Antonia Frey (Foto: privat)
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Düsseldorf. „Oft den Finger in die Wunde gelegt“

Nach fast 40 Jahren bei der Diakonie Düsseldorf geht Antonia Frey in den Ruhestand. Die Abteilungsleiterin für Beratung und Soziale Integration der Diakonie Düsseldorf  hat viele Entwicklungen in der Arbeit mit Wohnungslosen und Geflüchteten in Düsseldorf mitgestaltet. Ein Gespräch über den Wandel.

 

Frau Frey, 1981 sind Sie zur Diakonie in Düsseldorf gekommen, haben in der Sozialarbeit mit Wohnungslosen begonnen. Das war eine andere Zeit, oder?

Ja, sicherlich. Damals gab es viele große Wohnheime für wohnungslose Menschen, vor allem Männer. Die ambulante Arbeit steckte aber noch in den Kinderschuhen. Wir haben dann mit einem großen Gutachten den Grundstein für die Ambulantisierung der Wohnungslosenarbeit gelegt. Es wurde die Tagesstätte am Rathausufer eröffnet, Streetwork ins Leben gerufen, die Fachberatungsstelle für Frauen gegründet und vieles mehr.

 

Das war ja ein grundlegender Wandel in der Arbeit. Gab es Widerstände?

Es war nicht immer einfach. Es gab zum Beispiel Träger, die sehr viele stationäre Plätze für Wohnungslose hatten. Für die war das nicht leicht. Und als wir dann noch die Beratungsarbeit mit der Tagesstätten-Arbeit verknüpfen wollten, gab es schon große Vorbehalte.

 

Warum?

Weil die Arbeit in Tagesstätten die Menschen versorgte und umhegte, die Beratung aber darauf ausgerichtet war, dass sich bei den wohnungslosen Menschen etwas änderte. Mit dem Horizont an der Neusser Straße haben wir aber gezeigt, dass das gut zusammengeht, dass wir die Menschen menschenwürdig versorgen können und gleichzeitig mit ihnen daran arbeiten können, dass es neue Perspektiven für sie gibt. Und das war uns auch in den anderen Tagesstätten, die folgten wichtig, dem café pur und dem Shelter.

 

In fast allen diesen Einrichtungen, auch in der Notaufnahme für Frauen, gibt es eine enge Kooperation mit der Stadt. War die immer reibungslos?

Reibungslos nicht, dafür habe ich zu oft den Finger in die Wunde gelegt. Aber ein enger Draht zur Stadt war mir immer wichtig, eigentlich schon von Anfang an, auch wenn das damals noch nicht selbstverständlich war. Aber so haben wir viele Konflikte und Fragen geklärt. Wir haben einen Sozialhilfekreis mit der Stadt gegründet, um uns auszutauschen, wir haben direkt mit dem Sozialamtsleiter gesprochen, und die Stadt war immer sehr interessiert an diesem engen Austausch.

 

Hat das auch 2015 geholfen, als so viele Geflüchtete nach Düsseldorf kamen?

Ja, sicherlich. Ich habe ja 2012 die Abteilungsleitung und damit auch die Arbeit mit geflüchteten Menschen übernommen. Und 2013 ging es da eigentlich schon richtig los, es kamen mehr Menschen, und meine Mitarbeiter*innen in dem Bereich drohten unterzugehen, weil es dauerte, bis die Personalkapazitäten aufgestockt wurden. Ich bin jetzt noch richtig stolz auf meine Leute, wie sie das trotzdem hinbekommen haben. Und dann, nach vielen Konferenzen mit der Stadt wurde erstmals ein Betreuungsschlüssel von einer Stelle für 200 Geflüchtete beschlossen, das war damals ein großer Fortschritt. Und wie wir die Ankunft der Geflüchteten am Fernbahnhof hinbekommen haben, mit großem Engagement auch von Diakonie-Mitarbeitenden aus anderen Bereichen, das war sicherlich einer der Momente, die am meisten in Erinnerung bleiben.

 

Seit 1996 sind Sie ja auch in der Politik aktiv. Sie sind Ratsmitglied der Grünen. War das hilfreich oder hinderlich für Ihre Arbeit?

Ich habe das damals gemacht, um mehr zu wissen, wie Politik funktioniert und um das auch für meine Arbeitsfelder zu nutzen. Wie stellt man einen Haushaltsantrag? Wie funktioniert das mit den Budgets? Das hat mir auch sehr weitergeholfen. Manchmal war es hinderlich, weil ich beiden, der Politik und der Diakonie nicht auf die Füße treten wollte. Aber ich konnte so besser kämpfen für die Belange, die ich wichtig fand. Und das werde ich auch weiter tun.

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