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Düsseldorf. OB Geisel hisst Regenbogenflagge am Rathaus – Sonderausstellung “Im Namen des Volkes!? §175 StGB im Wandel der Zeit” startet in der Mahn- und Gedenkstätte

In diesem Jahr hätte die Landeshauptstadt Düsseldorfer den Christopher Street Day (CSD) bereits zum 17. Mal gefeiert. Vom 6. bis 9. August war, parallel zu den ursprünglich geplanten Eurogames, auf dem Johannes-Rau-Platz wieder ein buntes Straßenfest mit Musik und Liveacts geplant, zudem sollte es auch wieder eine große Demonstration durch die Straßen der Düsseldorfer Innenstadt geben. Durch die Ausbreitung des Coronavirus und die damit verbundenen Maßnahmen kann die Veranstaltung in diesem Sommer jedoch nicht wie gewohnt stattfinden.

Um trotzdem ein deutliches Zeichen für Vielfalt und Respekt zu setzen, finden verschiedene Aktionen in der Stadt statt. Den Auftakt machte am Freitag, 26. Juni, Oberbürgermeister Thomas Geisel gemeinsam mit der Diversity Beauftragten Jana Hansjürgen. In Erinnerung an die sogenannten Stonewall Aufstände (siehe Hintergrundabsatz), die sich um den 28. Juni jähren, wurde eine Regenbogenflagge am Düsseldorfer Rathaus gehisst.

“Düsseldorf ist eine bunte und weltoffene Stadt. Die große Vielfalt der Düsseldorferinnen und Düsseldorfer und das gelebte Miteinander prägen unsere Stadt am Rhein”, sagt Oberbürgermeister Thomas Geisel. “Doch dies ist längst nicht überall auf der Welt selbstverständlich. Daher ist es wichtig, sichtbare Zeichen für Toleranz, Respekt und Vielfalt zu setzen und somit immer wieder offensiv für Menschen- und Freiheitsrechte einzutreten.”

Diversity Beauftragte Jana Hansjürgen: “Ich schätze sehr, dass wir in Düsseldorf Vielfalt solidarisch mit einer starken LSBTIQ+ Community leben und gemeinsam mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren Sichtbarkeit für alle Themen geschaffen wird.”

Als weitere Aktion wird von Freitag bis Sonntag, 26. bis 28. Juni, eine Regenbogenflagge auf der LED-Leinwand am Kö-Bogen zu sehen sein. Zudem planen die Veranstaltenden des CSD für Sonntag, 28. Juni, unter dem Motto “Tour de Rainbow” eine Fahrrad-Demo. Diese startet um 14 Uhr am Schadowplatz und endet vor dem Rathaus auf dem Marktplatz. Zusätzlich wird es auch eine Route für Fußgängerinnen und Fußgänger geben. “D!VERS” wird ebenfalls an der Demo teilnehmen. “D!VERS” ist das LSBTIQ+ Netzwerk der Stadtverwaltung Düsseldorf. Das stadtinterne Netzwerk dient dem Austausch von LSBTIQ+ Kolleg*innen untereinander, beispielsweise zum Thema Coming Out am Arbeitsplatz. Zudem wird die Teilnahme an Veranstaltungen geplant, wie beispielsweise dem CSD, um LSBTIQ+ Themen sichtbar zu machen und Antidiskriminierung zu leisten.

Sonderausstellung zum Paragraph 175
Ab Dienstag, 30. Juni, startet zudem die Wanderausstellung “Im Namen des Volkes!? §175 StGB im Wandel der Zeit”. Die Ausstellung ist zweigeteilt: Ab Dienstag, 30. Juni, zeigt die Mahn- und Gedenkstätte den historischen Teil: die Zeit vor und während des Nationalsozialismus sowie die Jahre der Befreiung durch die Alliierten. Der zweite und ergänzende Teil “1949 bis in die Gegenwart” ist ab dem 14. Juli im Foyer des Rathauses zu sehen.

Im Jahr 1969 wurden die Paragraphen 175 und 175a laut Strafgesetzbuch erstmals liberalisiert und erst 1994 als Folge der deutschen Wiedervereinigung endgültig aufgehoben. Das Centrum Schwule Geschichte (Köln) schlägt mit seiner Ausstellung “Im Namen des Volkes!? §175 StGB im Wandel der Zeit” einen Bogen quer durch die Geschichte antihomosexueller Gesetzgebung auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland.

