(Foto: Stadt Willich)
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Willich. Willichs Kämmerer hat am Mittwochabend in der Ratssitzung im Schloss Neersen den Entwurf des Plans für das Haushaltsjahr 2021 eingebracht – definitiv der letzte, für den Kerbusch als Kämmerer verantwortlich zeichnet.
Kerbusch führte unter anderem aus, dass es Rat und Verwaltung besser als den meisten Städten in NRW gelungen sei, die Wirtschaftskrise von 2008-2010 und jetzt auch die Folgen von Corona zu bewältigen und er „ein intaktes, ja, sogar wohlausgestattetes Schiff an den neuen Kapitän und seine Crew aus Rat und Verwaltung übergeben“ könne; ein Blick zurück auf 50 Jahre Willich mache erst so richtig deutlich, was man gemeinsam geschafft und auch geschaffen habe. Als im November 1980 Dieter Hehnen als Stadtkämmerer das Ruder übernommen habe, sei dieser nach Sichtung und Analyse des Haushaltes mit 48 Millionen Mark Schulden und sehr geringen Steuereinnahmen zu dem simplen Schluss gekommen, dass die Stadt schlicht „pleite“ sei. Kerbusch: „Wir galten als Armenhaus des Kreises Viersen; die Nachbarstädte haben – wenn überhaupt, dann bestenfalls mitleidig – zu uns herüber, auf uns herabgeschaut.“

Dann aber hätten Rat und Verwaltung umgesteuert und die wesentlichen Bausteine für das heutige Erfolgsmodell „Stadt Willich“ geschaffen: Die Abschöpfung von Planungsgewinnen zur Finanzierung der Infrastruktur (der legendäre Willicher “Grundsatzbeschluss”), die Entwicklung der Gewerbegebiete Münchheide und des Stahlwerks Becker, die Gründung der Grundstücksgesellschaft (deren erfolgreiche Arbeit inzwischen von vielen Städten kopiert werde), die Übernahme des Stromnetzes von der RWE und der Anteile des Wasserwerkes des Kreises Viersen, die vollständige Neuordnung der Beteiligungslandschaft, die Verwaltungs- und Ratsreform von 1997 und „nicht zuletzt ein verantwortungsvolles, nicht immer schmerzfreies Krisenmanagement seine die Bausteine zum Erfolg“ gewesen.
Zum Beleg des guten Standings der Stadt stellte Kerbusch auf die Feststellungen des Bundes der Steuerzahler ab: Dieser hat zum Thema Finanzsolidität in NRW von 2010-2020 von 396 Kommunen lediglich 10 hervorgehoben, die für „eine generationengerechte Haushaltswirtschaft“ stehen: „Willich ist eine davon.“

Mit Zahlen verdeutlichte Kerbusch, wie sich Willich in 2020 – 2021 trotz Corona-Krise präsentiere:
·        Eigenkapital von                 208.343.77,02 Euro
·        Eigenkapitalquote 1:          43,3%
·        Eigenkapitalquote 2:          63,6 %
·        Ausgleichsrücklage        12.723.967 €
·        Schuldendienst                6,2 Mio. € (Zins & Tilgung)
·        Steuererträge                81.836.000 €
·        Beteiligungserträge        9.185.000 €

Kerbusch: „Diese wirtschaftliche Substanz, die den Erfolg von 40 Jahren Arbeit von Rat und Verwaltung abbildet, dauerhaft für die nächsten Generationen zu erhalten und auszubauen, ist die Aufgabe der zukünftig Verantwortlichen.“

Die Corona-Krise werde Bund, Länder und Gemeinden ärmer machen. Aber durch die Aktivierungsoption der Coronaschäden werde die „Willicher Ergebnisrechnung in den Jahren 2020 und 2021 nicht belastet“.

Die Liquidität werde sich als unmittelbare Folge allerdings deutlich verschlechtern; dies sei bedingt durch die aktuelle 0-Zins-Phase aber kein Problem – „sollte aber spätestens bis 2024 wieder in geordnete Bahnen zurückgeführt“ werden.

