(Foto: Ingo Kramarek)
Anzeigen

Dinslaken. Erneut organisierte die Bürgerhilfe Dinslaken e.V. Hilfe, um betroffenen Familien in den Flutgebieten zu helfen

Diesmal ging es um Möbelspenden, die dort vor Ort dringend benötigt wurden. Eine Familie aus Euskirchen meldete sich bei der Bürgerhilfe Dinslaken und erzählte von der aktuellen Situation, in der sich die Familie befand. Sie haben fast ihr gesamtes Inventar verloren. Bis auf ein paar kleinere Habseligkeiten sind Betten, Sofas, Sessel, Stühle und Tische nicht mehr benutzbar. Nicht nur das Wasser hat dem Inventar zugesetzt, vor allem ist es der Schlamm, der mit dem Wasser kam. Als das Wasser dann zurück ging, blieb der Schlamm und der beißende Geruch im Haus und in den Möbeln.

Die Familie hatte gehört, dass die Bürgerhilfe Dinslaken e.V. sich um Betroffene der Flutkatastrophe kümmern würde. Die Bürgerhilfe war dort schon ein Begriff, erfuhr Marina Thümer, 1.Vorsitzende des Vereins der Bürgerhilfe Dinslaken, im Gespräch.

In mehreren Gesprächen mit der betroffenen Familie erfuhr Thümer, was noch dringend benötigt wurde. Thümer organisierte und koordinierte einen Hilfskonvoi, der an einem Wochenende nach Euskirchen und nach Bad Neuenahr-Ahrweiler fuhr. Auch in Bad Neuenahr war die Bürgerhilfe mittlerweile bei vielen Betroffenen bekannt.

Als eine Woche später der LKW bei der betroffenen Familie in Euskirchen ankam, war die Freude und die Hoffnung auf ein halbwegs normales Leben groß. Das Ehepaar ist über 70 Jahre alt und lebte vor der Flut in einem schönen Haus mit Garten und einem großen Teich. In dem Haus daneben, lebte der Bruder, der zur Zeit der Katastrophe im Krankenhaus lag.

Auch das Haus des Bruders wurde durch die Wassermassen erheblich beschädigt. Der Wintergarten wurde komplett zerstört, die Haustüre ist nicht mehr verschließbar und hängt total verdreht in den Zargen. Die Möbel waren nicht mehr zu retten und die Wohnung stand bei der Ankunft der Dinslakener bereits komplett leer. Der Bautrockner lief schon seit Tagen und an Renovierung war noch nicht wirklich zu denken. Dennoch kam der Bruder wenige Tage nach der Katastrophe aus dem Krankenhaus und traute sich gar nicht nach Hause, weil er wusste, dass er fast alles verloren hatte.

Bis die Versicherungen evtl. zahlen, werden noch Wochen vergehen. Selbst wenn schneller gezahlt würde, wird es noch Wochen oder Monate dauern, bis die Handwerksfirmen die Aufträge vor Ort abarbeiten können. Zu groß ist dort der Bedarf an Handwerkern. Viele von Ihnen sind ja auch selber von den Wasserfluten betroffen und haben fast alles verloren.

Von Wohnzimmerschrank bis hin zu Bildern über Waschmaschine und Mikrowelle war alles dabei. Marina Thümer hatte das alles in wenigen Tagen mit viel Herz und vielen Unterstützern organisiert und Sachspenden von verschiedenen Haushalten aus Dinslaken und Umgebung gesammelt. Der LKW wurde von einer Firma nebst Fahrer zur Verfügung gestellt. Zwei Sprinter hatten eine komplette Einbauküche an Bord und auch gleich die passenden Helfer für die Montage. Auch ein Privatwagen mit großem Anhänger wurde für den Möbeltransport genutzt. „Für die Familie in Euskirchen hatten wir eine komplette Wohnungseinrichtung an Bord des LKWs. Als der Bruder aus dem Krankenhaus kam, fand er wenigsten eine Sitzgelegenheit, Tisch, Stühle, eine Küche und ein Bett vor.“

