(Foto: Jan Kath)
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Krefeld. “Es hat sich gelohnt, Pfarrer zu werden”

„Tu das, was Du tun musst, bis du tun kannst, was du tun willst“ – dieser Satz kommt Pfarrer Michael Prietz in den Sinn, wenn er an seinen Ruhestand denkt. Die vergangenen 11 Jahre war der heute 64jährige als Krankenhausseelsorger an der Alexianer Krefeld GmbH tätig. Zuvor als Gemeindepfarrer an der Pauluskirche und als Gefängnisseelsorger in Willich. „Ich habe meinen Beruf total gerne gemacht“, meint Prietz. „Und doch freue ich mich, jetzt frei entscheiden zu können, was ich tun möchte.“ Als in einigen Gesprächskreisen die Sprache in den vergangenen Monaten auf seinen Ruhestand kam, meinten einige, ´das können Sie dann noch ehrenamtlich weiterführen´. „Ja“, sagt  Prietz, „Es gibt viele gute Aktionen. Ich suche mir das aus, was ich gerne tun möchte. Ich werde bestimmt nicht nichts tun.“ Nichts – das würde auch nicht zu Michael Prietz passen.

So engagiert er sich seit Jahrzehnten bei Open e.V., der Ökumenischen Partnerschaft Esperanza Nicaragua, die vor 30 Jahren gegründet wurde. Durch Spenden konnte die „Casa de los Tres Mundos“ in Managua unterstützt werden, ein Haus, in dem Konzerte und Lesungen stattfinden, eine Mal- und Musikschule angeschlossen ist. Zudem gibt es deutsch-nicaraguanische Bibliothek, die einen Bücherbus betreibt, der durch die Gemeinden fährt. „Es geht darum, Kindern und Erwachsenen Bildung und Kultur zu vermitteln“, sagt Prietz. Ganz nach einem Statement von Ernesto Cardenal „Kultur ist so wichtig wie Essen und Trinken.“ Um Spenden zu sammeln, organisiert der Verein, dessen zweiter Vorsitzender Prietz ist, unterschiedliche Aktionen in Krefeld, wie beispielsweise einen Stand auf dem „Besonderen Weihnachtsmarkt“.

Michael Prietz ist in Köln aufgewachsen, auf der „Schäl sick“, dort hat er Gemeinde kennengelernt, über die Bücherei, Kindergottesdienst, Jugendarbeit. „Das übliche eben“, meint er schmunzelnd. „Mein Vater war etliche Jahre im Presbyterium, meine Mutter hat jahrelang die Gemeindebücherei geleitet, später als Pfarrsekretärin gearbeitet.“ Der damals sehr junge Pfarrer seiner Heimatgemeinde habe ihn sicherlich sehr geprägt, und auch sein Religionslehrer am Gymnasium. „Samstags haben wir gemeinsam die Schulgottesdienste vorbereitet“, erinnert sich Prietz gerne.

Nach seinem Theologiestudium in Wuppertal und Bonn, absolvierte er sein Vikariat und Hilfsdienst in Koblenz und in Weißenthurm bei Neuwied. „Der Rhein hat mich mein ganzes Leben begleitet, bis auf die Jahre in Wuppertal“, meint Prietz. „Runter und rauf.“

1986 wurde er Pfarrer an der Pauluskirche. Besonders gerne habe er Gottesdienste gestaltet, neue Gottesdienst-Projekte mitentwickelt, in Gemeindekreisen gewirkt, er habe die Jugendarbeit mitbegleitet, auch auf Kreisebene im Synodalen Jugendausschuss. 20 Jahre später ergab sich noch eine neue Perspektive. „Schon seit Beginn meines Studiums hatte ich den Wunsch, einmal im Gefängnis zu arbeiten“, erklärt Michael Prietz. 2006 wurde eine Stelle in der JVA Willich frei. Diese Chance ergriff Prietz und wurde Gefängnisseelsorger. „Seelsorger arbeiten im System, aber sie sind nicht Teil des Systems“, betont Prietz. „Das bedeutet sowohl für Inhaftierte als auch für die Menschen, die da arbeiten, sie können zu den Seelsorgern kommen, mit dem, was sie bedrückt. Es wird nichts weitergegeben.“ Menschen im Knast, denen er begegnet sei, das seien Menschen „wie Du und ich“. Später habe er einige nach ihrer Entlassung auch im Stadtbild in Krefeld wiedergetroffen.

