Dr. Martin Hohls (Chefarzt der Klinik für Thoraxchirurgie) und Prof. Johannes Schultz (Chefarzt der HNO-Klinik) mit ihrer Patientin Annelie Müller. Auf der Bildgebung ist der massige Weichteiltumor gut zu erkennen (Foto: Simon Erath/Helios)
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Krefeld/Neuss. Die Geschwulst reicht vom Rachen beidseitig bis tief in den Brustkorb hinein. In einem aufwändigen Zweihöhleneingriff entfernten Chirurgen am Helios Klinikum Krefeld Annelie Müller (64) einen massigen Weichteiltumor.

Alles beginnt mit einem Frosch im Hals und fürchterlichen Geräuschen, die Annelie Müller nachts plötzlich von sich gibt. Auch ihrem Mann, der zeitweilig aus dem gemeinsamen Schlafzimmer auf die Wohnzimmercouch umzieht, bereitete das gurgelnde, schlürfende Schnarchen zunehmend Sorgen. „Das muss schlimm gewesen sein, wie ein lautes Ringen um Luft“, berichtet die 64-Jährige. „Tagsüber hatte ich permanent das Gefühl als stecke mir etwas im Hals.“ Die über Monate anhaltenden Schluckbeschwerden lassen auch ihre Hausärztin aufhorchen, die zur Abklärung bildgebende Diagnostik verordnet.

Was sich auf dem Röntgenbild als Schatten darstellt, zeigt sich im CT und MRT als große zusammenhängende Geschwulst. „Ich war natürlich erschrocken und habe noch am gleichen Tag mit dem Rauchen aufgehört. Die Ärzte hier waren auch erstmal sprachlos, als sie das gesehen haben“, erinnert sich die Neusserin. Allerdings, denn die Raumforderung reicht von der Hinterwand des Rachens bis tief hinunter in den Brustkorb. Dort zieht sie sich hinter der Luftröhre über die Gabelung in die beiden Hauptbronchien nach links bis auf den Aortenbogen und das Herz, nach rechts in einem weiteren großen Block vor die Wirbelsäule. Bei der Untersuchung zeigte sich eine Vorwölbung der Rachenhinterwand und eine deutliche Schwellung der Halsweichteile, ähnlich einem Kropf.

Die Ausdehnung der Geschwulst setzt eine fachübergreifende Resektionsplanung in Gang. „Die Kapsel war glatt begrenzt, die Dichtewerte ließen auf einen Fettgewebstumor schließen – ein gutartiges Lipom oder ein seltenes bösartiges Liposarkom“, erläutert Prof. Johannes Schultz, Chefarzt der HNO-Klinik und Leiter des Kopf-Hals-Tumorzentrums. „Die Herausforderung bestand darin, ihn durch die Engstelle im Übergang vom Hals in den Brustkorb hindurch möglichst im Ganzen zu bergen. Das ist bei Tumoren wichtig, um eine Zellverschleppung zu vermeiden.“ Um der Patientin eine Durchtrennung des Brustbeins zu ersparen, entscheiden sich die Chirurgen für seitliche Zugänge an Hals und Brustkorb.

Über einen linksseitigen Schnitt löst Dr. Martin Hohls, Chefarzt der Thoraxchirurgie, die Fettgeschwulst von der Hauptschlagader: „Im Anschluss konnten wir die weiche, elastische Masse vorsichtig in die andere Hälfte des Brustkorbs verschieben.“ Weiter geht es im Rachen- und Schlundbereich, wo Prof. Johannes Schultz ein Volumen in der Größe von zwei Fäusten um die Luft- und Speiseröhre, die Halsschlaggefäße und den Stimmbandnerv freilegt. Dadurch gelingt es, den Weichteiltumor behutsam nach unten zu mobilisieren und über einen Zugang zum rechtsseitigen Brustkorb zu entnehmen. Erleichterung bringt die abschließende histologische Untersuchung der fast ein Kilogramm schweren Masse: Es ist ein gutartiges Lipom.

„Lipome wachsen nicht besonders schnell, in dieser Größe und Lage führen sie aber irgendwann zu weiteren funktionellen Einschränkungen und Beschwerden bis hin zu akuten Komplikationen“, weiß Prof. Schultz. „Ich war schon sehr erleichtert“, verrät Annelie Müller, die zur Beobachtung vier Tage auf der Intensivstation bleibt. Wenige Tage später kann auch der Kostaufbau wieder starten. Heute erinnern nur noch die zarten Narben der seitlichen Zugänge an den fast sechsstündigen Zweihöhleneingriff. „Auch mein Mann kann jetzt wieder ruhiger schlafen“, freut sich die sympathische Mittsechzigerin.

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