(Foto: privat)
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Krefeld. “Wir rücken einfach noch ein Stück mehr in die Stadt”

Anfang Juli wechselt Pfarrer Marc-Albrecht Harms seine Gemeinde, er verlässt die Evangelische Kirchengemeinde Krefeld-Süd und geht an die Friedenskirche. „Vor langer Zeit wurde ich angesprochen, ob ich Interesse hätte“ erklärt Pfarrer Harms. „Dort gibt es eine andere Art von Gemeindearbeit, von kirchlicher Arbeit als in Krefeld-Süd.“ Er habe überlegt: Was erwarte ihn noch in den nächsten Jahren in Süd? Was könne ihn reizen, die Kirchengemeinde zu wechseln?

Vor einiger Zeit habe er eine Fortbildung “Kirche im Sozialraum” absolviert. „Durch diese Quartiersarbeit haben sich Türen noch einmal zu einer anderen Art von Kirche geöffnet“, sagt Harms. „Ich habe Vor-Ort-Kirche kennengelernt.“

In einer Kirchengemeinde gebe es viele Gruppen und Kreise. Sie führen alle ihr eigenes Leben. Untereinander treffe man sich nur bei besonderen Gelegenheiten und großen Festen. In einem Sozialraum hingegen fänden die Treffen vielleicht in loserem Zusammenhang statt, sprächen aber ganz unterschiedliche Menschen an. „Ich bin der Überzeugung“, so Harms, „dass wir als Volkskirche nur bestehen können, wenn wir uns da auf den Weg machen.“ Kirche bringt ein, was sie hat. „Wir haben viele Ressourcen, eine Hauptamtlichenstruktur, viele Ehrenamtliche, Gebäude, …“, meint Harms. „Die Friedenskirche ist schon lange attraktiv und reizvoll mit ihren Angeboten. Der Kulturpunkt strahlt in die Gesellschaft hinein und hat einen guten Ruf.“ So werde Kirche einfach noch ein Stück mehr in die Stadt hineinrücken. „Bei dem, was wir uns vorgenommen haben“, erklärt Harms, „kann das eher gelingen von einem zentralen Ort wie Friedenskirche und Alter Kirche, als vom Rand her.“ Quartiersarbeit – wie kann Kirche den Menschen um die Friedenskirche herum helfen. Dafür ist auch die Erfahrung der Diakonie Krefeld-Viersen notwendig. „Wir wollen für die Stadt das Beste“, sagt der zukünftige Pfarrer der Friedenskirche. Geplant ist beispielsweise eine Postkarten-Interview-Aktion. Darin soll gefragt werden, was den Menschen im Quartier fehlt, was sie sich wünschen.  Das könne ein Nähcafe sein oder Möglichkeiten zum Sitzen im Freien, oder ein Raum zum Treffen in der Kirche, oder …

Innerhalb von gut einem Jahr wurden an zentraler Stelle in Krefeld drei neue Personen in Pfarrstellen eingeführt. Mit seinen Kollegen Gerhard Herbrecht an der Alten Kirche und Falk Schöller als Citykirchenpfarrer möchte Marc-Albrecht Harms kooperieren. Bereits Anfang Juni haben Harms und Herbrecht begonnen, Konfi-Unterricht über Gemeindegrenzen hinweg anzubieten. Dieser Jahrgang von Alter Kirche und Friedenskirche umfasst 29 Konfis. „Das sind keine Zahlen wie am Stadtrand“, meint Harms, „da bin ich doppelte bis dreifache Zahlen gewohnt.“ Die Teilnahme am Unterricht entscheidet sich hier eher auf den Schulhöfen. Die Jugendlichen haben wenig Bindung zur eigenen Gemeinde. Die Gemeindegrenzen sind sehr fließend im Innenstadtbereich. Dienstags ist Konfi-Unterricht in den jeweiligen Gemeinden, gemeinsam zudem an Samstagen und in den Herbstferien geht es nach Wittenberg. Die Jugendarbeit an der Friedenskirche sowie in Alt-Krefeld ist eine offene Jugendarbeit. „Wir versuchen wieder ein bisschen kirchliche Arbeit zu machen“, betont Harms. Neben den beiden Pfarrern sind auch Jugendleiterin Konny Gurr und Monique Schlösser, eine Studentin Lehramt Ev. Religion und Biologie, in den Konfi-Unterricht eingebunden.

Über zwölf Jahre war Harms Pfarrer in Krefeld-Süd, zunächst in einer Entlastungspfarrstelle des Superintendenten (in dieser zuvor einige Jahr in Osterath), später in der eigenen Pfarrstelle. Geboren in Niedersachsen, ist der 52jährige aufgewachsen in Gahlen, im Kirchenkreis Dinslaken, an der Grenze zu Westfalen. Nach seinem Theologiestudium Münster und Bonn, war er im Probedient in St. Tönis und Anrath tätig, sowie bei der Telefonseelsorge. Im Anschluss ging er ein Jahr an die Europaschule in Willich. Harms ist verheiratet und hat zwei Töchter.

„Ich möchte mit Menschen etwas im Glauben unternehmen“, begründet Harms seine Berufswahl. „Was schon immer war, in den Blick nehmen, weitergeben und Neues ausprobieren. Den Leuten, besonders auch Jugendlichen zeigen, Ihr könnt mit neuen Ideen kommen, wir sind offen dafür.“ Dies habe er selber als Jugendlicher in seiner Gemeinde erlebt: „Normalerweise fand unsere Weihnachtsfeier immer im Gemeindehaus statt. In einem Jahr haben wir angeregt, ob diese nicht in der Kirche stattfinden könne. Die Antwort: Ok, wenn ihr aufräumt. Natürlich kannte das Presbyterium uns, aber sie waren mutig, ihre steinalte Dorfkirche dafür herzugeben. Wir erhielten den uralten Kirchenschlüssel und es wurden nur wenige Bedingungen gestellt. Es gab auch keine Uhrzeitangabe, wann die Feier am Samstag enden sollte. Klar war uns, am Sonntag um 10.45 Uhr ist Gottesdienst. Bis dahin muss alles aufgeräumt sein. Wir wollten verändern, aber eher evolutionär als revolutionär.”

Zurück zu den Konfis. 2017 hat Harms mit seinen damaligen Konfirmanden beim bundeweiten Konficamp in Wittenberg teilgenommen. Von dort hat er einige Lieder mitgebracht, wie beispielsweise “Das Privileg”, einen christlichen Rap-Song.  Den haben die Konfis geübt und bei den Konfirmationen in Krefeld-Süd als Chor gesungen. Diesen Rap werden auch die Konfis der Alten Kirche und Friedenskirche noch kennenlernen. Bei dem ersten Konfi Samstag haben die Jugendlichen bereits gemeinsam gesungen. “Das war ein tolles Erlebnis”, berichtet Pfarrer Harms. “Die Stimme von Jungen in dem Alter höre sich ja ganz anderes an, durch den Stimmbruch müssen sie sich erst wieder neu orientieren.” So habe passend Munsang Hwang, Kirchenmusiker an der Friedenskirche, mit den Jungen gesungen – und die Konfi-Teamerinnen der Friedenskirche und von Alt-Krefeld mit den Mädchen.

Pfarrer Marc-Albrecht Harms wurde am 27. Juni in der Markuskirche Fischeln aus seiner bisherigen Kirchengemeinde Krefeld-Süd verabschiedet. Am 4. Juli wird er in einem Gottesdienst um 12 Uhr in der Friedenskirche durch Superintendentin Dr. Barbara Schahn in sein neues Amt eingeführt.

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