ersten Moment wusste ich nicht, ob ich mich freuen oder sorgen sollte“ gab Anja Booltink zu, die Leiterin der zwei LVR-Wohnverbünde, als die Information zu den Werkstatt-Mitarbeitenden kam. „Einerseits war ich froh, weil wir Unterstützung bekommen, andererseits hatte ich Sorge, weil fremde Leute ins Haus kommen sollten. Wie würden unsere Bewohnerinnen und Bewohner reagieren?“, erinnert sie sich. Um das Ergebnis gleich vorweg zu nehmen: Es ist für alle eine Win-Win-Situation, wenn alle Seiten profitieren.

Anja Booltink ist von der tatkräftigen Unterstützung der beiden Werkstattmitarbeiterinnen Lara Dressler und Sofie Swet begeistert. „Wir haben supergute Kolleginnen bekommen, sie sind sehr empathisch, leisten wertvolle Arbeit, fügen sich super ins Team ein und sind eine sehr, sehr große Unterstützung für alle. Es passt einfach.“

Sowohl in der Linden- als auch in der Dietrich-Bonhoeffer-Straße gibt es im Dachgeschoss große Räume. Dort hatten bereits Mitarbeiterinnen aus dem LVR-HPZ in Geldern ihre Zelte aufgeschlagen und Freizeitangebote organisiert. „Durch die zusätzlichen Kräfte aus den Werkstätten“, sagt Markus van Baal, Praxisanleiter am Standort Dietrich-Bonhoeffer-Straße, „könnten noch mehr Bewohnerinnen und Bewohner beschäftigt werden“. „Spiele und kreative Angebote“, so Sofie Swet und Lara Dressler, „seien stark nachgefragt“. In der Dietrich-Bonhoeffer-Straße wurde das Haus zum Beispiel mit selbstgebastelter Osterdeko geschmückt, in der Lindenstraße Karten zu Muttertag gebastelt. „Damit wenigstens ein bisschen Kontakt zu den Familien möglich war. Und da nicht alle schreiben können, haben wir die Karten mit Fingerabdrücken personalisiert“, so Lara Dressler.

Die zwei Heilerziehungspflegerinnen fühlen sich ausgesprochen wohl an ihrem derzeitigen Arbeitsplatz. Zum einen, weil sie die Bewohnerinnen und Bewohner in ihrem privaten Umfeld erleben können und so manchen neu kennenlernen. Sofie Swet: „Einer ist in meiner Gruppe in der Werkstatt. Ich lerne ihn hier auf eine ganz andere Art und Weise kennen.“ Sie sehe Stärken und Schwächen der Menschen, die vorher nicht so deutlich waren. Erkenntnisse, die in ihre Arbeit in der Werkstatt einfließen könnten. Auch Lara Dressler ist überzeugt, dass die gemeinsame Zeit mit den Teams der LVR-Wohnverbünde positive Folgen haben wird: „Man hat jetzt ein ganz anderes Verständnis für die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen.“

Ein Aspekt, der für Markus van Baal nicht zu unterschätzen ist. Es gebe zwar regelmäßige Jahresgespräche mit der Werkstatt. Die beschäftigten sich aber immer mit einzelnen Personen. „Jetzt bekommen die Werkstatt-Kolleginnen viel mehr Einblick in das, was wir machen. Das fördert Verständnis füreinander.“ Auch umgekehrt ist das so. Neue Kolleginnen und Kollegen, ergänzt Anja Booltink, würden neue Ideen mitbringen. „Schon allein unsere HPZ-Kolleginnen, die zu uns ins Haus gekommen sind, haben viele Anstöße gegeben, was in Sachen Freizeit noch möglich ist.“

Auch für ihre beiden Stammbelegschaften ist Anja Booltink voll des Lobes. „Ich bin sehr stolz auf meine kompetenten Teams. Alle waren und sind an Bord, wir hatten keine Ausfälle. Es hat sich wieder einmal gezeigt: Wenn Not am Mann ist, halten alle zusammen und kriegen das hin. Das Miteinander, gerade in Krisenzeiten, klappt vorzüglich – immer wieder.“

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