Michael Schumacher (Foto: Maria Jürgensen)
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Xanten/Rhein-Ruhr. Der Fußballer sitzt vor einem Teller mit einem Dosengericht, schaut in die Kamera und sagt: „Schmeckt prima, und so richtig kräftig, müssen Sie probieren!“ Der Franz, der Kaiser. Ja, wenn der das sagt! Und der Müsli-Mann, der den Firmennamen im Radio-Werbespot so oft in zwanzig Sekunden sagt, dass ihn auch wirklich alle hören, lecker, lecker, lecker. Sie kennen die Firma, das ist schon ein wenig penetrant – als ob ich mir den Namen nicht merken könnte! – aber auch schon wieder schrullig und es erfüllt doch seinen Zweck. Wir hören die Botschaft. Wir sollen ja glauben.

Vor einer Woche sickerte aufgrund einer internen Mail an die freien Mitarbeiter:innen beim WDR, zweitgrößte Rundfunkanstalt Europas, durch, dass zwecks Kostenersparnis die Berichterstattung über aktuelle Literatur gekürzt werden soll. Die bisher im Kultursender WDR 3 pro Jahr ausgestrahlten rund zweihundertfünfzig Buchrezensionen neu erschienener Bücher sollen entfallen, das täglich gesendete Gedicht soll  gestrichen werden, die Sendung „Ohrclip“, in der mindestens eine, oft aber auch zwei Stunden lang aus neuen und alten Werken der Weltliteratur vorgelesen wurde, soll grundsätzlich nur noch eine Stunde dauern und zukünftig nur aus Texten bestehen, deren Verfasser:innen schon siebzig oder mehr Jahre verstorben sind. Das spart dem gebührenfinanzierten Sender die Zahlung von Verwertungsrechten. Es steht zu befürchten, dass durch diese Sparmaßnahmen erheblich seltener über neue, abseits des Mainstreams von kleinen, unabhängigen Verlagen herausgebrachte  Bücher berichtet wird. Es geht um den Erhalt von Vielfalt.

Aber das sei doch so gar nicht geplant, ein großes Missverständnis, sagt der Wellen-Chef nach dem ersten Bericht in einer überregionalen Zeitung, im Gegenteil, man wolle den Anteil der Literatur im Programm sogar noch ausbauen. Man fühle sich doch der Kultur verpflichtet. Stimmt, denn es gibt ein Gesetz, das die Aufgaben des Senders und die inhaltlichen Schwerpunkte der Programme festlegt.

Sehen Sie, vorher waren es ganze Nüsse, aber die sind ja für viele unserer Hörer:innen schwer zu beißen, wir hacken die jetzt ein wenig klein und verteilen sie so besser. Auch in die Mediatheken. Vielleicht sollten wir auch die Chia-Samen weglassen, es bleibt doch immer noch eine gesunde Mischung, sie werden das mögen. Lange konzentriert zuhören, das können wir unseren Hörer:innen auch nicht mehr zumuten. Sechs Minuten am Stück, morgens, das muss zugänglicher werden, zielgruppenorientierter. Viele können ja Sonnenblumenkerne schlecht kauen. Wissen Sie was, wir lassen die auch gleich weg. Dafür mehr Leinsamen, für die Verdauung. Und weniger Rosinen. Schauen Sie, die Packung wiegt noch genau so viel wie vorher! Die vielen freien Mitarbeiter:innen, die schon lange den Großteil der Beiträge zum Programm liefern, die moderieren, die Autor:innen, all jene, die gerade jetzt mehr denn je auf „ihren“ Sender angewiesen sind, nun, wir müssen halt sparen in der Krise, wir müssen alle Opfer bringen, auf veränderte Hörgewohnheiten eingehen; glauben Sie doch nicht gleich alles, was über uns geschrieben wird. Müssen Sie probieren!

Die Müsli-Firma hat übrigens neulich einen Preis verliehen bekommen. Für die Mogelpackung des Monats. Weniger drin, weniger Zutaten und teurer wurde es auch.

Wenn Sie Wert auf Vielfalt und Literatur legen: Hier geht es zur Petition, die schon 5000 Mal unterzeichnet wurde: chng.it/6X8NKn5wYd

 

Ein KlarKlick von Michael Schumacher, Xanten, Poetry Slammer

Anmerkung der Redaktion: Unter KlarKlick versteht die LokalKlick-Redaktion Gastkommentare, die zur gesellschaftlichen Diskussion führen. Sie geben nur die Meinung des Gastkommentatoren wieder und sind nicht unbedingt die Meinung der Redaktion.

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