Sandra Franz, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle, in der Ausstellung "Die Kommissare" (Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Dirk Jochmann)
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Krefeld. Die „Stunde Null” im Mai 1945 suggeriert einen Wende- oder Schlusspunkt im damaligen Deutschen Reich: Der Zweite Weltkrieg in Europa ist beendet und die Nationalsozialisten sind entmachtet. Für zahlreiche Akteure im NS-Staat bedeutete das Ende der Diktatur jedoch nicht das Ende ihrer beruflichen Karrieren – im Gegenteil. In der NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld wird in der aktuellen Ausstellung „Die Kommissare. Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr 1920-1950″ eine Berufsgruppe vorgestellt, die in ihrer Mehrheit eine Kontinuität von der Weimarer Republik, dem Nationalsozialismus in die Bundesrepublik aufweist. Diese Kontinuität gilt nicht nur für Personen, sondern auch für rassistisch geprägte Ermittlungsmethoden.

Zeit des Nationalsozialismus: Kriminalpolizei war an Verbrechen beteiligt

In der Bundesrepublik hielt sich lange die Vorstellung, die Kriminalpolizei habe während der Zeit des Nationalsozialismus nur die „wahren” Verbrecher gejagt und sich damit grundlegend anders verhalten als Gestapo oder Schutzpolizei. In der Ausstellung wird anhand mehrerer Text- und Grafiktafeln die Entwicklung zu einem handelnden Akteur bei der Verfolgung und Verhaftung von Menschen dokumentiert, die außerhalb der „Volksgemeinschaft” standen. Dabei nutzte die Kriminalpolizei neue und moderne Methoden, welche einst zur Identifizierung und Ermittlung von tatsächlichen Tatverdächtigen entwickelt wurden, beispielsweise die systematische Erfassung und Personendaten, Fotos und Fingerabdrücke. Diese kamen ab 1933 dann für die gezielte und pauschale Verfolgung von Sinti und Roma, Homosexuellen und Prostituierten zum Einsatz, um diese bei „Bedarf” zu nutzen. „Die Kriminalpolizei war so massiv an den Verbrechen beteiligt”, sagt Sandra Franz, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle. Die Ausstellung konzentriert sich dabei auf Beamte der Düsseldorfer Kriminalpolizeileitstelle und deren Außenstellen an Rhein und Ruhr – auch in Krefeld. Die Rolle der Kriminalpolizei in Krefeld, aber auch der Schutzpolizei und Geheimen Staatspolizei (Gestapo) wurde bislang kaum erforscht. Das Polizeipräsidium befand sich im heutigen Hansa-Haus am Hauptbahnhof. Gesichert ist, dass unter anderem hiesige Beamte an der sogenannten „Polenaktion” beteiligt waren, der reichsweiten Deportation von rund 17.000 polnischen Juden. Sie wurden an die Staatgrenze transportiert, wo sie als Staatenlose monatelang campieren mussten. Zudem waren Krefelder Beamte bei den Einsatzgruppen hinter der Ostfront. Die Einsatzgruppen erschossen Tausende Menschen.

Das Ende des Nationalsozialismus bedeute dann in der Regel keinen Bruch für die NS-Täter, sondern ein Weitermachen bei der Kriminalpolizei, sogar in leitender Funktion. „Das rassistische Denken setzte sich fort”, so Franz. Die NS-Akten über Angehörige der Randgruppen und Verfolgten wurden weiterhin genutzt. „Es existierte nach wie vor das Bild von der guten Polizei”, sagt Franz. Die Aufarbeitung der Rolle der Polizei in der NS-Zeit begann erst vor gut 30 Jahren mit einigen Publikationen, unter anderem „Ganz normale Männer”. Der Historiker Christopher Browning beschreibt darin die Taten des Reserve-Polizeibataillons 101, das an Massenmorden und Deportationen beteiligt war.

Informationen zur Ausstellung „Die Kommissare. Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr 1920-1950″

Die von der Düsseldorfer Mahn- und Gedenkstätte konzipierte Ausstellung „Die Kommissare. Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr 1920-1950″ wird bis zum 23. Januar in der NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld, Friedrich-Ebert-Straße 42, gezeigt. Ein Besuch ist ohne Anmeldung möglich. Es gelten die jeweils aktuell gültigen Corona-Schutzbestimmungen. Der Eintritt ist kostenfrei. Die Ausstellung ist geöffnet mittwochs 9 bis 14 Uhr, donnerstags 14 bis 19 Uhr und sonntags von 13 bis 17 Uhr sowie vor Veranstaltungen. Einzeltermine für Gruppen sind möglich. Eine Buchung ist per E-Mail ns-doku@krefeld.de erforderlich. Öffentliche Führungen werden am Mittwoch, 17. November, um 18 Uhr, am Samstag, 11. Dezember, um 15 Uhr und Montag, 10. Januar, um 19 Uhr angeboten. Die Dauerausstellung ist zurzeit nicht zu sehen. Die Erstellung der umfangreichen Ausstellung wurde durch die Landeszentrale für politische Bildung NRW unterstützt und in Kooperation mit dem Landeskriminalamt NRW realisiert. Die Ausstellung in der NS-Dokumentationsstelle wurde von der Polizei Krefeld unterstützt.

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