Der Frankfurter Filmemacher Nico Eifert, hat das Portrait von Luky „Jeder hat Träume“ gedreht (Foto: privat)
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Oberhausen. Einen eindrucksvollen Einblick in ihre künstlerische Arbeit haben junge Filmemacher am gestrigen Sonntag im Oberhausener Filmpalast Lichtburg gegeben, als sie die mit je 1000 Euro dotierten Caritas-Kurzfilmpreise virtuell entgegen nahmen. Aus den unterschiedlichsten Orten der Republik waren sie der Preisverleihung zugeschaltet, während das Laudatoren-Team die preisgekrönten Filme aus dem Lichtspielhaus per Live-Stream präsentierte. Über 70 Einsendungen, von denen rund 60 den formalen Kriterien entsprachen, hatten sich der herausfordernden Überschrift „Sei gut, Mensch“ gestellt, dem Caritas-Jahresthema 2020.

Die technisch und inhaltlich durchweg brillanten Beiträge setzen einen starken Kontrapunkt zu der diffamierenden Verwendung des Begriffs „Gutmenschen“, die gerade in den letzten Monaten der Corona-Pandemie in den sozialen Medien verstärkt zu bemerken war. Darauf wies Eva Maria Welskop-Deffaa, Vorstand für Sozial- und Fachpolitik im Deutschen Caritasverband, hin, die das Grußwort des Verbandes überbrachte. „Gutmenschen machen das Leben leichter“, sagte sie und dankte den überwiegend sehr jungen Filmemachenden für ihr Engagement, „gute Aktionen“ beispielgebend zu dokumentieren oder entsprechende Inhalte in eine Spielfilmhandlung einzubetten.

Mut und Hoffnung

Dass viele Filme einen Corona-Bezug hatten, mag nicht überraschen, denn in den letzten Monaten haben zahlreiche Menschen unter Beweis gestellt, dass sie sich in der Pandemie-Situation mit Hand und Herz, mit Kreativität und Kraft für Benachteiligte und Schwache einsetzen: Das zeigt zum Beispiel die preisgekrönte Projekt-Dokumentation „Chalky loves Don“ von Franziska Schissler und Dominik Grasheu. Mit Malkreide zogen sie los und schrieben Mut machende Botschaften auf die Straßen ihres Heimatortes Donauwörth. Viele Passanten sahen ihnen bei der Arbeit zu und unterstützten sie, indem sie sich selbst dazu animieren ließen, zur Kreide zu greifen und mitzumalen. Franziska Schissler: „Das waren ganz bewegende Erfahrungen, die uns als Projektmacher Mut und Hoffnung gegeben und letztlich dazu geführt haben, dass sich das Projekt immer weiter entwickelt hat.“

Auch der Film „Lebenszeit“ des Münchners Matthäus Wöhrle ist nicht ohne Auswirkungen auf den Regisseur geblieben. Er drehte auf der Palliativ-Station eines Krankenhauses einen beeindruckenden Film über Leben und Sterben und die Arbeit der auf der Station Beschäftigten. „In den Monaten der Vorbereitung habe ich wertvolle Erfahrungen machen dürfen, die mich sehr bewegt haben“, meint Wöhrle im Rückblick auf seinen in Schwarz-Weiß gedrehten Film.

Weitere Auszeichnungen

Neben den vier Hauptpreisen wurden zehn weitere Filme – vorwiegend Projekt-Dokumentationen – ebenfalls ausgezeichnet, die nachahmenswerte Sozialaktionen vorstellen – von Gutmenschen eben. Diese Filme erhielten ein Preisgeld von je 300 Euro. Nur zu gerne hätte man der Veranstaltung den festlichen Rahmen gewünscht, den sie verdient hat: mit rotem Teppich, Sekt und After-Show-Party. Vielleicht ist das wieder möglich, wenn die Preisverleihung für den nächsten Caritas-Kurzfilm-Wettbewerb ansteht.