Kerbusch geht davon aus, dass der Kreis Viersen seine dauerhaften Entlastungen bei den Kosten der Unterkunft (ca. 10-12 Mio €/a) „zur Reduzierung der Kreisumlage verwenden“ werde; auch das Land sei hier in der Pflicht, „trotz vieler vollmundiger Zusagen in Sachen Flüchtlingsfinanzierung“  lasse „die Regierung die Kommunen unter sträflicher Missachtung des Konnexitätsprinzips weiter im Regen stehen“. Kerbusch: „Nicht nur, dass wir für die Asylbewerber seit Jahren einen viel zu niedrigen Erstattungssatz erhalten: Viel schlimmer ist, dass wir uns um sogenannte Dublin-Flüchtlinge kümmern müssen, für die das Land vollständig in der Verantwortung steht, stehen müsste.“

Haushalt 2021 und mittelfristige Finanzplanung 2022-2024: Schwerpunkt des Haushalts 2021 sind neben den Investitionen in Schulen und Kindertagesstätten, OGS und Straßen insbesondere die Weiterentwicklung der Freiwilligen Feuerwehr: Neu- und Ausbau der Feuerwehrstandorte in Willich und Neersen steht deshalb ganz oben in unserer Prioritätenliste, aber auch die ökologische Weiterentwicklung mit den Zielen der der „Global nachhaltigen Kommune“ finde sich an vielen Stellen im Haushalt wieder.

Die Digitalisierung werde, so Kerbusch, die heutige Arbeitswelt grundlegend verändern; man habe sich „in dieser Frage 2020 mit einem jungen, hungrigen Team auf den Weg gemacht.“ Auch das müsse zunächst einmal finanziert werden, die Ernte werde dann hoffentlich auf lange Sicht eingefahren werden. „Der neue Bürgermeister und der Stadtrat werden die Digitalisierung zu ihrem Schlüsselprojekt machen – müssen.“

Einige Fakten aus dem Entwurf:

·        Satzung mit Haushaltsplan und mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2021-2024 sehen durchgehend ausgeglichene Haushalte vor.
·        Der Haushalt 2021 weist aktuell einen Überschuss von 520.000 Euro aus. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden Veränderungen im Laufe des Beratungsprozesses wird der Haushaltsausgleich sicher möglich sein. Alle wirtschaftlichen Prognosen gehen aktuell von einer Steuer-Erholung auf das Niveau 2019 in 2022 aus.
·        Die Ausgleichsrücklage von ca. 14-15 Mio. Euro (Prognose incl. Jahresüberschüsse 2019/2020) stellt eine Risikoreserve dar für den Fall, dass sich die steuerliche Erholung verzögert.
·        Alle Szenarien gehen davon aus, dass die Pandemie ab Mitte 2021 keine deutlichen Spuren mehr in der wirtschaftlichen Entwicklung hinterlässt. Der Blick auf den mittelfristigen Haushaltsausgleich lasse, so Kerbusch, unter Berücksichtigung einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung ausgeglichene und damit selbstbestimmte Haushalte erwarten.
·        Kritischer sei die Finanzrechnung zu betrachten; der künftige Kämmerer Dr. Raimund Berg werde sich besonders um die zu erwartende Liquiditätslücke kümmern.
·        Das Vermögen der Stadt betrug zum 31.12.2019 fast 480 Mio Euro.

Die genauen Zahlen zur Gemeindefinanzierung liegen noch nicht vor, klar sei aber schon jetzt, dass Willich als abundante, finanzstarke Stadt keine Schlüsselzuweisungen erhalten werden.
Die allgemeine Investitionspauschale, die Schul-, Bildungs-, sowie die Sportpauschale werden insgesamt mit ca. 4 MIO zur Finanzierung des Haushaltes beitragen.

Wichtig für alle Zukunftsprognosen ist natürlich die Steuerentwicklung. Hier orientiert sich die Veranschlagung an den Aussagen der großen Wirtschaftsinstitute sowie den – derzeit noch nicht aktualisierten – Orientierungsdaten des Landes.