Die Ausstellung richtet ein besonderes Augenmerk auf das Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens. Die Landeshauptstadt Düsseldorf war während der Zeit des Nationalsozialismus eine “Hochburg” der Schwulenverfolgung. In kaum einer anderen Stadt wurden so viele Männer auf Grund des Paragraphen 175 verhaftet wie hier. Sie wurden in Lager deportiert, mussten Zwangsarbeit verrichten und wurden ermordet. Die Überlebenden hatten nach 1945 keine Chance auf Wiedergutmachung, da der Paragraph 175 immer noch Bestand hatte. Der Kurator der Ausstellung, Marcus Velke, erzählt aber nicht nur die Biographien von verfolgten Männern nach dem sogenannten “Schwulenparagraphen”, sondern beleuchtet auch die Auswirkung auf die Lebensgeschichten von Lesben und Trans*, die ebenfalls ausgeschlossen und Opfer von Verfolgung, Diskriminierung und Gewalt wurden.

Die Ausstellung wird vom Centrum Schwule Geschichte gezeigt und findet in Kooperation mit dem Gleichstellungsbüro der Landeshauptstadt Düsseldorf und der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf statt.

Diversity in Düsseldorf
Die Landeshauptstadt Düsseldorf fördert eine Vielzahl an Angeboten der LSBTIQ+ Community wie das Jugendzentrum PULS, das Bildungs- und Aufklärungsprojekt SCHLAU, die Fachstellen Regenbogenfamilien, Altern unterm Regenbogen sowie die Trans*beratung und Angebote der Aidshilfe und der Frauenberatungsstelle.

Daneben hat die Landeshauptstadt Düsseldorf die Erstellung des Rainbow City Guides Düsseldorf von Düsseldorf Queer unterstützt. Weitere Informationen hierzu unter www.duesseldorf-queer.de

Engagement über die Stadtgrenzen hinaus
Der Landeshauptstadt Düsseldorf ist es allerdings nicht nur ein Anliegen, die LSBTIQ+ Community in Düsseldorf zu unterstützen, so hat Oberbürgermeister Thomas Geisel einen offenen Brief der europäische Dachverband Council of European Municipalities and Regions (CEMR) an die kommunalen Mandatsträgerinnen und -träger in Polen unterzeichnet.

Knapp ein Drittel Polens hat sich inzwischen zur “LGBT-freien Zone” erklärt: Über 100 Städte und Gemeinden zeigen sich offen homo-, trans*- und interfeindlich. Viele europäische Städte – auch Düsseldorf – halten dagegen. Sie unterzeichneten den vom europäische Dachverband Council of European Municipalities and Regions (CEMR) formulierten offenen Brief an die kommunalen Mandatsträgerinnen und -träger in Polen. Darin machen sie auf die brenzlige Situation der polnischen LSBTIQ+ Community aufmerksam und setzen ein starkes solidarisches Zeichen.

Hintergrund: Stonewall-Aufstände
Die sogenannten Stonewall-Aufstände waren eine Serie von gewalttätigen Konflikten zwischen Homo- sowie Transsexuellen und Polizeibeamten in New York City. Die ersten gewalttätigen Auseinandersetzungen fanden in der Nacht zum Samstag, den 28. Juni 1969 statt, als Polizeibeamte eine Razzia im Stonewall Inn durchführten, einer Bar mit homo- und transsexuellem Zielpublikum in der Christopher Street. Da sich dort erstmals eine signifikant große Gruppe von Homosexuellen der Verhaftung widersetzte, wird das Ereignis von der als Wendepunkt in ihrem Kampf für Gleichbehandlung und Anerkennung angesehen. An dieses Ereignis wird jedes Jahr weltweit mit dem Christopher Street Day erinnert.

Hintergrund: Paragraph 175
Bereits im Deutschen Kaiserreich waren sexuelle Handlungen unter Männern nach §175 des Strafgesetzbuches verboten. Während des Nationalsozialismus wurden Homosexuelle zu “Volksschädlingen” erklärt und verfolgt. Die Gerichte in Düsseldorf verhängten durchschnittlich fünf bis sechs Monate Gefängnis für Verstöße gegen den §175. In Gefängnissen und Strafgefangenenlagern wurden homosexuelle Häftlinge nach Möglichkeit in Einzelhaft genommen und besonders gefürchteten Arbeitskommandos zugeteilt. Unabhängig von einem Gerichtsurteil verfügte die Gestapo über die Möglichkeit, Menschen in Konzentrationslager einzuliefern. In Düsseldorf wurden solche KZ-Einweisungen als “Korrektur” gerichtlicher Urteile vorgenommen, also etwa nach Entlassung aus der Untersuchungshaft, nach einem Freispruch im Gerichtsverfahren oder unmittelbar nach der Strafverbüßung. Der Kriminalpolizei war es zudem möglich, im Rahmen einer “Vorbeugenden Verbrechensbekämpfung” Homosexuelle als “Sittenstrolche” oder “Triebverbrecher” in “Vorbeugehaft” zu nehmen. Diese wurde ebenfalls in Konzentrationslagern vollstreckt.

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