Jochen Hartmann, fraktionsloser Ratsherr (Foto: privat)
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Mülheim. Vor nicht mal 10 Tagen ließ er die sprichwörtliche Katze aus dem Sack, Mülheim hatte plötzlich neun Bewerberinnen und Bewerber für den Oberbürgermeistersessel im Rathaus an der Ruhr. Gestern gab der inzwischen fraktionslose Stadtverordnete, ehemalige Fraktionschef und Mitbegründer des Bürgerlichen Aufbruchs Mülheim, Jochen Hartmann, bekannt, die nötigen Unterstützerunterschriften für seine Kandidatur gesammelt zu haben: „Heute war sie dabei. Die 162. Unterschrift für meine Bewerbung für das Amt des Oberbürgermeisters und 25 weitere Unterschriften trudelten noch ein.” Aktuell sind es 222 Unterschriften in weniger als zwei Wochen.

Wer ist Jochen Hartmann, der Kommunalpolitiker, der nach seiner Nichtberücksichtigung als Spitzenkandidat der BAMH, alleine durchstartet und bei der Kommunalwahl am 13. September die Nachfolge von Ulrich Horst Scholten als Oberbürgermeister der Stadt am Fluss antreten möchte? Welche Themen sieht Hartmann für die nahe Zukunft und was möchte er zwischen Heißen und Styrum sowie von Dümpten bis Selbeck für die eigenständige Ruhrstadt erreichen? Im Gespräch mit LokalKlick-Herausgeber Christian Voigt gab Jochen Hartmann einen ersten Einblick auf seine Zielvorgaben für eine lebendige und lebhafte Stadtgesellschaft.

 

LokalKlick: Sie kandidieren als parteiunabhängiger Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters in Mülheim am 13.9.2020. Wie sehen Sie Ihre Chancen?

Hartmann: Ganz ehrlich. Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe keine Wahlkampfkasse und kann auch keine Spenden sammeln. Die anderen Kandidaten können aus dem Vollen schöpfen. Ich kann nur versprechen, mich zu 100 % für meine Heimatstadt einzusetzen. Ich konzentriere mich auf den persönlichen Kontakt bei Hausbesuchen, auf Facebook, Einladungen zu Diskussionen und Medien.

 

LokalKlick: Wo sehen Sie Ihre Schwerpunkte?

Hartmann: Das kann ich eigentlich ganz einfach darstellen. Schon aufgrund meines Berufes als Staatsanwalt liegt ein Schwerpunkt im Bereich Sicherheit/Ordnung und damit verbunden auch Sauberkeit.

Ein weiterer Punkt ist die angestrebte Versöhnung von Ökonomie und Ökologie und dann setze ich mich für eine lebendige Stadt mit lebendigen Stadtteilen ein.

 

LokalKlick: Das sind Headlines. Wie wollen Sie das mit Inhalten füllen?

Hartmann: Nehmen Sie den Bereich Sicherheit und Ordnung. Mülheim wird von den Verantwortlichen immer als Insel der Seligen dargestellt. Dass das nicht so ist, können wir alle tagtäglich in den Medien verfolgen. Da hilft natürlich keine Polizeiwache in einem Stadtteil, sondern nur konsequenter Einsatz mobiler Einsatztrupps der Polizei, die dann auch robust auftreten können.

Und dann der Müll und der Unrat. Das ist ein Übel, das allen Mülheimern aufstößt. Hier muß der Verfolgungsdruck gegenüber Umweltsündern erhöht werden. Und natürlich können Bürgerinnen und Bürger als Zeugen im Bußgeldverfahren geeignete Beweismittel sein. Man muß nur wollen. Dass die Umweltsünder auf frischer Tat von Ordnungsbeamten oder Polizei erwischt werden müssen, ist ein Märchen. Dann könnten Staatsanwaltschaften und Gerichte in Strafsachen den „Laden dichtmachen“, wenn das stimmen würde.

 

LokalKlick: Kommen wir nochmal auf Ihre Aussage „Ökonomie und Ökologie zu versöhnen“ zurück. Wie wollen Sie das bewerkstelligen?