Im Risikobereich liegen die Entwicklung des Gemeindeanteiles an der Einkommenssteuer in den Jahren 22/23 sowie die Gewerbesteuerschätzung für 2022 – hier wird die Ausgleichrücklage als Risikopuffer dienen müssen. Da die Einwohnerentwicklung in Willich in den letzten drei Jahren eher stagnierend als ansteigend, temporär gar rückläufig war, rechnet man mit einer geringeren Schlüsselzahl für Willich und damit einhergehenden Mindererträgen beim Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer.

Die Beteiligungswirtschaft ist laut Kerbusch „das Herzstück des Willicher Wohlstandes“, die Erträge daraus bildeten mit rund 9 Mio pro Jahr neben den Steuern das Herzstück der Haushaltsfinanzierung.  Die Gesamtverschuldung der Stadt einschließlich der Kredite zur Liquiditätssicherung und der kreditähnlichen Rechtsgeschäfte beträgt aktuell 107,6 MIO Euro, wird kurzfristig durch die Corona-Krise auf fast 150 MIO Euro ansteigen – man hoffe, so Kerbusch, durch die Bund/Land-Zahlungen zum Corona-Schadenausgleich diesen Betrag deutlich verringern zu können. Ab 2024 sollen die Kredite nach der mittelfristigen Finanzplanung wieder dauerhaft zurückgefahren werden. Man habe für die Stadt Willich entschieden, nicht panisch und kurzatmig gegen die Krise anzusparen, sondern weitblickend antizyklisch zu agieren, also langfristig und nachhaltig in Bildung und Infrastruktur in den Jahren 2020-22 zu investieren.

Abschließend bedankte sich Kerbusch „von Herzen für die oft kritische, konstruktive, streitbare Zusammenarbeit“ und wünschte seinem Nachfolger „von Herzen Erfolg und eine glückliche Hand“ – und schließlich schenkte Kerbusch Dr. Berg die offensichtlich nicht nachhaltig funktionierende Glaskugel zurück, die ihm einst von Bündnis 90/Die Grünen überreicht worden war, aber für ihn, Kerbusch, nicht wirklich hilfreich in Sachen Zukunftsschau gewesen sei: „Vielleicht gibt’s ja eine grüngedruckte Bedienungsanleitung dazu“.

Einige Zahlen zum Etatentwurf:
·        Gesamtbetrag Erträge 161.895.031 €
·        Gesamtbetrag Aufwendungen 161.376.632 €
·        Einzahlungen laufende Verwaltungstätigkeit 135.623.930 €
·        Auszahlungen laufende Verwaltungstätigkeit auf 145.136.553 €
·        Einzahlungen aus Investitionstätigkeit 8.789.800 €
·        Auszahlungen aus der Investitionstätigkeit 30.618.192 €
·        Einzahlungen aus Finanzierungstätigkeit auf 25.777.000 €
·        Auszahlungen aus Finanzierungstätigkeit 10.755.500 €
·        Gesamtbetrag der Kredite für Investitionen 20.000.000 € (davon 40 % gesperrt, zur Inanspruchnahme des gesamten Kreditrahmens bedarf es der Freigabe des Haupt- und Finanzausschusses (möglicherweise noch zu erwartende Erstattungen des Bundes und des Landes für die coronabedingten Belastungen wurden noch nicht berücksichtigt und vermindern die Netto-Kreditaufnahme; eine Korrektur erfolgt zur Endfassung des Haushaltes.
·        Gesamtbetrag Verpflichtungsermächtigungen zur Leistung von Investitionsauszahlungen in künftigen Jahren: 13.122.920 €
·        Höchstbetrag Kredite zur Liquiditätssicherung: 35.000.000 €
·        Steuersätze für die Gemeindesteuern werden für das Haushaltsjahr 2021 (unverändert):
·        Grundsteuer A auf 260 v.H.
·        Grundsteuer B auf 495 v.H.
·        Gewerbesteuer auf 434 v.H.

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