Olaf Steiner (Foto: privat)
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Düsseldorf. „Leben ist immer jetzt“

Gerresheim (evdus). Eigentlich sollte sein Abschied im Sommer mit einem großen Gemeindefest gefeiert werden. Doch dann kam Corona. Jetzt wird Pfarrer Olaf Steiner in einem Gottesdienst im kleinen Kreis am 21. Juni in der Gustav-Adolf-Kirche in Gerresheim in den Ruhestand verabschiedet.

Seit 35 Jahren ist Olaf Steiner Gemeindepfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Gerresheim. Seit 2012 arbeitet er mit geteilten Dienst: Mit einer halben Stelle in der Gemeinde und mit einer weiteren halben Stelle zusätzlich als Krankenhausseelsorger im Sana-Krankenhaus in Gerresheim.

Noch neu im Pfarramt in Gerresheim übernahm er 1985 schwertpunktmäßig die Kinder- und Jugendarbeit der Gemeinde, feierte regelmäßig sonntags Kindergottesdienste und fuhr mit Kindern und Erwachsenen auf Familienfreizeiten nach Merkhausen im Oberbergischen. „Für mich hat das damals gut gepasst, habe selbst eine Familie gegründet und wusste so ganz gut, wo die Probleme liegen und welche neuen Herausforderungen sich beim Lebensalltag mit Kindern stellen. In dieser Zeit sind Beziehungen und Freundschaften entstanden, die bis heute halten“, sagt Steiner.

„Aus Gedanken werden Gebäude“

Ein schwieriger Abschnitt für die Evangelische Kirchengemeinde Gerresheim und auch für Olaf Steiner persönlich war die Aufgabe der Gnadenkirche und der Apostelkirche, an der er 25 Jahre als Pfarrer tätig war. Hauptstandort der Gerresheimer Gemeinde sollte die Gustav-Adolf-Kirche an der Heyestraße und ein neu zu errichtendes Gemeindezentrum auf dem Gemeindegelände sein.

„Es hat mich schon belastet, als die Bagger kamen und die Apostelkirche am Apostelplatz Stück für Stück mit ihren großen Greifern abknabberten. Ich habe viele Erinnerungen an die Kirche, verbunden mit schönen wie traurigen Lebensgeschichten von Menschen“, sagt der 64-Jährige. Zur eigenen Trauerbewältigung schraubte er die schwarzen Haltevorrichtungen für Handtaschen an den Kirchenbänken in der Apostelkirche vor dem Abriss eigenhändig ab, um sie dann beim Gemeinde-Sommerfest als Andenken zu verkaufen. Wichtig war ihm, dass sich auch die Gemeindeglieder von den beiden Kirchengebäuden verabschieden konnten. So gab es eine Art Prozession von der Gnadenkirche aus mit Gegenständen aus der entwidmeten Kirche durch den Stadtteil hin bis zur Gustav-Adolf-Kirche. Zum Abschied von der Apostelkirche hat Olaf Steiner mit einem Team ein großes Abendessen in der Kirche ausgerichtet.

Viele Gedanken und ein Architektenwettbewerb waren nötig, um das neue Gemeindezentrum mit integriertem Café an der Gustav-Adolf-Kirche auf dem großzügigen Gelände an der Düssel zu planen und zu errichten. „In dieser Umbruchzeit sah ich mich als Vorsitzender des Presbyteriums eher in der Rolle eines Managers denn eines Pfarrers. Wir mussten im Presbyterium so vieles klären und entscheiden, wie das neue Zentrum aussehen soll und nicht zuletzt im Auge behalten, wie wir die einzelnen Bauabschnitte mit der Gemeindeöffentlichkeit kommunizieren“, sagt Steiner. Mit dem Ergebnis ist er zufrieden: schön und ansprechend und einladend.

Urlaubsseelsorge am Wörthersee

Seit 17 Jahren verbringt Olaf Steiner einige Sommerwochen regelmäßig als Urlaubsseelsorger am Wörthersee in Österreich. Für ihn sind die dortige Gemeinde und die Menschen so etwas  wie eine zweite Heimat geworden. In Frankreich und Holland in der Urlaubsseelsorge tätig.

„Menschen sind im Urlaub offener, suchen häufiger Kontakt zur Kirche. Wer bereit ist, sich auf Neues einzulassen, lernt Kirche neu kennen“, sagt er, der selbst viele Eindrücke aus der Gemeinde vor Ort mit nach Düsseldorf nimmt. Zum Beispiel eine neue Form des Abschiednehmens: Auf den Bauerhöfen werden Verstorbenen oft noch  zuhause aufgebahrt. Man nimmt sich Zeit fürs Abschiednehmen.

„Menschen in der Krise ermutigend zur Seite stehen“

Schon in seinem Vikariat kam Olaf Steiner über seinen Mentor mit Pastoralpsychologie in Berührung. „Es ist Aufgabe der Kirche, Menschen unterstützend und ermutigend in der Krise zur Seite zu stehen. Dabei geht es erst einmal ums Zuhören und Verstehen: Was braucht der Mensch in seiner Situation“, sagt der Pfarrer. So rief er gemeinsam mit Inge Müller von der Ökumenischen Hospizgruppe Gerresheim ein Trostcafé ins Leben, das sonntags öffnet und für Trauernde eine wichtige Anlaufstelle bietet. Zudem machte Steiner bei seinen zwei Mal im Jahr stattfindenden Trauergruppen die Erfahrung, wie heilsam und befreiend es ist, wenn Menschen bereit sind, sich in der Vertraulichkeit und Verschwiegenheit der Gruppe zu öffnen und sich mit der eigenen Trauerbewältigung auseinandersetzen können.

Als Krankenhausseelsorger in der Gerresheimer Sana-Klinik  trifft er oft auf Gemeindeglieder. Manche von ihnen begleitet er bis zum Tod und beerdigt sie später als Gemeindepfarrer. „Wenn ich die Verstorbenen und ihre Angehörigen schon im Vorfeld kennenlernen konnte, um ihre Sorgen weiß und sehe, wieviel Liebe zum Beispiel in der Familie bei Krankenhausbesuchen zu spüren ist, ist das eine gut Ausgangssituation für die Beerdigung, verändert diese atmosphärisch“, sagt Steiner.

In seinen vielen Seelsorge-Gesprächen am Ende des Lebens erfährt Steiner immer wieder, was für Menschen am meisten zählt: die Familie und der Einsatz für andere Menschen, die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. So sagt es schon das Bibelwort: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei. (1. Mose 2)

Seine wichtigste Erkenntnis aus seiner Zeit im Krankenhaus ist: „Das Leben ist immer jetzt“. Also gibt es jetzt noch keine großen Pläne für den Ruhestand. Erst mal die freie, unverplante Zeit genießen.

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