Verena Verhoeven, Leiterin der Fachstelle Glücksspielsucht der Caritas im Rhein-Kreis Neuss (Foto: Caritasverband Rhein-Kreis Neuss e. V.)
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Rhein-Kreis Neuss. Fachstelle Glücksspielsucht der Caritas im Rhein-Kreis Neuss

Auch dank der Corona-Pandemie boomt der Onlineglücksspielmarkt. Auffällig ist dabei: „Der Anteil von Frauen mit einer Spielsuchtproblematik ist stark gestiegen“, berichtet die Leiterin der Fachstelle Glücksspielsucht der Caritas im Rhein-Kreis Neuss, Verena Verhoeven. Der neue Staatsvertrag Glücksspiel, der Mitte des Jahres in Deutschland in Kraft tritt, helfe Spielsüchtigen aber nur bedingt.

Kinderbetreuung, Homeoffice, Wäsche waschen, Kochen – es seien immer noch Frauen, die zu Hause den Großteil der Arbeiten erledigten. „Spielaffine Frauen suchen beim Onlineglücksspiel Entspannung. Das lässt sich ganz leicht in den Alltag integrieren. Sie sind deshalb eine wichtige Zielgruppe für Onlineglücksspiel-Anbieter“, so Verhoeven. Doch auch die kurzen Spiele zwischendurch können der Einstieg zu süchtigem Spielverhalten sein. Genaue Zahlen gebe es nicht. Verhoeven schätzt aber das 90 Prozent der Anruferinnen sich wegen einer Onlineglücksspiel-Problematik melden.

Das Spielen online habe dabei besonders hohes Suchtpotenzial: „Es ist 24 Stunden am Tag an praktisch jedem Ort verfügbar, es kann in schneller Spielfolge mit hohen Einsätzen gespielt werden und das Gefühl für Geldverlust und eine soziale Kontrolle fehlen völlig“, so Verhoeven.

Bisher war ein Großteil der Onlineglücksspiel-Angebote in Deutschland ein Schwarzmarkt. „Spielerschutz, Jugendschutz – Fehlanzeige“, sagt sie. Deshalb begrüßt die Leiterin der Fachstelle die Legalisierung und die Einführung eines Spielerschutzes ausdrücklich. Zum 1. Juli 2021 sollen die digitalen Varianten von Poker und Roulette sowie von Sportwetten in Deutschland legalisiert werden. Kritisch sieht sie aber die Art der Umsetzung. Geplant ist beispielsweise ein monatlicher Maximaleinsatz von 1000 Euro. Doch es gebe wohl nur wenige Hilfesuchende in der Neusser Fachstelle, die es sich leisten könnten, monatlich einen so hohen Betrag zu verspielen, sagt Verhoeven.

Außerdem macht sie sich für ein anbieterübergreifendes Sperrsystem in deutscher Sprache stark, bei dem man sich selbst oder andere Sperren lassen kann. Dieses sei im neuen Staatsvertrag nicht weit genug konkretisiert worden. Spielen über das eigene Limit werde mit so einem System unterbunden. Diese klaren Grenzen brauche es, denn „Spielsucht bedeutet ja gerade, dass man sein Spielverhalten selbst nicht mehr regulieren kann“, so Verhoeven.

Grundsätzlich wachse der gesamte Glücksspielmarkt seit Jahren. In Neuss hat sich zum Beispiel die Zahl der aufgestellten Spielhallen-Automaten seit dem Jahr 2006 mehr als verdoppelt (2006: 140, 2018: 295). Die Einnahmen haben sich im selben Zeitraum mit knapp 2,4 Millionen Euro zu fast 9,5 Millionen Euro sogar beinahe vervierfacht. Wie stark das Wachstum des Onlineglücksspiels ist, lässt sich dabei nur schwer ermitteln. Ein Anstieg der Anfragen sei seit der Pandemie aber eindeutig in der Fachstelle feststellbar – auch bei den Männern. „Diese Entwicklung macht uns Sorgen“, so Verhoeven.

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