(Foto: privat)
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Mülheim. Die Bekämpfung der Corona-Pandemie hat eine wichtige Frage aufgeworfen, die beim Ergreifen von Maßnahmen nicht unbeantwortet bleiben durfte: Welche gesellschaftlichen Aufgaben sind systemrelevant? An medizinische Berufe denkt man hierbei schnell und natürlich an die Versorgung mit Lebensmitteln.

Beim Runden Tisch der SPD-Oberbürgermeisterkandidatin Monika Griefahn zum Thema „Die Bedeutung der Sozialen Arbeit“ am vergangenen Mittwoch ist allerdings eines mehr als deutlich geworden: Die Arbeit der Mülheimer Wohlfahrtsverbände zählt definitiv zu diesen unverzichtbaren, gesellschaftlichen Aufgaben. Rund neunzig Minuten gaben Regine Arntz (Vorstand Caritas Mülheim an der Ruhr), Elke Domann-Jurkiewicz (Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt) und Ulrich Schreyer (Geschäftsführer Diakoniewerk Arbeit & Kultur gGmbH) der Kandidatin und zahlreichen, über eine Online-Software zugeschalteten Zuschauern Einblick in ihre Tätigkeit und belegten die Systemrelevanz ihrer Verbände.

Die Herausforderungen, mit denen Mülheim an der Ruhr konfrontiert wird, sind inzwischen unübersehbar. Die Schere zwischen Arm und Reich geht auch hier weit auseinander. Die Kinderarmut steigt. Die Bedarfe einer zunehmend älteren Bevölkerung können nicht allein von bereits voll ausgelastetem Pflegepersonal übernommen werden. Die Liste setzt sich weiter fort. Die Wohlfahrtsverbände haben zum Ziel, diese Entwicklungen aufzuhalten.

Griefahn: „Wir müssen auch feststellen, dass die Wohlfahrtsverbände von Politik und Verwaltung mehr Verlässlichkeit und Unterstützung erwarten.“ Bei den schwierigen Anpassungen an Corona sei ihnen der Staat nicht zur Hilfe gekommen. Dabei mangele es an vielen Ecken, nicht zuletzt an der Finanzierung. Griefahn weiter: „Ich bin nicht verlegen einzugestehen, dass auch ich als Oberbürgermeisterin kein Geld mit der Gießkanne ausschütten könnte. Die Altschulden sind ein immer wiederkehrender, trauriger Fakt. Das darf uns aber nicht abhalten, Lösungen zu finden.

Systemrelevante Arbeit braucht eine angemessene Bezahlung für die Mitarbeitenden und eine verlässliche Finanzierung für die Leistungen der Wohlfahrtsverbände.“

Darum möchte sich die Sozialdemokratin für eine neue kommunale Finanzstruktur einsetzen, in der Aufgaben nicht nur nach „pflichtig“ und „freiwillig“ klassifiziert werden, sondern auch nach „Systemrelevanz“ für das Leben in der Kommune. Es brauche eine vereinte Anstrengung in der Sozial- und Gesundheitsprävention. Soziale Arbeit könne nur bestehen, wenn sie auch politisch gewollt ist. „Diesen Willen will ich hiermit bekräftigen“, so die Kandidatin entschieden. Schon in zahlreichen Gesprächen habe sie feststellen können, dass es den Mülheimern nicht an Engagement mangele. „Mit Verlässlichkeit und dem Mut, neue Wege zu gehen, wird sich daraus noch Vieles zum Besseren gestalten lassen“, ist sich Griefahn sicher.

Offener Brief von Kreis- und Fraktionsvorstand Bündnis 90/DIE GRÜNEN an SPD-OB-Kandidatin Monika Griefahn

Sehr geehrte Frau Griefahn,

mit großer Verwunderung haben Bündnis 90/DIE GRÜNEN den Bericht der WAZ vom heutigen Tage übertitelt mit „Runder Tisch mit Vertretern der Mülheimer Wohlfahrtsverbände“ zur Kenntnis genommen.

Wir sind eigentlich davon ausgegangen, dass sich auch in der SPD allmählich die Einsicht durchsetzte, dass ein Neustart in der Mülheimer Kommunalpolitik erforderlich ist. Sie wurden präsentiert als offener und am Bürger*innendialog interessierter Neuzugang bei den Mülheimer Genoss*innen. Was sich aber nun herausstellt, ist die konsequente Beibehaltung altbekannter sozialdemokratischer Art, Kommunalpolitik zu machen: nämlich niemals offen auf Mitglieder der Stadtgesellschaft zuzugehen, sondern stets in handverlesenen Zirkeln auszumauscheln.

In der Mülheimer AGW, der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände, gibt es sechs Mitglieder:

  • Arbeiterwohlfahrt
  • Caritas
  • Der Paritätische
  • Deutsches Rotes Kreuz
  • Diakonie
  • Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland

Sie treffen sich mit genau zweien davon. Hilfestellung leistet dabei Ulrich Schreyer, der innerhalb der Diakonie nur eines von ganz vielen Arbeitsfeldern abdeckt, aber bekanntermaßen Wahlkampferfahrung schon bei Frau Mühlenfelds Kampagne erworben hat. Das Diakonische Werk mit seinen umfassenden sozialen Diensten für Kinder, Jugendliche, Familien, Senior*innen, Einwandern*innen u.s.w. kommt nicht vor. Das Rote Kreuz erscheint nicht. Die Jüdische Kultusgemeinde, die die Aufgaben der Jüdischen Wohlfahrtsstelle bei uns wahrnimmt, bleibt genauso ausgeschlossen wie der Paritätische. Gerade in Letzterem engagieren sich viele Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, die eigene Beiträge zum Wohlfahrtssystem erbringen. So zum Beispiel die Elterninitiativen und die zahlreichen Selbsthilfegruppen vor allem im medizinisch-pflegerischen Bereich.

Wir wissen nicht, wer Sie in Ihrer Partei berät und unterstützt. Aber offensichtlich sind es wieder diejenigen, denen ein offener Dialog mit betroffenen und aktiven Bürger*innen immer schon suspekt war und die zu Veranstaltungen vornehmlich auf die alten, intransparenten sozialdemokratischen Netzwerke zurückgreifen.

Angesichts der nicht nur corona-bedingt aktuell schwierigen Situation der für die soziale Stabilität unsere Gesellschaft unverzichtbaren Wohlfahrtsverbände verbietet es sich, dies parteipolitisch für Wahlkämpfe auszunutzen. Stattdessen geht es darum, in gemeinsamer Anstrengung aller Akteur*innen aus Verbänden, Initiativen, Politik und Verwaltung Lösungen zu erarbeiten, die nachhaltig und mehrheitsfähig sind. Wir schlagen Ihnen deshalb vor, mit uns und anderen Kräften zu einem wirklich repräsentativen Runden Tisch einzuladen, der den 13. September überdauert und langfristig wirkt. Über eine Antwort, Frau Griefahn, würden wir uns sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Kathrin Rose
Vorstandssprecherin

Fabian Jaskolla
Vorstandssprecher

Tim Giesbert
Fraktionssprecher

Franziska Krumwiede-Steiner
stv. Fraktionssprecherin

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