Hartmann: Einleitend muss ich sagen: Wir alle wissen, daß unser Finanzhaushalt kollabiert ist. Um das in Ordnung zu bringen, gibt es zwei Möglichkeiten: Sparen und Mehreinnahmen. Mehreinnahmen gibt es zum Beispiel durch Gewerbesteuern. Dazu müssen wir Ansiedlungsmöglichkeiten für Firmen schaffen. Ich bin sehr dafür.

Aber: Das muss alles im ökologisch verträglichen Rahmen bleiben. Zunächst gilt es, Bestandsflächen einer Nutzung zuzuführen. Eingriffe in landschaftlich wertvolle Gebiete müssen möglichst vermieden werden. Mülheim soll die grüne Stadt an der Ruhr bleiben. Da muß man ein genaues Auge draufhaben. Das gilt sowohl für das Winkhauser Tal als auch das Fulerumer Feld.

Und um eines klarzustellen: Der Flughafen mit Theo muß erhalten bleiben. Er ist ein wunderbares Alleinstellungsmerkmal unserer Stadt und eine bedeutsame Frischluftschneise.

 

LokalKlick: Kommen wir zu dem dritten Punkt: Lebendige Stadt und lebendige Stadtteile.

Hartmann: Das ist mir ein besonderes Anliegen, aber auch frei nach Theodor Fontane „ein weites Feld“. Ich bin Ur-Mülheimer. Schon als Kind bin ich mit meinen Eltern über die Schloßstraße gelaufen. Damals gab es eine Vielzahl interessanter Geschäfte. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Das Stadtquartier und Ruhrbania haben das Gegenteil dessen bewirkt, was behauptet worden war. SPD, CDU, FDP und Grüne haben nicht die Stadt an den Fluß gebracht, sondern den Fluß von der Stadt abgeriegelt.

Warum schaffen wir es in Mülheim bisher nicht, einen lebendigen Platz zum Aufenthalt in der Innenstadt zu schaffen? Ich hatte bereits mehrfach vorgeschlagen, den eingemotteten Nele-Brunnen zum Beispiel auf dem Rathausmarkt zu installieren. Denkbar wäre auch ein Park auf dem Baufeld drei/vier Ruhrbania. Die Ecke liegt seit Jahren brach. Auch hier könnte die Aufenthaltsqualität insbesondere für die Menschen in der City verbessert werden. Nach der Betonorgie Stadtquartier / Ruhrbania sollten wir auch Freiflächen schaffen. Das ist auch wichtig für das Stadtklima in Zeiten des Klimawandels.

 

LokalKlick: Politische Mitbewerber haben Sie u.a. wegen Ihrer Wechsel von CDU, AfD, BAMH zu parteilos und ihren Haltungen zu Ordnung und Sicherheit auch als „Staatsanwalt Gnadenlos“ bezeichnet. Gerade haben Sie sich als Anwalt für Ökologie, offene Stadtgesellschaft und –entwicklung gezeichnet. Wie ordnen Sie sich selbst aktuell politisch ein?

Hartmann: Das alles passt gut zusammen. Ich bin meiner politischen Haltung immer treu geblieben. Die CDU hat sich durch Merkel verändert und ihren konservativen Kern verloren. Alfred Dregger oder Heinrich Lummer hätten heute in der CDU keine Heimat mehr. Jenen fühle ich mich aber weiterhin tief verbunden. Und zum Thema Umwelt: Die Bewahrung der Schöpfung ist ein zutiefst konservatives Thema. Die Grünen haben da kein Monopol drauf.

 

LokalKlick: Zum Abschluss wollen die Leserinnen und Leser auch etwas zur Person Hartmann erfahren. Was machen Sie privat, welches Hobbies haben Sie und wie sieht Ihr beruflicher Alltag aus?

Hartmann: Ich bin 61 Jahre alt, geborener Dümptener, der als kleiner Junge bei Dümpten 13 Fußball und später Volleyball beim VCM gespielt hat. Ich bin „alleinerziehender Hundepapa“. Mein Labrador „Fritzchen“ ist jetzt 12,5 Jahre alt und bleibt hoffentlich noch einige Jahre fit. Ein weiteres Hobby ist die Beschäftigung mit der deutschen, insbesondere preußischen Geschichte. Beruflich bin ich als Staatsanwalt tätig. Ein Teilbereich meines Dezernates betrifft die Kinderpornographie. Deshalb unterstütze ich auch politisch die Arbeit aller Organisationen in Mülheim, die dem Kinderschutz dienen.

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