Von den vier Hauptgewinner-Filmen sind „Chalky loves Don“ von Franziska Schissler und Dominik Grasheu und „Jeder hat Träume“ von Nico Eifert ab Montag, 5. Juli, auf der Homepage https://gutmensch-filmwettbewerb.de/ zu sehen.

„Jesus Christus“ und „Lebenszeit“ sind noch in anderen Wettbewerben vertreten und können vorerst nicht veröffentlicht werden.

Außerdem sind auf der Website folgende Projektfilme zu sehen:

  • “Antonia”
  • “Caritas Contra Corona”
  • “Dich schickt der Himmel”
  • “Ein Fisch an Land”
  • “Garten-Konzerte” im Caritaszentrum Rheydt
  • “(Gut)Mensch”
  • “Mission Possible – Nothing is Impossibe”
  • “Stell Dir vor”
  • und “Was gibt`s heute?” zu sehen

 

Hintergrund: Die Gewinnerfilme – das meint die Jury

„Chalky loves Don“ von Franziska Schissler und Dominik Grasheu

Sommer 2020, das öffentliche Leben erstarrt im Lockdown. Die Welt steht still, Angst und Verunsicherung sind groß. Aber das ist kein Hindernis, sondern eine Herausforderung für Franziska Schissler (Idee) und Dominik Grasheu (Kamera). Sie ziehen mit etwas Malkreide los und setzen Zeichen in ihrer Stadt Donauwörth. Was zunächst eine spontane Idee ist, mit der Franziska Schissler Corona etwas Positives entgegensetzen und sich selbst etwas Gutes tun möchte, wächst sich über den Sommer zu einem sozialen und politischen Projekt aus.

Den öffentlichen Raum „Straße“ entdecken Franziska Schissler und Dominik Grasheu als sozialen Ort wieder und stellen Gesprächsanlässe her – wenn sie zum Beispiel auf die Straße malen: „Es ist ein Riesenunterschied, ob Menschen mit dem Kopf oder mit dem Herzen leben“. Die Straße zu einem Seniorenheim wird ebenso für Mut machende Botschaften genutzt wie eine Brücke über die Donau.

Das schafft Gesprächsanlässe und Begegnungen. Die Bewohner des Altenheims haben etwas zu gucken und kommen ins Gespräch mit jungen Leuten, die sie sonst nicht getroffen hätten. Sogar Mitmachen ist möglich in einer Infektionssituation, in der soziale Kontakte auf ein Minimum reduziert werden und die Distanz zum Anderen zur Konstante in unserer Gesellschaft wird.

So zeigen Franziska Schissler und Dominik Grasheu, wie man aus einer Situation, in der wir uns alle noch nie befunden haben, mit wenigen Mitteln ein kraftvolles Signal setzen kann.

„Jeder hat Träume“ von Nico Eifert

Jede und jeder kennt diesen Moment zwischen Traumwelt und Wachwerden, wenn man sich noch fragt, ob das, was man gerade gesehen hat, tatsächlich passiert ist oder doch nur ein Traum war. Und immer wieder wünscht man sich, dass der Traum Realität wäre. Häufig handelt es sich dann um Utopien, Dinge, von denen wir wissen, dass sie so nie eintreten werden.

Der Frankfurter Designstudent Nico Eifert macht das in seinem Film „Jeder hat Träume“ etwas anders. Es scheint, als zeige er uns eine Hochglanzwerbung für ein Sterne-Restaurant. Das Gemüse wird in der Pfanne geschwenkt, das Filet brutzelt auf dem Grill und filigran wird der Teller angerichtet. Die Kamera richtet sich auf die Details, zeigt alles in satten warmen Farben. Man möchte diesen Teller vor sich stehen haben und den Duft der Rosmarinkartoffeln riechen. Und man fragt sich, wer diese Speisen so elegant zubereitet. Die Auflösung kommt schneller als erwartet: Es ist Luky, 19 Jahre alt, ein junger Mann mit Down-Syndrom.

