Krankenhausseelsorger Ekkehard Rüdiger geht in den Ruhestand, bleibt dem Helios Klinikum Krefeld im Ethikkomitee aber erhalten (Foto: © Helios)
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Krefeld. Krankenhausseelsorger Ekkehard Rüdiger geht in den Ruhestand, bleibt dem Helios Klinikum Krefeld im Ethikkomitee aber erhalten.

Als kompetenter Begleiter und Vertrauter für Patienten, Angehörige und Mitarbeiter hat Ekkehard Rüdiger in fast drei Jahrzehnten am Krefelder Klinikum bewegte Zeiten erlebt. Jetzt verabschiedete sich der katholische Krankenhausseelsorger nach 27 Jahren in den Ruhestand, als Mitarbeiter des Ethikkomitees und klinischer Ethikberater bleibt der 64-Jährige der Klinik aber weiterhin erhalten.

Als er 1993 seinen ersten Dienst antrat, wurde er gleich zu einem Sterbenden gerufen. „Ich war damals 37 Jahre alt, hatte keine Ahnung von der Aufgabe und noch nie einen toten Menschen gesehen. Das war der berühmte Sprung ins kalte Wasser. Das Einzige, was ich wusste, war, dass ich die Fähigkeit habe, auf Menschen zuzugehen und zuzuhören. Seitdem habe ich am Klinikum viele Menschen in ihrer letzten Lebensphase begleitet,“ erinnert sich Rüdiger. Besonders eindrücklich ist ihm eine Frau in Erinnerung geblieben, die partout nichts mit ihm zu tun haben wollte, weil sie die Institution Kirche ablehnte. „Irgendwie kamen wir dann doch ins Gespräch. Ein paar Stunden vor ihrem Tod überraschte sie mich mit der Frage, ob sie mich drücken dürfe. Als ich mich zu ihr runtergebeugte, hat sie mich trotz ihrer Schwäche ganz fest gedrückt und gesagt: „Sie sind ein Geschenk des Himmels.“

Genau solche Reaktionen haben ihn in seinem Tun bestärkt: „Das war kein Job. Daran hängt mein Leben, meine vollkommene Überzeugung. Diese Stelle war eine Fügung, denn meine Arbeit hat mich immer mit Kraft und Freude erfüllt“, so der Vater dreier erwachsener Kinder.

Tatsächlich entscheiden sich nur wenige Kollegen, in der Krankenhausseelsorge zu arbeiten. Viele bleiben lieber in der Gemeinde. Rüdiger selbst merkte bei der Kinder- und Jugendarbeit, dass er irgendwann zum ‚Berufsjugendlichen‘ wurde. Er suchte im Krankenhaus ein neues, anderes Arbeitsfeld, in dem aber gleichermaßen seine Kompetenz beim Zuhören und Begleiten gefragt war. „In einer zwölfwöchigen Ausbildung spezialisierte ich mich auf die klinische Seelsorge, dabei habe das System Krankenhaus theoretisch erlernt. In der Praxis erhielt ich durchgehend Supervision, um zu reflektieren, was mich berührt und was mich warum kalt lässt.“ Für Ekkehard Rüdiger sind das ganz wesentliche Voraussetzungen für die Krankenhausseelsorge, um professionell mit Menschen in besonderen Situationen umgehen zu können.  „Die moderne Krankenhausseelsorge, die Menschen begleitet, außerhalb des medizinischen und pflegerischen Tuns, halte ich für unabdingbar. Wir sind die externe Begleitung, der sich Patienten mitunter ganz anders öffnen können, mit der sie offener über ihre Ängste sprechen.“ Was überrascht: Selten spielt der Glaube in den Patientengesprächen eine Rolle. Aber in fast allen Situationen, wenn es auf das Lebensende zugeht, werden Zweifel geäußert und das Religiöse bekommt eine Dimension. „Für mich persönlich spielt der Glaube eine große Rolle. Sonst könnte ich das Leiden und Sterben gar nicht aushalten. Aber: Ich bin kein Missionar“, unterstreicht der Katholik.

Zusätzlich war er auch in der Notfallseelsorge tätig, wurde in Notsituationen von Polizei oder Feuerwehr kontaktiert – egal ob Tag oder Nacht -, um etwa Hinterbliebene von Suiziden zu begleiten.

Neben der tagtäglichen seelsorgerischen Tätigkeit sah er sich zunehmend mit ethischen Fragen konfrontiert. Ärzte und Pflege suchten in den Jahren immer häufiger seinen Rat, wenn es um ethische oder moralische Entscheidungen ging. „Ich spürte, dass ich an meine Grenzen stieß und mich in dem Bereich qualifizieren musste. Also studierte ich Medizinethik und zwar bei den Philosophen, nicht bei den Medizinern. Ich brauchte den Blick als Geisteswissenschaftler. Nach dem Studium brachte ich das Thema hier ins Bewusstsein und warb für die Vorteile der Ethikberatung.“ Gemeinsam mit Prof. Elmar Berendes, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, gründete er 2007 das Klinische Ethikkomitee. Als Gremium berät es im Rahmen von Fallbesprechungen seither nicht nur Ärzte und Pflegekräfte, sondern auch Angehörige in ethischen Fragen. Rüdiger, inzwischen „Klinischer Ethikberater“, etablierte am Helios Klinikum Krefeld die Beratung der Geschäftsführung in ethischen Fragen, koordinierte die Fallberatungen und bildete Kollegen fort. Unter seiner Federführung entstanden die Krefelder Ethiktage, die seit zehn Jahren mit prominenten Gastrednern immer wieder wichtige Diskussionen im Spanungsfeld zwischen Medizin und Ethik anregen.

Als Angestellter beim Bistum Aachen half Ekkehard Rüdiger auch dabei, an anderen Krankenhäusern eine Ethikberatung zu etablieren.

Ein umtriebiger Geist wie Ekkehard Rüdiger geht nicht einfach in den Ruhestand: Erst im Januar hat er die Ethikvisite auf der operativen Intensivstation eingeführt. Hierbei ist ihm wichtig, frühzeitig ethische Situationen im Team zu erkennen und offen zu besprechen.

Privat arbeitet Ekkehard Rüdiger ehrenamtlich in einem Museum, das den Nachlass eines Duisburger Künstlers betreut, den er vor vielen Jahren beim Sterben begleitet hat.

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