Gemeinsam erfolgreich: v.l. Dr. Pavlos Drongitis (Ltd. OA Gefäßchirurgie), Dr. Jan Latza (OA Operative Intensivstation), Dr. Barbara Strey (CA Gastroenterologie), Dr. Mathias Weist (OA Gastroenterologie), Dr. Norbert Hennes (CA Viszeralchirurgie) und Prof. Dr. Marco Das (Chefarzt Radiologie) (Foto: Helios)
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Duisburg. „Kurze Wege zum neuen, langen Leben“

„Es waren schon dramatische Momente“, sagt Dr. Norbert Hennes, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Minimalinvasive Chirurgie am Helios Klinikum Duisburg, und drückt dabei erleichtert die Schulter von Patient G. Wir nennen ihn G wie Glück, denn genau das hat er letztlich gehabt. Und ein Ärzteteam, dass fächerübergreifen für die richtige Diagnose und Therapie Hand in Hand arbeitet. Dabei spielt auch ein Chirurgendaumen auf einer Schlagader eine entscheidende Rolle.

Mittlerweile kann G. beim Rückblick auf die letzten Wochen sogar schon wieder ein bisschen lächeln, doch er hat Zeit gebraucht, um das alles zu verarbeiten. Nach einer Reha-Maßnahme ist er nun im wahren Sinn des Wortes wieder auf den Beinen. Davor aber lag eine Zeit zwischen Angst und Ungewissheit, mehrmals sogar zwischen Leben und Tod. Doch beginnen wir von vorn: Kurz vor Weihnachten im letzten Jahr bemerkt G. Blut im Stuhl und nach einigem Hin und Her kommt er schließlich in die Helios St. Johannes Klinik. „So etwas ist mir in meiner langjährigen Berufspraxis noch nicht untergekommen“, erinnert sich Allgemeinchirurg Dr. Norbert Hennes, denn zu Beginn stehen die Mediziner bei G. vor einem Rätsel: Der erste Check bei einer vorsorglichen Magenspiegelung lässt kaum etwas erkennen, weil sich auch im Magen schon Blut befindet. Die im Dickdarm entstandenen Blutungen werden zunächst operativ gestoppt und versorgt, treten aber später, nachdem der Patient bereits wieder kurz zuhause ist, erneut auf. G. kehrt zurück ins Krankenhaus. Woher aber kommt immer wieder das ganze Blut? Die Ärzte wälzen Fachliteratur und tauschen sich in Windeseile auch mit den Gastroenterologen und den Radiologen aus, denn der Zustand von G. verschlechtert sich rapide. Schließlich muss er wieder in den OP. „Mir stockte im OP-Saal förmlich der Atem, als ich ihn erneut untersuchte, den Darm abtastete und feststellte, dass es an einer ganz anderen, ungewöhnlichen Stelle im Darm heftig blutete“, erinnert sich Dr. Hennes. „Wir riefen sofort den Gefäßchirurgen, denn offensichtlich war die Hauptschlagader in irgendeiner Weise beteiligt. Das Blut pulsierte förmlich in G.s Darm hinein und ich stand mit einem Finger auf der Stelle da, um den Blutfluss zu stoppen, bis der Kollege endlich in den Saal gerannt kam.“ Ohne langes Überlegen operieren sie zusammen weiter. „Nur so konnten wir schließlich die Ursache ausfindig machen und entsprechend versorgen. Sonst hätte es wahrscheinlich kein glückliches Ende gegeben.“ Denn in G. Körper hat sich etwas entwickelt, das dort nicht hingehört: eine aortoduodenale Fistel. Laienhaft ausgedrückt entsteht dabei durch Verwachsungen eine Verbindung zwischen Hauptschlagader und Darm, so dass nach und nach immer mehr Blut in den Verdauungstrakt gelangt. Eine lebensgefährliche Erkrankung, die eigentlich fast ausschließlich bei Patienten über 60 Jahre auftritt und meist tödlich endet. G. ist aber noch keine 30. Wie sich später herausstellt handelte es sich offensichtlich um eine Spätfolge einer Bestrahlung im frühen Kindesalter. Norbert Hennes kennt die Fistel-Erkrankung grundsätzlich und hat dabei vor allem die tödlichen Verläufe im Kopf. Denn 90 Prozent der Betroffenen überleben sie nicht. In G.s Alter ist es zudem ein extrem seltenes Phänomen.

„G. war tapfer und hat mit uns gekämpft“, sagt Dr. Hennes, „er musste ja einiges über sich ergehen lassen.“ Denn auch wenn die OP erfolgreich verlief, ihre Nachwehen machen den Ärzten Sorgen. Unter anderem heilen die OP-Narben aufgrund der Vorgeschichte schlecht und es kommt zu erneuten Blutungen. In der Abteilung für Gastroenterologie wagen sie daher etwas Neues und G. ist einer der ersten Patienten, bei dem eine endoskopische Vakuumtherapie zum Einsatz kommt. „Diese recht neue Methode“, so Chefärztin Dr. Barbara Strey „wird bei Wundheilungsstörungen und Entzündungen im Bereich des Magen-Darm-Traktes angewendet, in diesem Falle im Bereich Magen und Dünndarm, wo es im Nachgang der Operation zu Blutungen kam.“ Über eine Endoskopie wird dafür eine Schwammsonde genau in die entzündete Region eingelegt, und mittels einer kleinen Vakuumpumpe, schmerzfrei für den Patienten, ein dauerhafter Sog aufgebaut. „Hierdurch konnte allmählich und schonend ohne erneute Operation eine Wundheilung herbeigeführt werden.“ Dr. Strey ist mehr als zufrieden, dass die Methode so gut funktioniert.

Am Therapieprozess stark beteiligt sind auch die Intensivmediziner, die G. immer wieder engmaschig überwachen, sowie die Radiologen. Auch für Chefarzt Prof. Dr. Marco Das ist es ein besonderer Fall: „Bei G. wurde im Verlauf seines Aufenthaltes bei uns zweimal eine akute Blutung aus einer Arterie des Bauches diagnostiziert. Zweimal wurde die Blutung auch mittels sogenannter interventioneller Radiologie behandelt. Dies bedeutet, dass ein Katheter über die Leiste eingeführt, die blutende Arterie mit dem Katheter aufgesucht und dann einmal mit kleinen Metallspiralen verschlossen wurde. Beim zweiten Mal wurde die Blutung durch ein ummanteltes Metallröhrchen im Gefäß abgedichtet und somit die Blutung gestoppt.“

Hier wird offensichtlich, dass das Sprichwort „Viele Köche verderben den Brei“ nicht immer gilt. Denn nur, weil alle Abteilungen direkt an Haus verortet sind und dabei auch noch eng zusammenarbeiten, überlebt G. seine Erkrankung. Mehr als sechs Wochen verbringt der Duisburger dafür im Krankenhaus. Corona macht alles nicht einfacher, seine Familie sorgt sich sehr. „Aber wir konnten den Patienten und die Familie bei jedem Schritt mitnehmen und einbinden, und das hat wiederum die Familie mit dem Patienten ebenfalls getan. Das war neben der medizinischen auch seelische Aufbauarbeit“, meint Dr. Hennes. „Letzten Endes sind wir alle erleichtert und glücklich.“ Das gilt für ihn und sein Team, für die beteiligten Kolleginnen und Kollegen, ganz besonders aber für den Patienten und seine Familie.

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