Initiator Reno Müller, Sandra Franz (Leiterin der NS-Dokumentationsstelle), Anwohnerin Ina Frank und Stefan Lebens (Vorsitzender Bürgerverein Bismarckviertel, von links) vor den Stromkästen (Foto: privat)
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Krefeld. Die NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld unterstützt ein Projekt im Bismarckviertel in Krefeld-Cracau: Dort wird auf Stromkästen über die historische Vergangenheit des Viertels berichtet. In diesem Monat bekommen sechs Kästen an der Roonstraße/Ecke Friedrich-Ebert-Straße einen neuen Anstrich durch die Anliegerin Ina Frank. Die anschließend aufgebrachten Bilder erzählen dann von Menschen, die im Viertel ihr Zuhause hatten, bis sie im Nationalsozialismus brutal vertrieben wurden. Die NS-Dokumentationsstelle Krefeld hat dafür das Bildmaterial und die Texte zur Verfügung gestellt.

Die Idee für das Stromkasten-Projekt geht auf die Initiative des Messe- und Ausstellungsunternehmers Reno Müller zurück. Er wohnt seit zwei Jahren im Viertel. Ihn haben die grauen Kästen, die er teilweise aus seinem Büro sehen konnte, direkt ein wenig gestört, und er ergriff die Initiative. Müller wird bei seinem Projekt unterstützt vom Bürgerverein Bismarckviertel, der die rund 100 Euro Kosten pro Kasten übernimmt – gestrichen wird dabei selbst, um die Kosten niedrig zu halten. Über 40 Kästen sind inzwischen von vielen Nachbarn, teilweise mit ihren Kindern und ihm selbst verschönert worden. Mehr als 30 davon sind mit informativen Folien beklebt. Die neuen Kästen befinden sich in der Mitte zwischen den Häusern Friedrich-Ebert-Straße 23 und 42.

In der Hausnummer 23 lebte die Familie Meyer, das Ehepaar Karl und Martha mit den Töchtern Ruth und Ilse, später zog die Großmutter Emilie noch mit ins Haus. Der Familie Meyer setzte die Krefelder Autorin Ulrike Renk mit ihrer Seidenstadtsaga ein literarisches Denkmal. In der Hausnummer 42 lebte der Seidenhändler Richard Merländer – in seinem Haus befindet sich heute die NS-Dokumentationsstelle der Stadt. Vor beiden Häusern befinden sich schon Stolpersteine. Die Geschichten, die mit den beiden Häusern verknüpft sind, können nun auf den Kästen nachgelesen werden. Sie ermöglichen es dem Betrachter, sich mit dem Schicksal dieser Familien im Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Sie stehen damit exemplarisch für zahlreiche weitere vergleichbare Geschichten auf den benachbarten Straßen und in der Stadt.

Viele weitere Kästen werden sukzessive zu den bereits gestalteten hinzukommen und Geschichten von Menschen, Gebäuden und der Entwicklung der Stadt Krefeld erzählen. So kann der Spaziergänger im Bismarckviertel spannende Geschichte erlaufen. Angenommen werden die Angebote von allen Generationen: Großväter bleiben mit ihren Enkeln stehen und versuchen die Winkel der historischen Aufnahmen nachzuvollziehen, Passanten beginnen spontan, sich mit der Geschichte ihres Viertels auseinanderzusetzen.

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