Wie eine große Familie: Die Ehrenamtlichen der Gemeinde St. Vincentius Dinslaken und die afrikanischen Frauen aus dem Chor „good vibes only“, der für Toleranz und ein gutes Miteinander steht (Foto: Martin Büttner)
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Dinslaken. Geflüchtete Frauen schöpfen Kraft aus der Musik

Dieser Mittags-Impuls in der Herz-Jesu-Kirche Dinslaken-Oberlohberg hat es in sich. Neun afrikanische Frauen, unterstützt von zwei Background-Sängern und einem Pianisten, singen sich die Seele aus dem Leib, rufen zu Gott, bitten ihn um Halt, Trost und Heilung. In schicker Abendgarderobe, aufwendig frisiert, mal mit starken Gesten, dann wieder mit ruhigen Bewegungen groovt sich der Chor „good vibes only“ durch seine Darbietung nigerianischer Traditionals, Gospels und Lobpreis-Songs.

Jennifer Michel Edokpolor gibt die Lieder an. Die 44-Jährige gehört zu den Ältesten, die sich in dem Chor, der eine ganz besondere Geschichte hat, engagieren: „Uns ist es wichtig, etwas zurückzugeben. Wir wollen die Menschen mit unserer Musik glücklich machen. Wir sind dankbar, in Deutschland sein zu können“, sagt sie nach dem Konzert. Die Frauen sind größtenteils vor sexueller Gewalt und Verfolgung aus Nigeria und anderen afrikanischen Staaten nach Deutschland geflüchtet. Die Übergangseinrichtung „An der Fliehburg“ der Stadt Dinslaken in Trägerschaft der Caritas Dinslaken-Wesel für geflüchtete Menschen ist momentane Heimat der meisten Frauen von „good vibes only“.

Der Name des Chores, der übersetzt etwa bedeutet „Nur Gutes“, kommt nicht von ungefähr: „Die Frauen haben alle ihr Schicksal zu tragen“, sagt Käthi Klein. Sie ist Sprecherin des Flüchtlingsprojekts der Kirchengemeinde St. Vincentius Dinslaken, in dem sich seit 2015 etwa zehn Ehrenamtliche der Gemeinde um die Menschen in der Fliehburg kümmern. Viele der Geflüchteten tragen Verletzungen an Körper und Seele, sind traumatisiert, wollen nicht über das Erlebte sprechen und sind in therapeutischer Behandlung. „Einige sind der Zwangsprostitution entkommen, andere mussten als Hausmädchen in sklavenähnlichen Verhältnissen für ihre Schlepper arbeiten“, beschreibt Käthi Klein die Schicksale der Frauen, von denen viele alleinerziehend sind. Im Übergangsheim können sie nur warten – auf eine ungewisse Zukunft: „Menschen, über deren Asylantrag noch nicht entschieden wurde, leben in einer sehr schwierigen Situation. Als Flüchtlinge dürfen sie keine Arbeit aufnehmen und keine Sprachkurse besuchen, bis ihr Status geklärt ist. Sie haben keine Perspektive.“

Auch aus diesem Grund trafen sich die Frauen 2019 erstmals und haben angefangen zu singen, berichtet Klein. Die Intensität der Stimmen und die Emotionalität der auf Nigerianisch vorgetragenen Songs habe sie nachhaltig beeindruckt: „Die Frauen schöpfen Kraft aus ihrer Musik“, so Klein. Barthel Kalscheur, der leitende Pfarrer der Gemeinde, hat die Initiative von Beginn an unterstützt. Für ihn ist es entscheidend, dass die Frauen positive Erfahrungen machen können: „Es ist ein schwieriger Punkt in der Flüchtlingshilfe, dass sich die Menschen als Bittsteller fühlen. Durch so ein Projekt bekommen sie ihre Würde zurück.“

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