Die Schimpansen Bally und Limbo in ihrem Innengehege im Krefelder Zoo (Foto: Zoo Krefeld)
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Krefeld. Aktuell fordern Tierschützer mittels einer Petition vehement die Überführung der Schimpansen Bally und Limbo aus dem Zoo Krefeld in das Wales Ape and Monkey Sanctuary (WAMS). Die Sinnhaftigkeit dieser Bestrebungen wird durch die Expertise des Jane Goodall Instituts (JGI) widerlegt. Patrick van Veen, Global-Präsident des JGI, widerlegt Tierqualvorwürfe zur Haltung der Schimpansen im Zoo Krefeld und rät dringend von einem Umzug in das Wales Ape & Monkey Sanctuary ab.

Patrick van Veen ist Verhaltensforscher und Primatologe und hat Bally und Limbo wie bereits längerfristig geplant am 12. Januar 2021 persönlich begutachtet. Sein Urteil ist eindeutig: „Die Tiere sind in sehr guter psychischer und physischer Verfassung. Nichts in ihrem Verhalten deutet mehr auf das Trauma der Brandnacht hin.” Bally und Limbo werden von qualifiziertem Fachpersonal ihren Bedürfnissen nach entsprechend versorgt und vor allem beschäftigt. Der Innenraum, in dem die Tiere leben, entspricht zwar nicht den Vorgaben des Deutschen Säugetiergutachtens von 2014. Jedoch überwiegen die positiven Reize für die beiden Affen. Dabei spielt der intensive Kontakt zu den langjährigen Pflegern eine große Rolle. Diese gehören laut van Veen zur sozialen Umgebung der Schimpansen. „Auch wenn es derzeit keine äußeren Anzeichen für ein Trauma gibt, kann das Herausreißen aus dem stabilen sozialen Umfeld, ein Transport und die Integration in eine neue Gruppe dazu führen, dass traumatische Erfahrungen bei den Tieren erneut aufbrechen. Es muss also die beste Lösung gefunden werden und nicht nur irgendeine”, stellt van Veen klar. Einziger Kritikpunkt des Experten ist der fehlende Zugang zu einer Außenanlage. Sollte ein Umzug von Bally und Limbo nicht innerhalb der nächsten sechs bis zwölf Monate erfolgen, muss der Zugang zu einer Außenanlage gewährleistet werden. Van Veen wird seine Einschätzung in einem offiziellen Gutachten niederlegen und dem Zoo zur Verfügung stellen.

WAMS: Privat geführtes Auffang- und Rehabilitationszentrum in Wales

Beim WAMS handelt es sich um ein privat geführtes Auffang- und Rehabilitationszentrum im Süden von Wales. Dem gegenüber steht die 2011 in den Niederlanden gegründete European Alliance of Rescue Centers and Sanctuaries (EARS), ein Zusammenschluss 19 europäischer Auffangzentren, die sich auf die Rehabilitation von Menschenaffen spezialisiert haben. Das WAMS gehört nicht dazu. Patrick van Veen distanziert sich von einer übereilten Umsiedlung der Affen: „Das individuelle Wohlbefinden und die Gesundheit von Bally und Limbo sind im Moment wichtiger als eine kurzfristige Lösung zu finden, die auf falschen Beurteilungen beruht. Die Stabilität und der enge Kontakt zu den bekannten Zoomitarbeitern und deren gute Fürsorge ist zum jetzigen Zeitpunkt entscheidender als Quadratmeter. In jedem Fall soll das keine mehrjährig andauernde Langzeitlösung sein, gleichwohl raten wir dazu, die Zeit bestmöglich zu nutzen und eine Lösung zu finden, bei der die Affen zusammenbleiben können und die die traumatischen Erlebnisse sowie die langfristige medizinische Versorgung, die sie in 2020 erhalten haben, berücksichtigt.”

„Nach der Katastrophe brauchten Bally und Limbo zunächst Zeit für die vollständige körperliche Genesung. Die gänzliche Abheilung der Brandwunden dauerte bis ins Frühjahr 2020. Hinzu kam die psychische und physische Erholung bei den vertrauten Pflegern, die zur erweiterten Gruppe der Affen gehören”, erläutert Zoodirektor Dr. Wolfgang Dreßen. Eine Umsiedlung der beiden Affen kann der Krefelder Zoo nur vertreten, sofern eine perfekte räumliche Umgebung und eine optimale Gruppenstruktur für die beiden gewährleistet sind. Eine geeignete Gruppe zu finden, dauert seine Zeit – normalerweise werden neue Familien-Gruppen über Jahre vom EEP und den Zoos geplant und vorbereitet. Das Team des Krefelder Zoos befindet sich seit rund fünf Jahren in der Planung einer neuen Familiengruppe: Mit dem Neubau der Außenanlage wären zu Bally, Limbo und Charly noch fünf weitere Weibchen aus drei anderen europäischen Zoos eingezogen. Für alle unerwartet muss nun ein neuer Zoo gefunden und der jahrelange Vorbereitungs-Prozess vom Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) innerhalb weniger Monate geleistet werden. Erschwerend kommt das hohe Alter der beiden Tiere hinzu, das die Integration in neue Sozialgeflechte erschwert. Die vom WAMS vorgeschlagene Vergesellschaftung von Bally und Limbo mit einem einzelnen männlichen Schimpansen wäre unzureichend als soziale Familiengruppe und würde ein Konfliktpotential unter den Tieren beinhalten.

