Simon Kell (Foto: privat)
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Jüchen. Trotz verfassungsrechtlicher Bedenken  wurde das umstrittene Pandemiegesetz der Koalitionsfraktionen aus CDU/CSU und SPD beschlossen. Seit Freitag, den 23. April, gelten ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 verbindliche Corona-Maßnahmen des Bundes. Die Regelungen sehen unter anderem eine weitgehende Ausgangssperre von 22 Uhr bis 5 Uhr vor. Freie Demokraten aus FDP-Kreisverbänden am linken Niederrhein haben sich nunmehr zusammengeschlossen, um eine Verfassungsbeschwerde einzureichen. Hierzu erklären der Prozessbevollmächtigte Dr. Michael Terwiesche sowie der Beschwerdeführer Simon Kell:

„Auch für uns Freien Demokraten bleibt es das vordringliche Ziel, eine Überlastung unseres Gesundheitssystems zu verhindern. Wir unterstützen verhältnismäßige und zielgenaue Maßnahmen zum Gesundheitsschutz. Schon heute stehen wirkungsvolle Instrumente zur Verfügung, um die Corona-Pandemie einzudämmen.

Die mit dem Gesetz beschlossenen Ausgangssperren verfehlen aber aus unserer Sicht ihre epidemiologische Begründung und sind nicht mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen. In der aktuellen Debatte sehen wir, wie verfassungsrechtlich garantierte Freiheiten zu Privilegien umgedeutet werden. Wenn der Freiheit enge Grenzen gesetzt werden, braucht sie umso stärkere Anwälte.“

„Wissenschaftliche Untersuchungen  und Stellungnahmen  zeigen ferner, wie gering der Beitrag nächtlicher Ausgangssperren in einem Gesamtpaket von Maßnahmen für die Pandemiebekämpfung ist. Führende Aerosolforscher führen in einem offenen Brief vom 11. April aus, die Ausgangssperren sollten in die Aufzählung „irreführender Kommunikation” aufgenommen werden. So läge die Übertragungswahrscheinlichkeit im Freien im Promillebereich. Nicht Debatten über Kontakte im Freien, wie Verweilverbote an Flüssen oder Verbote von Treffen in Parks wären angemessen, sondern die Sensibilisierung für Übertragungen in Innenräumen. Diese würden durch eine Ausgangssperre nicht verhindert, sondern erhöhten lediglich die Motivation, sich den staatlichen Anordnungen noch mehr zu entziehen“, so Terwiesche.

Die Auffassung teilt auch der Beschwerdeführer Simon Kell aus Jüchen: „Die Corona-Maßnahmen müssen epidemiologisch sinnvoll und effektiv sein und im Einklang mit unserer Verfassung stehen. Schließlich wollen wir Corona bekämpfen und nicht unsere Freiheit. Die gesamte Bevölkerung in ihrem Grundrecht auf Bewegungsfreiheit massiv einzuschränken, kann nicht verhältnismäßig sein.“

Ferner kritisieren die Beschwerdeführer das alleinige Abstellen auf den Inzidenzwert. Je mehr Tests zur Verfügung ständen und je mehr Menschen geimpft sind – vor allem Hochbetagte und die mit einem hohen Risiko einer schweren Erkrankung -, desto weniger sagten Inzidenzwerte alleine etwas aus. Sie fordern, die Sieben-Tage-Inzidenz differenzierter zu fassen. Wichtig sei zum Beispiel zu wissen, welche Altersgruppen sich infizieren, wie die Auslastung der Intensivstationen ist und wie tatsächlich die Nachverfolgung von Infektionsketten gelingt.

Auch würde das Gesetz kein testweises Öffnen mit Modellvorhaben ermöglichen oder die besondere Rolle von Geimpften in der Gesellschaft berücksichtigen. Und das, obwohl es zahlreiche Studien gebe, die aufzeigen, dass durch Geimpfte praktisch keine Gefahren der Ansteckung mehr für andere Menschen ausgehen.

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