Gefragter Experte: Prof. Dr. Dr. Ulrich Sprick, Psychologe und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, hilft am Alexius/Josef Krankenhaus Menschen aus schwierigen Situationen (Foto: © St. Augustinus Gruppe)
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Neuss. Psychiater Prof. Dr. Dr. Ulrich Sprick zum Umgang mit Krisen

Es ist Ende des Jahres. Eigentlich für viele Anlass genug, mit Elan und guten Vorsätzen ins neue Jahr zu starten. Doch wir stecken mitten in einer Pandemie. Was jetzt? Einer, der weiß, wie man mit Sorgen, Ängsten oder persönlichen Krisen umgeht, ist Prof. Dr. Dr. Ulrich Sprick, Chefarzt des Ambulanten Zentrums am Alexius/Josef Krankenhaus. Er kümmert sich von Berufs wegen um schwierige Situationen, in denen andere stecken. Gerade die Corona-Pandemie ist eine solche, „weil wir uns selbst machtlos fühlen und sie nicht kontrollieren können“, analysiert er. „Das löst Stress aus, und der ist psychisch und auch physisch vor allem auf Dauer schlecht.“

Mit Stress richtig umgehen lernen

In einer akuten Belastungssituation schüttet der Körper vermehrt Cortisol und Adrenalin aus, der Blutdruck steigt, der Schlaf wird schlechter, das Selbstvertrauen leidet. Das sind Alarmsignale, die zeigen, dass man dringend das Verhalten ändern muss. Bei lang andauerndem Stress ist sogar psychotherapeutische Hilfe notwendig. Damit es gar nicht so weit kommt, ist Prävention das Mittel der Wahl. „Wichtig ist, achtsam mit sich selbst zu sein und sich zu fragen: ‚Wie geht es mir? Was brauche ich?‘ Und diesen Bedürfnissen dann nachzugeben. Jeder weiß aus Erfahrung oder intuitiv selbst, was bei Stress guttut. Für die einen ist es ein heißes Bad mit dem Lieblingsduft, für die anderen Musikhören oder autogenes Training“, erklärt Sprick. Darüber hinaus hilft es, das Problem zu strukturieren und sich dabei auch Unterstützung durch das eigene soziale Netzwerk zu holen. Denn der spürbare Stress lässt nach, wenn die Kontrolle zurückkommt und man selbst wieder handlungsfähig ist. Und das kann auch unter widrigen äußerlichen Umständen gelingen.

Die positiven Dinge sehen

Oft hilft es, die Perspektive auf die positiven Dinge zu richten und aktiv zu bleiben: „Wenn ich meinen besten Freund nicht besuchen kann, schreibe ich vielleicht einen Brief und pflege so, auf ganz andere und vielleicht tiefgründigere Weise, die Beziehung“, meint Sprick und führt weiter aus: „Im letzten Jahr mussten viele auf Urlaub im Ausland verzichten. Einige haben sich dann andere Projekte vorgenommen, etwa die Wohnung renoviert oder den Keller ausgemistet. Auch das hat einen positiven Effekt auf die Psyche. Man hat selbst etwas geschafft.“

Gute Vorsätze einhalten

Ganz ähnlich verhält es sich mit den berühmten Vorsätzen fürs neue Jahr. Eigene kleine und vor allem realistische Ziele zu setzen, das führe eher zum Erfolg, als nach den Sternen zu greifen, so Sprick. Hilfreich sei es, Zwischenetappen zu erreichen. „Das ist wie beim Segeln. Wenn das Boot abdriftet, hat man am Horizont doch einen Punkt stets im Blick, auf den man zusteuern will. Und so kann man schließlich wieder auf Kurs gehen“, veranschaulicht der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Ausrutscher seien normal und gehörten dazu. „Wichtig ist, sich dann nicht entmutigen zu lassen und sich bei Erreichen eines Zwischenziels auch zu belohnen. Das hält die Motivation hoch und räumt Selbstzweifel aus.“ Und auch der Blick zurück könne helfen. Natürlich ist aktuell längst nicht alles gut, aber wo standen wir vor einem Jahr? Es gab kaum Schnelltests, die Impfungen starteten erst. „Auch das muss man einmal ins Verhältnis setzen“, sagt Sprick. „Und wenn die Belastung doch zu groß wird und man allein nicht mehr zurechtkommt, sind wir da, um zu helfen.“

 

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Tipps gegen Stress

Bereits zehn Minuten Entspannung am Tag reichen aus, um das Stresslevel merklich zu senken und für einen seelischen Ausgleich zu sorgen. Neben körperlichen Übungen, etwa Yoga oder Progressive Muskelrelaxation, gibt es auch mentale Verfahren wie Autogenes Training, Meditation oder Imagination. Wie so oft gilt auch hier: Übung macht den Meister! Der Mensch lernt durch Wiederholungen, und feste Routinen helfen langfristig, ein Verfahren zu erlernen und so besser in die Entspannung zu kommen. Einige Tipps für Übungen zwischendurch von Sporttherapeut Konstantin Shynkaruk:

  • Atem gibt Kraft: „Atmen Sie öfter am Tag mal ganz bewusst tief ein und aus. Legen Sie eine Hand auf Ihren Bauch und atmen bewusst hinein. Beim Einatmen tanken Sie Sauerstoff und gedanklich neue Energie, beim Ausatmen lassen Sie Anspannung und schlechte Gedanken los. Diese Atmung wirkt sich beruhigend auf das Nervensystem aus, hilft das Lungenvolumen zu erweitern und trainiert Zwerchfell und Zwischenmuskulatur der Rippenbögen gleich mit.“
  • Muskeln spielen lassen: „Spannen Sie verschiedene Muskelgruppen des Körpers bewusst an, um dann wieder zu entspannen:
    • Winkeln Sie beide Arme an, ballen Sie die Fäuste, spannen Sie die Armmuskulatur an.
    • Runzeln Sie die Stirn, kneifen Sie die Augen zusammen und ziehen Sie die Mundwinkel nach hinten. Dabei senken Sie den Kopf Richtung Brust, sodass auch der Nacken gedehnt wird.
    • Ziehen Sie die Schultern nach oben und die Schulterblätter zusammen. Gleichzeitig zieht der Bauchnabel nach Innen.
    • Strecke Sie die Beine aus, ziehen Sie die Fußspitzen nach oben und spannen Sie die Oberschenkel an.“

Die Spannung jeweils 10 Sekunden halten, dann 30 Sekunden pausieren und die Übung ein zweites Mal wiederholen.

Weitere interaktive Trainingseinheiten zu unterschiedlichen Themen wie Stress oder Schlafbeschwerden gibt es unter „Go Stress“ auf der Website des Alexius/Josef Krankenhauses: www.psychiatrie-neuss.de

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