„Ich glaube, man braucht eine gewisse Lebenserfahrung, um mit Menschen in Krisensituationen reden zu können“, so Prietz. „Wirklich reden, ohne nur angelesene Wahrheiten zu verteilen. Man könnte es fast Weisheit nennen. Die hat jemand Junges noch nicht.“ Mit eben dieser Lebenserfahrung wechselte Prietz 2010 in die Krankenhausseelsorge am Alexianer in Krefeld, mit Schwerpunkt in der Gerontologie – Somatik und Psychiatrie.

„Die Gespräche waren vielfältig, jedes Mal anders“, erläutert Prietz. „Manchmal ziehen sich Gespräche auch über Jahre. Ich war auch für ehemalige Patienten da.“ Das war Teil seines Beschäftigungsauftrages. In der Coronazeit konnte Prietz diese langfristigen Kontakte trotz Homeoffice begleiten. Über Mails oder bei Spaziergängen. Auch vieles anderes war Über Telefon und Computer möglich. Und dennoch: „Ich hatte es mir anders vorgestellt, in meinem letzten Jahr Dinge langsam zu beenden“, bedauert Prietz.

Er geht ein Jahr früher als ursprünglich geplant in Ruhestand. „Ich freue mich, ich wieder persönlich in meinem Chor in Fischeln singen kann“, sagt Prietz. „Coronabedingt konnten wir uns ein Jahr leider nicht persönlich treffen. Wir hatten Online-Proben. Das hat auch gut geklappt, doch nichts ersetzt das gemeinsame Singen.“ Prietz möchte wieder mehr fahrradfahren: „Ich habe mir einige Touren vorgenommen. In Krefeld gibt es vieles, was ich noch nicht kenne.“ Zudem wurde Prietz vor kurzem zum ersten Mal Großvater – auch auf mehr Zeit für seinen Enkel freut er sich.

Am Übergang seiner aktiven Zeit als Pfarrer, zieht Prietz ein wenig Resumee. Ja, es habe sich gelohnt, Pfarrer zu werden. „Ich habe ein Stück von dem, was ich glaube, was meinen Glauben ausmacht, weitergeben können“, freut sich Michael Prietz. „Ich weiß von Menschen, dass ich ihnen helfen konnte und sie ein Teil ihres Weges begleiten konnte.“

„Siehe ich bin bei euch alle Tage, bis an das Ende der Welt“ – dieses Wort aus Matthäus sei für ihn ein Segenswort geworden. „Eine Zusage, dass Gott mir diese Begleitung wirklich zusagt in verschiedenen Situationen meines Lebens“, betont Prietz.

Prietz war immer wichtig, im Team zu arbeiten. „Wir als evangelische und katholische Krankenhausseelsorger wurden als feste Größe wahrgenommen“, freut sich Prietz.

Sein letzter Arbeitstag war bereits im Mai. An diesem Tag wurde er mit einer Rikscha von der Klinik abgeholt. „Es hat geschüttet wie aus Eimern,“ erinnert sich Prietz. „Ich bin nur trocken geblieben, weil meine Frau Regenkleidung mitschickte.“ Der Weg nach Hause führte über mehrere Stationen in Krefeld, an denen Freunde, Kollegen und Familie ihm Fähnchen überreichten, auf denen gute Wünsche für den Ruhestand notiert waren. „Überraschung“ – „Endlich Rente“ – „Bester Opa“ – „Bleib heiter“ lauteten ein paar der Worte. Eine mehrmonatige Reise nach England, seit einem Schüleraustausch seine zweiten Heimat, sollte sich anschließen. Corona kam dazwischen. „Die werden meine Frau und ich sobald wie möglich nachholen“, meint Prietz.

Am Samstag, den 26. Juni 2021, 18 Uhr, wird Pfarrer Michael Prietz in der Pauluskirche am Moritzplatz vom Dienst als Pfarrer in der Krankenhausseelsorge durch die Superintendentin Frau Dr. Barbara Schwahn entpflichtet und in den Ruhestand zum 1. Juli verabschiedet.

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