Pfarrer Wessel (Bildmitte) auf der Wichern mit Schiffsführer Kluge und Kollegin Gitta Samko (Foto: Evangelischer Kirchenkreis Duisburg, Reiner Terhorst)   
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Duisburg. Evangelische Binnenschifferseelsorge in Duisburg: „Die Leute sehnen sich nach Nähe“

Die Sonne scheint, eine leichte Brise weht durch den Duisburger Hafen. Die „Johann Hinrich Wichern“ startet von der Schifferbörse aus eine Tour durch die heimischen Gewässer. Das Kirchenboot trägt den Namen des Theologen aus dem 19. Jahrhundert, der als Begründer der Schifferseelsorge und auch übrigens auch als „Erfinder“ des Adventskranzes gilt. Er hat einmal gesagt: „Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen, muss die Kirche zu den Menschen kommen.“

Und genau das tun „Schifferpastor“ Frank Wessel, Sozialpädagogin Gitta Samko und Schiffsführer Reinhard Kluge – Wessel seit über zwei Jahrzehnten, Samko seit gut 17 und Kluge seit fast zehn Jahren. Sie sind bei den Schiffern längst bekannt und werden meistens mit einem freudigen „Hallo, wie geht’s?“ begrüßt. Und falls sich mal ein „Neuer“ an Bord eines der in den Häfen liegenden Schiffe befindet, wird der schnell „geeicht“: „Schau mal, da kommt die Kirche.“

Der Evangelische Binnenschifferdienst / Deutsche Seemannsmission Duisburg mit Sitz an der Dr.-Hammacher-Straße 10 in Ruhrort begleitet und betreut Binnenschiffer und Seeleute auf den über 700 Kilometern Binnenwasserstraßen und in den Häfen im Bereich der Evangelischen Landeskirche im Rheinland. Viele Schiffer suchen und finden seit vielen Jahren das Gespräch mit den „Kirchenleuten“. Manche schütten ihnen regelrecht ihr Herz aus. Das war schon in „normalen Zeiten“ so. Aber jetzt ist die Situation noch eine ganz andere.

„Die Menschen an Bord“, so Frank Wessel, „haben ganz einfach den Papp auf von Corona. Die Leute sehnen sich nach Nähe.“ So langsam nimmt der Betrieb wieder Fahrt auf, nachdem die „Johann Hinrich Wichern“ lange Wochen vor Anker lag. Es herrschte Notbetrieb. In Verbindung blieb man per Telefon und über das Internet. Zu tun gab es weiterhin eine ganze Menge. Da wurden von dem Team auch schon mal Einkäufe und Besorgungen getätigt, um die Schifferfamilien mit dem Nötigsten auszustatten. Nicht nur die „Aktiven“ an Bord, sondern auch die, die inzwischen in Duisburg ihr Rentnerleben genießen.

Gitta Samko, für die Seemannsmission zuständig, hat zudem viel „in der Welt herumtelefoniert“. Nicht gerade wenige Besatzungsmitglieder waren an Bord gefesselt und durften nicht nach Hause. In ihren Heimatländern wurden ihre Kinder geboren, nahestehende Menschen starben. Da waren Beratung, Kontaktherstellung zu Behörden, aber auch Seelsorge besonders gefragt. Aufgrund der Abstandsregeln und Schutzvorschriften war das nicht immer einfach und vor allem sehr zeitaufwendig.

Inzwischen ist es etwas lockerer geworden, aber halt nur etwas. „Wir sprechen immer noch auf Abstand“, so Frank Wessel. So ist es. Reinhard Kluge steuert auf ein Schiff zu. Es gibt ein Gespräch von Reling zu Reling, und dazwischen ist Wasser. An Bord gehen Frank Wessel und Gitta Samko nicht. Aber die Gespräche, auch wenn sie kurz sind, tun gut. „Wir werden wieder wahrgenommen und nehmen die Menschen gewissermaßen wieder mit“, sagt die Sozialpädagogin.

Jetzt ertönt ein lautes und freudiges Hallo. Ein junger Mann auf dem Schiff gegenüber lacht laut und winkt Frank Wessel fröhlich zu. „Das ist Christian, ein früherer Schüler von mir“, erläutert der Schifferpastor, der auch an der Schifferberufsschule in Homberg unterrichtet. Auch das ist in Corona-Zeiten eine besondere Herausforderung. Die letzten Wochen vor den Schulferien waren sowohl für ihn als auch für die Schüler ganz schön arbeitsintensiv. Die Rechner glühten. Wie es nach den Ferien weitergeht, ist auch noch nicht ganz geklärt.

Wann wieder Trauerfeiern, Kindtaufen oder Trauungen im Inneren des Kirchenschiffs stattfinden können, müsse die Zeit zeigen. „Corona wird uns noch länger in Atem halten“, weiß das Team der Wichern. Gerade deshalb sei ihr menschliches Wirken weiterhin von großer Bedeutung. Frank Wessel macht noch auf ein weiteres Problem aufmerksam: „Wir dürfen die LKW-Fahrer nicht vergessen.“ Die seien als Kapitäne der Straße so eine Art „Schiffbrüchige“. Ihre Versorgung, die sanitäre Situation oder ihre Unterbringung seien nicht selten katastrophal. Auch da sind Seelsorge, Beratung und Diakonie gefragt und erforderlich. „Wir haben noch eine Menge auf dem Radar“, meint das Team des Evangelischen Binnenschifferdienstes und der Deutschen Seemannsmission. Und dabei steht der Mensch immer im Mittelpunkt, auch und gerade in Corona-Zeiten.

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