Insgesamt war die Bürgerhilfe in drei Gruppen in der Region unterwegs. Während die erste Gruppe den LKW in Euskirchen entlud, der tags zuvor schon beladen wurde, war eine zweite Gruppe noch unterwegs um eine Küche zu demontieren und in zwei Sprinter zu verladen. Die dritte Gruppe belud in Dinslaken einen Anhänger mit Möbeln für ein betroffenes Rentnerpärchen in Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Als der LKW in Euskirchen leer war, konnte der Fahrer ins wohlverdiente Wochenende entlassen werden und zurück nach Dinslaken fahren. Die Helfer verblieben noch in Euskirchen und warteten auf die beiden Sprinter mit der Einbauküche. Die Zeit des Wartens nutzten sie, um mit der betroffenen Familie zu frühstücken. Brötchen, Käse, Wurst, Getränke, alles hatten sie dabei. So saßen alle gemeinsam vor dem Haus und haben der Familie zugehört, wie sie bewegt vom Tag der Katastrophe erzählte. Die Verabschiedung in Euskirchen war sehr herzlich, und dass ein oder andere Tränchen war nicht zu halten.

Voller Zufriedenheit und hoch motiviert stiegen die Helfer:innen in die Autos und machten sich auf nach Bad Neuenahr-Ahrweiler, das ca. 40 Km von Euskirchen entfernt liegt. Die Straßen waren relativ frei, so dass die Helfer:innen etwas zu früh in Bad Neuenahr ankamen und somit noch etwas Zeit fanden, sich dort umzusehen.

Sie gingen in Richtung Ahr und je näher sie dem kleinen Fluss kamen, desto verheerender sah es dort aus. Häuser waren total zerstört, Gehwege weggerissen, Fahrbahnen aufgerissen und überall lagen Schuttberge, Autos, Fahrräder oder sonstiger Hausrat. Und je nach Windrichtung hing ein Geruch von Fäkalien oder ein süßlicher Geruch von Verwesung in der Luft. Es kamen ihnen Menschen entgegen, die voller braunen Schlamms und völlig erschöpft waren. Trotzdem grüßte man freundlich einander zu. „Auch wenn es die Menschen hier schwer getroffen hat, halten alle zusammen und jeder hilft jedem. Die Leute kommen teilweise von weit her, um hier freiwillig den betroffenen Anwohnern zu helfen“, sagt Andreas van Laak, ehrenamtlicher Helfer der Bürgerhilfe Dinslaken, der bereits schon mehrfach in der Krisenregion zum Helfen war.

Autos lagen in der Gegend rum, Schutt wurde mit unzähligen LKW aus der Stadt gefahren, Helfer und Fahrzeuge vom THW waren im Dauereinsatz, die Bundeswehr war mit schwerem Gerät im Einsatz, unzählige Traktoren fuhren durch die Straßen und waren überall mit dabei, Hubschrauber waren in der Luft und Abbauhämmer dröhnten ununterbrochen.

Menschen begegneten sich, kleinere Gruppen liefen von Haus zu Haus und boten Ihre Arbeitskraft als Hilfe an. An einer Kreuzung wurde eine Bäckerei als Ausgabe für Getränke und andere Lebensmittel umfunktioniert. Hier konnten sich betroffene Anwohner:innen aber auch Helfer:innen kostenlos mit Essen und Trinken versorgen. Gegenüber auf der anderen Straßenseite, wurde kostenlos warmes Essen verteilt.

Die Fahrzeuge, die dort in den Straßen standen oder durch den Ort fuhren, hatten fast alle ortsfremde Kennzeichen. Es waren überwiegend freiwillige Helfer:innen aus allen möglichen Orten der Republik hier um mit anzupacken.

