In der Marktkirche erhielten die ersten Ehrenamtlichen ihre Beauftragung für den Dienst in der Seelsorge und zugleich ihre Abschlusszertifikate nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung (Foto: Kirchenkreis Essen/Alexandra Roth)
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Essen. Zum ersten Mal hat der Kirchenkreis Essen in einem Gottesdienst 15 ehrenamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger zum Dienst in Altenheimen und Krankenhäusern, dem Steeler Hospiz und einem Trauercafé beauftragt. Ihr Dienst beginnt Anfang Januar und umfasst mindestens zwei Jahre; bei ihrer Beauftragung am Freitagabend (17.12.) in der Marktkirche erhielten die Ehrenamtlichen zugleich auch die Abschlusszertifikate nach der erfolgreichen Beendigung ihrer einjährigen Ausbildung.

Den Ausbildungskurs „Lebensspuren begleiten – Aus- und Fortbildung in Seelsorge für Ehrenamtliche“ hatte Pfarrer Wilfried Diesterheft-Brehme, Altenheimseelsorger am Steeler Seniorenzentrum Martineum, im Jahr 2020 entwickelt; dabei konnte er auf Mittel eines Innovationsfonds zurückgreifen, mit dem die Neuausrichtung des Kirchenkreises Essen gefördert werden soll. „Die Entscheidung, die Ausbildung in Seelsorge zu absolvieren, kann mehrere Gründe haben“, erklärt Wilfried Diesterheft-Brehme. „Dazu gehören oft das Ziel, schon vorhandene Kenntnisse in der Gesprächsführung zu vertiefen, ein Interesse an spirituellen und ethischen Fragen, die Suche nach Selbsterfahrung in einer Lerngruppe, die Weiterentwicklung des eigenen Seelsorgeverständnisses und natürlich auch der Wunsch, sich im Sinne der christlichen Nächstenliebe zu engagieren.“ Doch was letztendlich auch den Ausschlag gegen hätte, die hohe Motivation der Teilnehmenden habe ihn begeistert, zieht der Theologe eine positive Bilanz des ersten Kurses – und die Resonanz auf das neue Angebot gibt ihm recht: Der erste Durchgang, der im November 2020 startete, war umgehend ausgebucht, und auch der zweite, der im vergangenen Monat begonnen hat, ist voll belegt.

Und was lernen die Teilnehmenden, was treibt sie an? „Seelsorge antwortet auf Klage und Hilfeschrei, ist Suche nach Hoffnung, Suche in der Tiefe der Verzweiflung“, erläutert Wilfried Diesterheft-Brehme. „Warum dieses Leid? Warum der, warum ich? Wo ist der liebende Gott? Wie kann das sein? Hat Gott dieses Leid geschickt?“ Seelsorge wolle Gott nicht verteidigen, so der Theologe. „Sie beschreibt Gott vielmehr als einen, der neben mir bleibt, der mich begleitet, der mich tröstet, dem ich Schmerz und Klage entgegenschleudern kann – und der dennoch bleibt. Der mich beschenkt mit seiner Gnade und Liebe. Bei dem ich mich geborgen fühlen kann, egal was geschieht.“ Die Lebensspuren von Menschen auf diese Weise zu begleiten, könne für sie selbst ein wichtiges Geschenk sein. „Zum Beispiel am Krankenbett: Da sein. Nah sein. Zuhören. Nachspüren. Begreifen. Verstehen, was die Patientin braucht. Mit Gefühl und Verstand. Zum Beispiel im Pflegeheim: In der Begegnung mit Personen mit Demenz. Nicht so viel im Reden, sondern mehr im Tun, ohne viele Worte. Mit Vorsicht und Kreativität. Sich hineinbegeben in die Geschichte. Zum Beispiel im Trauercafé einer Kirchengemeinde: Begegnungsmöglichkeiten. Ein Treffpunkt für Trauernde. Und endlich Verständnis für das Trauerchaos. Es tut so gut, zu merken, da gibt es mehrere, die das auch so spüren.“ Aber auch diejenigen, die die Seelsorge ausübten, erhielten ein Geschenk, meint Wilfried Diesterheft-Brehme: Es tue gut, für andere Menschen in einer schwierigen Situation da sein zu können und ihr Vertrauen zu spüren.