Bally war erkrankt

„Für uns standen zunächst die medizinische Versorgung und psychische Stabilisierung der Tiere im Vordergrund”, so Zootierärztin Dr. Stefanie Markowski. Die Betreuung erfolgte neben den Zootierärztinnen durch die vertrauten, erfahrenen Tierpfleger. „Wir haben alles darangesetzt, Bally und Limbo den Heilprozess so wirksam und angenehm wie möglich zu gestalten. Zu den kreativen Lösungen des Teams gehörten unter anderem Heilbäder mit Futteranreiz”, beschreibt Markowski. Erst im September 2020 erlaubte die Einschätzung der Mitarbeitenden des Krefelder Zoos einen Transport der Tiere. Jedoch erkrankte die 47-jährige Bally dann, so dass ein Umzug nicht möglich war. Erst Ende 2020 ist Bally wieder genesen und wäre seither wieder transportfähig.

Bereits im Laufe des Jahres hat der Zoo zudem Architekten und Statiker nach den Möglichkeiten des Anbaus einer Außenanlage an das bestehende Gorillahaus befragt. Schwierigkeiten bereitet die Bereitstellung einer ausbruchssicheren Konstruktion, die den Kräften und der Intelligenz der Menschenaffen gewachsen ist. Jedoch gibt es inzwischen neue Ideen, die aktuell geprüft werden. Parallel dazu stand der Zoo seit der Brandnacht in intensivem Austausch mit den Koordinatoren des EEP, das verschiedene Vorschläge für eine neue Bleibe geprüft hat.

Für eine neue Unterbringung von Bally und Limbo sieht das EEP eine langfristige Perspektive der Haltung vor. Die neue Unterbringung muss die Forderungen der „Best Practise Guidelines” erfüllen, angefangen vom Bau der Gehege (Baupläne werden vom EEP Komitee überprüft) über die richtige Fütterung bis hin zur Garantie der veterinärmedizinischen Betreuung. Außerdem wird eine Mitgliedschaft in der European Association of Zoos and Aquaria (EAZA) vorausgesetzt. Zu guter Letzt soll eine größtmögliche genetische Vielfalt bewahrt werden. Das EEP hat zum Ziel, stabile Gruppen aus Westafrikanischen Schimpansen in Europa zu formieren, weshalb der Verwandtschaftsgrad der Tiere eine wichtige Rolle spielt, um langfristig Inzucht zu vermeiden. Da Schimpansen über ein hochkomplexes Sozialverhalten verfügen, fließen bei der Auswahl einer neuen Gruppe auch die Persönlichkeitsstruktur und die Stellung des Tieres in der bestehenden Gruppe mit ein. Im Fall von Bally und Limbo bedeutet dies, dass beide in jedem Fall gemeinsam umziehen müssen. Limbos Persönlichkeit wird durch Bally gestärkt. Eine neue Gruppe sollte idealerweise keine erwachsenen Männchen enthalten.

Gesundheit muss sichergestellt werden

„Die außergewöhnlich starke Bindung unserer Tiere an ihre Tierpfleger und das tägliche Training geben ihnen sichtlich Stabilität und die emotionale Sicherheit, die sie aktuell benötigen. Wenn sie umgesiedelt werden sollen, kann das nur geschehen, wenn tatsächlich Garantie für eine Verbesserung ihrer Lebensqualität besteht – und diese manifestiert sich nicht nur räumlich”, erklärt Dr. Wolfgang Dreßen. Aus Tierschutzgründen ist eine Transportbegleitung der beiden Affen durch ihre gewohnten Pfleger oder intensiv geschulte Vertreter dringend erforderlich, um ihnen Stress zu ersparen. Den Transport entsprechend vorzubereiten, erfordert mehrere Monate, und einen Transporttermin zu wählen, ist in Anbetracht der aktuellen Corona-Situation zusätzlich kompliziert. Da für den Transport der Schimpansen eine Narkose notwendig ist, musste außerdem zunächst die Gesundheit der beiden sichergestellt werden. Dazu wurden mehrere medizinische Voruntersuchungen und Tests wie ein Herzultraschall und der Ausschluss von Infektionskrankheiten vorgenommen.

Angestrebt wird der Umzug in einen EEP-Zoo, der die genannten Kriterien erfüllt. Anderenfalls ist der Verbleib der Tiere in Krefeld mit kurzfristiger Ergänzung (innerhalb von sechs bis zwölf Monaten) um eine Außenanlage und anschließender Einzug in eine Anlage des Artenschutz-Zentrums Affenpark wahrscheinlich.

Wohlbefinden der Tiere ist oberste Priorität

Der Krefelder Zoo vereint beides: ein emotionales und ein wissenschaftliches Verständnis für Bally und Limbo. Nur wer Tiere versteht und begreift und ihre Bedürfnisse nicht auf die des Menschen reduziert, kann sie ihrer Art entsprechend pflegen, hegen und betreuen. In kaum einer Haltungsform werden Tiere von Menschen mit so großem Fachwissen wie in einem wissenschaftlich geführten zoologischen Garten gehegt und gepflegt. Dazu gehören kompetente pflegerische sowie veterinärmedizinische Betreuung und sehr hohe Futterstandards. Hinzu kommt die starke emotionale Bindung der Pfleger an die Tiere, die ein Zooteam zusätzlich zum professionellen Anspruch motiviert, das Wohlbefinden der Tiere stets als oberste Priorität zu behandeln.

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