( © Stadt Essen)
Anzeigen

Essen. Im Haus des Jugendrechts in Essen, das im März 2018 eröffnet wurde, arbeiten die Ermittlungsgruppe Jugend des Polizeipräsidiums Essen, ein Teilbereich der Jugendabteilung der Staatsanwaltschaft Essen sowie die Jugendgerichtshilfe des Jugendamtes der Stadt Essen unter einem Dach zusammen. Es verfolgt die Ziele, flächendeckend für das Stadtgebiet Essen durch Optimierung der bestehenden behördenübergreifenden Zusammenarbeit aller Kooperationspartner strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen junge Intensivtäter*innen zu beschleunigen, kriminelle Karrieren von jungen Intensivtäter*innen zu beenden und einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Sicherheitslage in der Stadt Essen zu leisten.

2020 betreute das Haus des Jugendrecht 88 junge Intensivtäter*innen – 50 Prozent der Jugendlichen blieben straffrei

Zum Stichtag 31.12.2020 wurden 57 Personen als junge Intensivtäter*innen aus Essen/Mülheim im Haus des Jugendrechts begleitet. Im laufenden Jahr wurden 31 Personen in das Programm aufgenommen und 31 Personen wurden entlassen. Insgesamt wurden somit 88 (63 aus Essen, 25 aus Mülheim) junge Intensivtäter*innen im Jahr 2020 im Haus des Jugendrechts betreut. Die Rückfalluntersuchung zum 31.12.2020 ergab, dass nach der Entlassung aus dem Intensivtäterprogramm 50 Prozent der Jugendlichen straffrei geblieben sind. Zum Vergleich: Im Vorjahr sind 40 Prozent der Jugendlichen und Heranwachsenden nicht mehr durch das Begehen von Straftaten aufgefallen. Eine Erklärung für die positive Tendenz: Durch die enge Zusammenarbeit konnte eine frühzeitigere Aufnahme der Jugendlichen erfolgen. Es wurden vermehrt Jugendliche im Alter von 14/15 Jahren in das Programm aufgenommen. Für die Aufnahme in das Programm wird die zusammenfassende Einschätzung aller Kooperationspartner*innen über die begangenen Straftaten im strafunmündigen Alter und der familiären Situation zugrunde gelegt. Durch die frühzeitigere Aufnahme in das Programm gibt es mehr Hilfsmöglichkeiten, die Jugendlichen davon abhalten können, weitere, insbesondere schwerere Straftaten, zu begehen.

Verbindliche Kooperationsvereinbarungen

Die Aufnahme von jugendlichen Straftäter*innen in das Intensivtäterprogramm des Haus des Jugendrechts richtet sich nach den Kriterien der Polizei: Es handelt sich um Jugendliche, die unter 18 Jahre alt sind, ihren Wohnort in Essen und Mülheim an der Ruhr haben und die in 12 Monaten mindestens fünf Straftaten eines definierten Deliktspektrums (Raub/räuberische Erpressung, räuberischer Diebstahl, Körperverletzungen, Diebstahl, Straftaten gegen die persönliche Freiheit) begangen haben. Die Entlassung aus dem Intensivtäterprogramm erfolgt, wenn die Jugendlichen 12 Monate polizeilich nicht in Erscheinung treten (kein Ermittlungsverfahren/Gefährdungssachverhalt), aus dem Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Essen wegziehen, sich länger als ein Jahr in Haft befinden oder das 21. Lebensjahr vollendet haben.

Jugendgerichtshilfe setzt sich für die positive Entwicklung der Zukunft der Jugendlichen ein

Wesentlicher Baustein des Intensivtäterprogramms ist die personenorientierte Sachbearbeitung aller Institutionen. Die Zuständigkeit der Mitarbeiter*innen der Jugendgerichtshilfe für die Intensivtäter*innen bleibt auch nach Umzug in einen anderen Stadtteil erhalten. Das heißt, die Jugendlichen haben eine feste Person bei der Jugendgerichtshilfe, der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Dadurch und durch die räumliche Nähe (ein Bürogebäude), sind zeitnahe Absprachen und schnelle Kenntnisse über Besonderheiten gegeben. Durch die persönliche Zuordnung zu den Jugendgerichtshelfer*innen wird der Beziehungsaufbau zu den Intensivtäter*innen gefördert. Detailwissen über die persönliche/familiäre Situation und den Freundeskreis führen dazu, geeignete pädagogische Angebote zu entwickeln und mit den jeweiligen Kooperationspartnern/Netzwerkpartnern abzustimmen und einzuleiten, die dem eventuellen Risiko zu erneuter Straffälligkeit entgegenwirken. Die zuständigen Mitarbeiter*innen der Jugendgerichtshilfe übernehmen die Betreuung der gesamten Familie. Das heißt, sie sind auch für eventuell straffällig werdende Geschwister zuständig. Voraussetzung für die positive Entwicklung ist die Mitwirkungsbereitschaft der Intensivtäter*innen sowie ihrer Familie. Die Jugendgerichtshilfe setzt sich so für die positive Zukunftsgestaltung der Intensivtäter*in ein.

Initiative “Kurve kriegen”

Im Oktober 2016 startete die Initiative “Kurve kriegen” im Polizeipräsidium Essen. Seitdem arbeiten in der Initiative zwei Sachbearbeiter der Ermittlungsgruppe Jugend mit drei pädagogischen Fachkräften der Arbeiterwohlfahrt Essen als multiprofessionelles Team zusammen. Mit dem Einzug der Polizei (Ermittlungsgruppe Jugend) in das Haus des Jugendrechts Essen wurde auch die Landesinitiative “Kurve kriegen” Teil des Hauses. Der Leitgedanke der Landesinitiative “Kurve kriegen” ist das möglichst frühzeitige Erkennen und Verhindern von sich abzeichnenden Intensivtäterkarrieren, um gezielt mit erzieherischen Maßnahmen und Hilfen präventiv und nachhaltig einzuwirken. Der Fokus liegt vorwiegend auf dem Alterssegment der 8 bis 15-Jährigen. Potenzielle Teilnehmer*innen müssen vor ihrer Aufnahme strafrechtlich in Erscheinung getreten sein (eine Gewalttat oder drei Eigentumsdelikte). Bis Dezember 2020 haben 69 Kinder und Jugendliche aus Essen/Mülheim an “Kurve kriegen” teilgenommen oder werden aktuell noch durch Maßnahmen betreut. Der Altersdurchschnitt liegt zwischen 12 und 13 Jahren. Der Anteil männlicher Teilnehmer liegt durchgängig bei 85,5 Prozent. Stand Dezember 2020 haben 20 Teilnehmer*innen die Initiative “Kurve kriegen” erfolgreich durchlaufen. 15 Teilnehmer*innen brachen die Betreuung ab; sechs davon wurden ins Intensivtäterprogramm überführt. Im April 2020 wurde ein weiteres präventives Projekt “Prävention von Clankriminalität – Projekt ‘360°’ Integration, Orientierung, Perspektiven! – Maßnahmen zur Vorbeugung von Clankriminalität” umgesetzt. Derzeit werden in Essen sieben Kinder pädagogisch betreut.

Beitrag drucken
Anzeige