Luca Schulten (Foto: privat)
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Düsseldorf. Interview zum Tag der Wohnungslosen am 11. September

„Die im Dunklen sieht man nicht.“ Dass Menschen am Rande der Gesellschaft kaum Aufmerksamkeit bekommen, wusste Berthold Brecht, von dem dieses Zitat stammt, ganz genau. Und genauso geht es oft Wohnungslosen in unserer Gesellschaft. Man sieht sie nicht, weil man sie vielleicht auch lieber nicht sehen will.

Am kommenden Freitag, 11. September ist der „Tag der Wohnungslosen“. Wir haben dazu mit Luca Schulten gesprochen. Er ist seit Anfang 2020 wohnungslos – und hat Pläne für die Zukunft.

 

Herr Schulten, Sie waren viele Jahre lang Altenpfleger. Wie kam es, dass Sie obdachlos wurden?

Da ergab eines das andere. Eine Trennung, der Alkohol, dann war der Job weg, und dann die Wohnung. Und dann stand ich auf der Straße, mitten im Januar, und wusste nicht wohin. Die ersten Tage waren wirklich hart.

 

Und wohin ging es dann?

Erst einmal auf Platte am Theater Kommödchen. Da habe ich dann jemanden getroffen, der mir einiges zeigte. Auch, dass es die Tagesstätte Shelter von der Diakonie gibt, wo man sich aufwärmen kann und was essen und  trinken kann. Mit ihm mache ich noch heute Platte – aber an einer anderen Stelle, an einem Kaufhaus, wo es geschützt und sauber ist und wo wir geduldet werden.

 

Das Leben auf der Straße ist hart. Wie erleben Sie den Alltag?

Ja, es ist hart, aber es gibt wirklich auch eine Menge Hilfen. Hungern muss niemand auf der Straße, da gibt es genug Anlaufstellen. Ich nehme auch keine Drogen, da komme ich mit meinem Hartz-Geld aus, das ich auch bekomme, wenn ich auf der Straße lebe. Ich muss nicht schnorren oder sonstwas.

 

Hat Corona den Alltag noch mal verschärft?

Eigentlich sind wir ganz gut durch die Zeit gekommen. Es gab viele, die helfen wollten. Es wurden viele Verpflegungspakete verteilt, und wir sind ganz gut über die Runden gekommen. Schwieriger ist es eigentlich erst in den vergangenen  Wochen geworden. Man merkt, dass die Menschen genervter werden, aggressiver – auch uns Wohnungslosen gegenüber. Und es ist natürlich schwierig, dass wegen des Infektionsschutzes nicht mehr so viele Menschen auf einmal in die Tagesstätten können. Wenn es bald kälter wird, ist das wirklich ein Problem.

 

Der Herbst steht vor der Tür, bald kommt der Winter. Haben Sie Angst davor?

Ich will jetzt schnellstens runter von der Straße. Ich hatte mich jetzt über den Sommer schon fast gewöhnt an das Leben, das ist gefährlich. Ich habe mich auch neu verliebt, das ist jetzt zusätzliche Motivation für mich. Meine Freundin hat auch Arbeit. Wir wollen eine gemeinsame Wohnung finden, ich hoffe, das das schnell geht. Dann kümmere ich mich um meine Gesundheit, das habe ich zu sehr vernachlässigt, und dann suche ich mir eine Arbeit – als Altenpfleger dürfte da bestimmt was möglich sein. Ich habe sogar auf der Straße noch einige Kontakte zu Arbeitgebern gehalten. Darauf hoffe ich dann.

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