Auch in Bad Neuenahr waren die Menschen, trotz der schweren Lebenssituation, fürsorglich und unterstützend für einander da. Die Hilfsbereitschaft war einfach überwältigend. So wurde dort von einer Familie erzählt, dass man dort schon seit Tagen ohne Strom und fließend Wasser lebe. Nicht alle Häuser der Straße seien gleich schwer betroffen. Die Häuser weiter oben, hatten mehr Glück. Ein älterer Herr, der schon weit über 80 Jahre alt ist, kommt jeden Morgen mit mehreren Thermoskannen voll Kaffee die Straße runter und verteilt den Kaffee an die Haushalte, die ohne Strom und Wasser sind.

Auf der anderen Straßenseite fegte ein junger Mann vor einem Mehrfamilienhaus den Gehweg sauber. Auf der Mauer, neben der Einfahrt, saß eine schwangere Frau und spielte mit ihrer kleinen Tochter, die ca. 4 Jahre alt ist. Eine junge Familie, wie aus dem Bilderbuch. Das Haus, vor dem der junge Mann fegte, ist unbewohnbar. In dem Haus hatte die Familie wohl noch ihr ganzes Hab und Gut. Aber sie durften das Haus nicht betreten. Zu groß sei wohl die Gefahr, dass es einstürzt. So hielten sie sich täglich mehrere Stunden vor dem Haus auf und hatten so das Gefühl zuhause zu sein. Sie wussten nicht, wohin sie gehen sollen und wie es überhaupt weiterginge.

Eine ältere Dame kam mit einer Schubkarre voller Schutt die Straße entlang. Sie lief sehr langsam und die Schubkarre wog schwer in ihren Händen. Plötzlich hielten zwei Autos an. Aus dem einen Wagen sprangen drei junge Frauen und aus dem anderen Wagen kamen auch zwei junge Leute. Alle gingen zu der älteren Dame und boten ihre Hilfe an. Die ältere Dame lächelt dankbar, lehnte aber die Hilfe ab. Sie und Ihr Mann würden es schon schaffen, sagte die ältere Dame. Aber die jungen Frauen ließen nicht locker und begleiteten die ältere Dame zurück zum Haus, um dort zu helfen.

Die beiden anderen Helfer ließen ihr Auto stehen und gingen zu Fuß mit Arbeitszeug die Straße runter, um dort ihre Hilfe anzubieten. In einem Haus stand ein älterer Herr und kippte einen Eimer mit Schutt, aus den nicht mehr vorhandenen Fenstern, aus. Die jungen Leute blieben stehen und fragten den Mann, ob sie helfen könnten. Der Mann lehnte ab mit den Worten „Vielen Dank. Aber ich komme schon klar. Andere brauchen mehr Hilfe als ich.“ Die jungen Leute fragten erneut nach, nach dem sie kurz miteinander gesprochen hatten. Der Herr lehnte erneut ab. Erst nachdem die jungen Leute ein drittes Mal nachfragten, nahm der ältere Herr unter Tränen die Hilfe an. Die jungen Leute gingen ins Haus und packten mit an. Eine Gruppe mit weiteren Helfern kam nach ein paar Minuten an das Haus und fragte nun die jungen Leute, die die Eimer aus dem Fenster kippten, ob sie noch Hilfe benötigten. Einer der jungen Helfer antwortete: „Ja, sehr gerne. Hier gibt es noch viel zu tun.“

Als die Helfergruppen der Bürgerhilfe Dinslaken e.V. an dem Abend wieder nach Hause fuhren, waren sie froh und glücklich dort geholfen zu haben. Sie waren aber auch erschüttert über das Ausmaß der Katastrophe. Alle Helfer:innen waren sich aber auch einig, dass das nicht die letzte Tour in die betroffenen Regionen war. „Wir versuchen auch weiterhin die Leute dort mit Möbeln und andere dringend benötigten Dinge zu versorgen. Die nächste Tour ist bereits in Planung. Wer sich uns anschließen möchte, kann sich gerne bei der Bürgerhilfe Dinslaken e.V. melden“, sagt Marina Thümer.

Beitrag drucken
Anzeige