„Es beeindruckt mich, mit wieviel Freude und Dankbarkeit die Teilnehmenden beim Abschlusskolloquium auf ihre Kurstreffen zurückgeblickt haben, sagte Silke Althaus, Skriba und Mitglied der theologischen Leitung des Kirchenkreises, bei der Beauftragung. „Sie fühlen sich gut ausbildet und empfinden das als wertschätzend. Mindestens ebenso danken wir Ihnen umgekehrt für Ihre Bereitschaft, diese Aufgabe zu übernehmen und sich dafür zurüsten zu lassen. Wir danken Ihnen dafür, dass Sie Ihre Gaben und Fähigkeiten, Ihre Zeit und Ihr Wissen, Ihr Können und Ihre Liebe in unseren Kirchenkreis einbringen – weil Sie für andere da sein wollen.“

Die ersten 15 ausgebildeten ehrenamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorger werden im Alfried-Krupp-Krankenhaus in Rüttenscheid und Steele, in den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte, im Elisabeth-Krankenhaus, in der MedClin Fachklinik Rhein-Ruhr, im St. Josef-Krankenhaus Werden und St. Josef-Krankenhaus in Kupferdreh, im Steeler Seniorenzentrum Martineum, im Paul-Hannig-Heim, in der NovaVita Residenz, im Steeler Hospiz und im Trauercafé der Evangelischen Kirchengemeinde Kettwig tätig sein.

Stichwort: Die Aus- und Fortbildung „Lebensspuren begleiten“

Der Kurs „Lebensspuren begleiten – Aus und Fortbildung in Seelsorge für Ehrenamtliche“ umfasst rund 150 Stunden und erfolgt nach den Richtlinien der Evangelischen Kirche im Rheinland; neben klassischen Methoden aus der Klinischen Seelsorgeausbildung (KSA) kommen Elemente aus Kunst und Spielpädagogik zum Einsatz. Aufeinander aufbauend durchlaufen die Teilnehmenden innerhalb eines Jahres die Module „Motivation“, „Kommunikation“, „Person“, „Spiritualität“, „Ethik“, „Altenheimseelsorge“, „Krankenhausseelsorge“ und „Kreativität“; sie absolvieren ein Praktikum, das von Mentorinnen und Mentoren begleitet wird, und schließlich ein Abschlusskolloquium. In Kleingruppen werden Seelsorge-Protokolle besprochen; außerdem wird Supervision angeboten. Der Kurs ist für diejenigen, die im Anschluss mindestens zwei Jahre lang in einem selbst gewählten Seelsorgefeld des Kirchenkreises Essen tätig sind, kostenlos. Aktuell startet die Ausschreibung für die dritte Ausbildung, die im November 2022 beginnen soll. Informationen stehen im Internet auf der Homepage engagiere-dich.de.

Stichwort: Innovationsfonds des Kirchenkreises Essen

Der Ausbildungskurs „Lebensspuren begleiten – Aus und Fortbildung in Seelsorge für Ehrenamtliche“ ist eines von 21 innovativen Projekten, mit denen der Kirchenkreis Essen seit drei Jahren an seiner Neuausrichtung arbeitet. Grundlage für ihren Start ist eine neue Konzeption, die die Kreissynode 2016 beschlossen hat. Zu ihrer Umsetzung wurde ein Innovationsfonds im Umfang von 1 Million Euro eingerichtet. Gemeinden, Dienste und Einrichtungen, Gruppen und Einzelpersonen konnten sich in sechs Antragsphasen um eine Förderung von Initiativen bewerben, die sich an den Kriterien Anwaltschaft, Partizipation und Befähigung, Inklusion, Ehrenamt, Kommunikation mit neuen Zielgruppen und Milieus, Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung und verstärkte Vernetzung auf allen Ebenen orientieren.

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