Ernest Kolman (Foto: Stadtarchiv Wesel)
Anzeigen

Wesel. Ernest Kolman ist am 11. Januar 2021 im Alter von 94 Jahren in London verstorben. Die Stadt Wesel trauert um ihren Ehrenbürger, geboren am 1. Juni 1926 in Wesel als Ernst Kohlmann.

„Ernest Kolman gehört zu den bedeutendsten Söhnen unserer Stadt. Als Kind musste er vor den Gräueltaten der Nationalsozialisten fliehen. Dennoch hat er uns seine Hand gereicht – damit sich ein solches Leid wie das, das die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger erlitten haben, niemals wiederholt.

Mit seinen warnenden Worten hat Ernest Kolman wichtige Aufklärungsarbeit geleistet. Sein Erbe ist ewig. Es ist sein Vermächtnis, junge Menschen in Wesel und Umgebung durch seine Vorträge an Schulen wachgerüttelt zu haben.

Seine Lebensgeschichte geht unter die Haut. Sie erzählt von einem Alptraum, der Realität wurde. Es ist mir eine große Ehre, dass ich diesen besonderen Mann kennenlernen durfte“, sagte Bürgermeisterin Ulrike Westkamp.

Auch der Jüdisch-Christliche Freundeskreis e. V. zeigt sich sehr betroffen.

„Ernest Kolman ist eine Institution in Wesel. Er mahnte uns ein um das andere Mal, sehr emotional, wozu Hass und Antisemitismus führen. Dabei gelang es ihm immer, seine Zuhörerinnen und Zuhörer mitzunehmen. Nicht mit dem Zeigefinger, sondern mit dem Herzen klärte er zahlreiche Schülerinnen und Schüler auf“, so Wolfgang Jung, Vorsitzender des Jüdisch-Christlichen Freundeskreis e. V., zum Tod von Ernest Kolman.

1988, zum 50. Jahrestag der Novemberpogrome, folgte Ernest Kolman einer Einladung der Stadt Wesel. Zum Gedenken an die Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung in Wesel wurde seinerzeit am Willibrordi-Dom ein Mahnmal eingeweiht. Aus diesem Anlass hatte die Stadt die noch lebenden ehemaligen jüdischen Weseler Bürgerinnen und Bürger eingeladen.16 ehemalige jüdische Bürger Wesels folgten der Einladung. Seit diesem Zeitpunkt kam Ernest Kolman regelmäßig nach Wesel. Bis zu seinem Tod hat er seine Heimatstadt mehr als 30-mal besucht.

In dieser Zeit hat Ernest Kolman sich mit großem Engagement der Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit in Wesel gewidmet. Als Zeitzeuge berichtete er von der Verfolgung in der NS-Zeit und von der Geschichte der Juden im Dritten Reich. Er besuchte Schulen, Museen, Vereine und viele andere gesellschaftliche Gruppen. Vor allem mit jungen Menschen sprach er intensiv, um die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten. Ernest Kolman wurde nicht müde, über das Schicksal seiner Familie und das der Juden zu berichten, aufzuklären und zu mahnen.

Im Juni 2016 wurde er in einer Sondersitzung des Rates, zu seinem 90. Geburtstag, zum Ehrenbürger der Stadt Wesel ernannt. Es ist die höchste Auszeichnung, die die Stadt Wesel zu vergeben hat.

Ernst Kohlmann, so sein ursprünglicher Name, wurde am 1. Juni 1926 in Wesel geboren. Hier besuchte er die Volksschule. Nach dem Umzug der Familie nach Köln 1934 war er Schüler der Städtischen Israelitischen Volksschule in der Lützowstraße. Anschließend besuchte er das Jüdische Realgymnasium Jawne in Köln. Am 18. Januar 1939 kam er mit dem ersten Kindertransport, den das Jawne-Gymnasium organsiert hatte, nach England und entging so dem Konzentrationslager. Seine Eltern sah er nie wieder. Sie wurden am 4. Dezember 1941 aus Köln deportiert und im Juli 1944 in Riga ermordet. Seine ältere Schwester Margrit überlebte verschiedene Konzentrationslager. Sie ging nach Amerika und lebte bis zu ihrem Tod 2016 in Chicago.

Ernst Kohlmann anglisierte seinen Namen in Ernest Kolman und nahm 1947 die britische Staatsangehörigkeit an. Er machte sich als Maler und Dekorateur selbstständig und bekam mit seiner Frau Eva einen Sohn und eine Tochter.

Die Familie lebte in London. Seine Ehefrau starb im Jahr 2013. Bis zu seinem Tod lebte Ernest Kolman in seinem Haus in London.

Nach eigenem Bekunden kam Ernest Kolman immer wieder gerne nach Wesel. Er hat hier Freunde und Bekannte gefunden und pflegte rege Kontakte, unter anderem zum Begründer des Jüdisch-Christlichen Freundeskreises Wesel e. V., Günter Faßbender. Der damalige Weseler Stadtdirektor hatte 1988 den Anstoß gegeben zur offiziellen Kontaktaufnahme mit ehemaligen jüdischen Bürgerinnen und Bürgern Wesels.

Bei seinen Aufenthalten in Wesel standen für den Ehrenbürger Ernest Kolman immer Besuche bei alten Wegbegleitern und ein Einkaufsbummel in der Innenstadt auf dem Programm. Gerne wohnte er während seiner Aufenthalte im Hotel Kaiserhof.

Die Stadt Wesel hat 2018 den Film „Ernest Kolman – Erinnern gegen das Vergessen“ über sein Leben veröffentlicht. Ernest Kolman war ein wichtiger Zeitzeuge zur Geschichte der Juden in Wesel. Mit dem Film sollen seine Erinnerungen für nachkommende Generationen für immer bewahrt werden.

Der Dokumentarfilm vom Filmemacher Stephan de Leuw wurde aufwendig in mehreren Etappen in Wesel, Köln und London gedreht. In einem Interview mit Wesels Bürgermeisterin Ulrike Westkamp erzählt Ernest Kolman von den Ereignissen, die ihm während der NS-Zeit widerfahren sind. Untermalt wird seine Geschichte mit Bildern aus der damaligen Zeit. Schulen und Institutionen können den Film beim Stadtarchiv der Stadt Wesel für bildungspolitische Zwecke entleihen (Anfrage an archiv@wesel.de).

Die Nachricht vom Tod des Weseler Ehrenbürgers übermittelte sein Sohn Timothy M. Kolman aus den USA. Er schrieb an die Bürgermeisterin Ulrike Westkamp: „It is with profound regret, that I must inform you of the death of my Father, Ehrenbürger Ernest G. Kolman who died on January 11, 2021 at the age of 94. Herr Kolman was active until the very end and his greatest wish was to visit Wesel one last time.“ Ein Online-Kondolenzbuch wurde auf der städtischen Internetseite (www.wesel.de) eingerichtet. Die Bürgermeisterin Ulrike Westkamp hat für Montag, den 18. Januar 2021, Trauerbeflaggung am Rathaus angeordnet.

Die Stadt Wesel dankt Ernest Kolman für seinen unermüdlichen Einsatz gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Vorurteile, Hass und Gewalt. Die Stadt Wesel wird Ernest Kolman niemals vergessen.

Beitrag drucken
Anzeige