Nico Eifert spielt gekonnt mit unserer Erwartungshaltung. Er baut in seinem gerade einmal einminütigen Spot einen Spannungsbogen auf und führt ihn dann zu einem überraschenden Ende. Trotz seiner Kürze gelingt es dem Film, die Zuschauer/-innen zum Nachdenken anzuregen. Darüber wie Träume wahr werden können – für alle Menschen – ohne Ausnahme. „Jeder Mensch hat Träume“, das ist wahr. Es ist an uns allen, Luky und alle Menschen mit Behinderungen dabei zu unterstützen, ihre Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Ganz nach dem Motto: „Sei gut, Mensch!“ und handle auch danach.

„Jesus Christus“ von Roman Toulany

Der dritte Hauptpreis geht an eine kleine, bescheidene Weihnachtsgeschichte, die gesellschaftliche Probleme anspricht und von Einsamkeit im Alter erzählt. Der warmherzige Kurzfilm zeigt, was es ausmacht, auch im Kleinen ein guter Mensch, ein Gutmensch zu sein. Manchmal reicht es, jemandem ein Lächeln zu schenken, eine warme Schokolade oder ein offenes Ohr, um Sorgen und Nöte für einen Moment vergessen zu lassen. Gemacht von und fürs Herz und für die Mundwinkel und gleichzeitig ein Zeichen gegen Rassismus.

Der berührende Film ist ohne nennenswerte Mittel entstanden, rein aus der Motivation heraus, das Gute im Kleinen zu aufzuzeigen. Dabei bedienen sich die Filmschaffenden an ruhigen, unaufdringlichen Bildern, die den Blick auf die Geschichte und ihre beiden Protagonisten lenken. Der dritte Gutmensch-Filmpreis geht an den Film „Jesus Christus“ des Berliner Filmemachers Roman Toulany.“

„Lebenszeit“ von Matthäus Wörle

Warum berührt der Film „Lebenszeit“ auf außergewöhnliche Weise? Es sind nicht nur die Bilder, die Erzählung über das Leben und Sterben oder die präzisen Aussparungen darin. Außergewöhnlich ist die genaue Beobachtung des Alltags in Krankenhäusern, die der Münchener Matthäus Wörle und sein Team den Zuschauer/-innen durch die präzisen Schwarz-Weiß-Bilder zeigen.

Der Blick der Kamera ist konzentriert. Unaufdringlich richtet er sich auf das Wesentliche, und das kann in einem Krankenzimmer durchaus eine Vase mit Tulpen sein. Durch die eine kluge Parallelmontage wird seine Sicht auf die Arbeit der Pfleger/-innen und Putzkräfte spürbar. Ohne jede Bewertung. Ohne Pathos.

Wie beiläufig wirft der Film dabei auch die ganz großen Fragen auf – wie steht es um die Palliativmedizin, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod, die Arbeit in den Krankenhäusern? Durch die nüchternen Bilder wird niemand auf die Idee kommen, für die Pflegenden zu klatschen, die Frage nach den Arbeitsbedingungen und der gesellschaftlichen Relevanz stellt sich aber schon. Zurück bleiben: Ein leeres Krankenhausbett und eine Vase mit frischen Tulpen. Das hat uns sehr berührt.

Die sehr persönliche, feinfühlige und authentische Erzählweise des jungen Filmemachers möchten wir ausdrücklich hervorheben.

Der „Sei gut, Mensch!“ Kurzfilm-Wettbewerb wird gefördert von der Lotterie Glücksspirale, von der Bank für Sozialwirtschaft, vom Lambertus Verlag und der Caritas-Stiftung im Bistum Essen. Partner sind die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, das Essener Video Rodeo und der Filmpalast Lichtburg in Oberhausen. Veranstalter sind der Deutsche Caritasverband und der Caritasverband für das Bistum Essen. Der Kurzfilmwettbewerb „Sei gut, Mensch!“ ist der zweite Caritas-Kurzfilm Wettbewerb. 2018 hatte die Caritas bereits einen Film-Wettbewerb unter dem Titel Wohn(t)raum zum damaligen Jahresthema „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ veranstaltet. Damals wurden 26 Filme eingesandt.

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