Im Frühförderzentrum der Caritas übt Alexander, sich ohne seinen „Rolli“ fortzubewegen. Der Fünfjährige und Heilpädagogin Sylvia Rütten verstehen sich gut (Foto: Caritasverband)
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Mönchengladbach. Seit gut 50 Jahren unterstützt die Frühförderung des Caritasverbandes Region Mönchengladbach kleine Kinder mit Behinderung. Oft machen sie erstaunliche Fortschritte – wie der fünfjährige Alexander.

Alexander ist ein Wunschkind. Der Fünfjährige mag für sein Leben gern Räucherlachs zum Frühstück, spielt „Mensch-ärgere-dich-nicht“ und „Lotti Karotti“ und ist einfach „ein ganz liebevoller Mensch“, wie seine Mutter Miriam Rabe (38) erzählt.

Gerade muss sich Alexander ziemlich anstrengen. Mit seinen Armen zieht er sich drei Stufen hoch und weiter über eine schmale Bank. Um den von Heilpädagogin Sylvia Rütten aufgebauten Parcours zu bewältigen, braucht der Junge viel Konzentration und Kraft, und das sieht man ihm jetzt auch an. Alexander kann seine gering ausgebildeten Beine nicht bewegen. „Die Nervenbahnen reichen nicht“, erklärt seine Mutter. Ihm fehlen zehn Wirbel, sein Becken ist unterentwickelt. „Bis zur Geburt wussten wir nicht, dass unser Sohn eine Behinderung hat“, sagt Miriam Rabe. Sie erinnert sich, was der Arzt im Krankenhaus nach der Entbindung zu ihr sagte: „Sie haben ein Kind mit einem seltenen Syndrom.“

Die ersten zweieinhalb Wochen seines Lebens lag Alexander auf der Intensivstation des Elisabeth-Krankenhauses in Rheydt. Wegen einer Darmeinklemmung wurde er später in der Uniklinik Aachen notoperiert – es war die erste von mehreren Not-OPs, die er über sich ergehen lassen musste. Über das Sozialpädiatrische Zentrum (SPZ) des „Eli“ kam die Familie zur Frühförderung des Caritasverbandes, da war Alexander ein knappes Jahr alt. „Er hat lange nicht gesprochen, vermutlich weil er für sich erst einmal eine Art der Fortbewegung finden musste“, berichtet Sylvia Rütten. Mit zwei Jahren bekam er einen Rollstuhl. „Er hat den Rolli schnell angenommen“, sagt die Heilpädagogin, die jetzt für Alexander einen Slalom-Kurs aufgebaut hat. „Wir üben, damit du demnächst in den Sportverein zum Rolli-Sport kannst“, erklärt sie ihm. Zu den wöchentlichen Therapiestunden fährt sie häufig in die Kita Mittendrin, die der Junge inzwischen besucht.

Alexander ist eines von mehr als 200 Kindern im Alter von null bis sechs Jahren, die jedes Jahr im Frühförderzentrum Rheydt der Caritas unterstützt werden. Es sind Mädchen und Jungen mit Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsverzögerungen oder jeglicher Form von Behinderung. Mit spielerischen Maßnahmen fördern die Heilpädagoginnen der Caritas beispielsweise die Wahrnehmung der Kinder, die kognitiven und motorischen Fähigkeiten, die Kommunikation und die Selbständigkeit. Um weitere therapeutische Maßnahmen, etwa Physiotherapie oder Logopädie, interdisziplinär durchführen zu können, arbeitet das Caritas-Frühförderzentrum mit Kooperationspartnern zusammen. Dazu gehören der Verein Menschen im Zentrum und die sprachheilpädagogische Praxis Palm-Bauer.

Seit 1970 kümmert sich die Frühförderung des Caritasverbandes um kleine Kinder. Das 50-jährige Bestehen im vergangenen Jahr konnte wegen der Pandemie nicht wie geplant gefeiert werden. Ohnehin hatte Corona große Auswirkungen auf die Frühförderung. Zeitweise konnte die Einrichtung nur eingeschränkt oder sogar gar nicht arbeiten. Hinzu kam, so Leiterin Sabrina Baumann: „Kinder mit Behinderung oder Entwicklungsverzögerung sind von den Folgen der Pandemie stärker betroffen. Wo die Mimik des Gegenübers beruhigen oder begeistern konnte, fanden sich plötzlich Masken. Wo Berührungen sonst Annahme und Sicherheit vermittelten, musste Abstand gewahrt werden.“

Caritas-Geschäftsführer Frank Polixa weist auf die besondere Bedeutung des Frühförderzentrums hin: „Wir möchten als Caritas dazu beitragen, dass Kinder ihre Potenziale voll entfalten und selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben können.“ Der Bedarf sei in den vergangenen Jahren gewachsen. „Mit der Frühförderung, dem Caritas-Kindergarten und der Paul Moor-Schule sind wir als Caritas in der Lage, Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf von ihrer Geburt an bis zum Eintritt ins Berufsleben gut und kompetent zu betreuen“, erklärt Dr. Christof Wellens, Vorsitzender des Caritasverbandes.

Miriam Rabe ist sehr froh, dass es die Frühförderung gibt: „Es ist erstaunlich, welche Fortschritte Alexander gemacht hat und was er jetzt alles kann. Das hätten wir uns am Anfang nicht vorstellen können.“

Info

Geschichte: Als Geburtsstunde der Frühförderung gilt die Gründung einer „Kleinkind-Ambulanz“ im Jahr 1970. Das war ein zusätzliches Angebot der „Tagesbildungsstätte für das geistig behinderte Kind“, die der Caritasverband unterhielt und aus der auch die Paul Moor-Schule und der Caritas-Kindergarten hervorgingen. Leiter Rudolf Krumm und seine Frau Marianne waren schon damals davon überzeugt, dass behinderte und von Behinderung bedrohte Kinder nicht früh genug gefördert werden können.

Umzug: Ende Juli ist das Frühförderzentrum Rheydt von der Dahlener Straße in einen Neubau an der Urftstraße 265 gezogen.

Kontakt: Tel. 02166 9751672, E-Mail: fruehfoerderung@caritas-mg.de

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