Patient Amine zusammen mit seinem Vater Mahmood Elmahdauui und Karima Elbokriui, Vorstandsvorsitzende der Hilfsorganisation „Tuisa hilft“ (Foto: privat)
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Duisburg. Mit Tränen in den Augen hält Mahmood Elmahdauui seinen sechs Monate alten Sohn Amine im Arm: „Ich hätte nie erwartet, dass er diese Chance noch bekommen würde. Das Herz meines Kindes funktioniert jetzt endlich richtig. Mein Sohn hat jetzt ordentlich Appetit und kann normal leben“, freut sich der Marokkaner. Hinter seinem Sohn Amine liegt ein monatelanger Leidensweg, der ihn von Marokko über Frankfurt bis nach Duisburg geführt hat. Vom 11.12.2021 bis zum 05.01.2022 ist Amine Patient im Herzzentrum Duisburg, wo eine Herz-OP ihm das Leben rettet. Ermöglicht wurde die Behandlung durch Spendengelder der Hilfsorganisation „Tuisa hilft“.

Amine kommt im Juni 2021 in Marokko mit starken Atemproblemen auf die Welt. Er ist sehr blass, seine Gesichtsfarbe verfärbt sich blau und er hat kaum Appetit. Seine Eltern suchen mit ihm über zwei Monate lang regelmäßig Ärzte auf, die aber keine Ursache für die Beschwerden finden. Immer wieder werden Amines Eltern vertröstet und nach Hause geschickt. Schließlich wendet sich die verzweifelte Familie an die Hilfsorganisation „Tuisa hilft“.

Der erste Hoffnungsschimmer flammt auf, als über Tuisa ein marokkanischer Herzspezialist in der Stadt Fès gefunden wird. Dieser diagnostiziert bei Amine einen schweren, angeborenen Herzfehler: eine Transposition der großen Arterien (TGA) und ein großer Defekt in der Kammerscheidewand (VSD). Zwar steht die Ursache nun fest, doch Amines Familie muss weiter bangen. Eine Operation wäre zwar in Marokko möglich, allerdings kann dort die Versorgung nach der Operation nicht gewährleistet werden.

Amine soll in Deutschland operiert werden. Erste Wahl ist dafür das Herzzentrum Duisburg. Schon seit einigen Jahren arbeiten die Duisburger Ärzte mit der Tuisa-Hilfsorganisation zusammen. Bislang erhielten im Herzzentrum Duisburg viele Kinder aus dem Ausland überlebenswichtige Operationen und Behandlungen. „Uns ist wichtig, dass es nicht nur eine Klinik ist, sondern das auch Menschen dahinterstehen. Dass wir mit Menschen arbeiten, die auch das Herz am rechten Fleck haben“, erklärt Karima Elbokriui, Vorstandsvorsitzende von „Tuisa hilft“.

Spendenaufruf und bürokratische Hürden

Die Hilfsorganisation Tuisa kümmert sich um die finanziellen und organisatorischen Belange. Sie startet im Oktober 2021 einen Spendenaufruf. Für die Operation werden rund 40.800 Euro benötigt, hinzu kommen Kosten für Flug, Unterkunft des Vaters und Nachversorgung. Parallel kümmert sich Tuisa um ein Visum. Die Botschaft bearbeitet den Antrag jedoch sehr zögerlich. Es gibt Rückfragen, warum nur der Vater den Säugling begleiten will, nicht aber die Mutter. Nachweise müssen besorgt und vorlegt werden, die belegen, dass die Mutter seelisch labil ist. Sie hatte im Jahr zuvor ein Neugeborenes verloren; die Schwiegereltern sind an Corona verstorben. Eine Reise nach Deutschland ist für sie zu anstrengend.

Ausreise mit Zwischenstopp

Innerhalb kürzester Zeit kommen Spendengelder für Amine in Höhe von rund 75.000 Euro zusammen. Ein Visum für drei Monate wird schließlich ausgestellt. Anfang Dezember landet das Flugzeug mit einem sehr erschöpften Amine und seinem Vater in Frankfurt. Der Gesundheitszustand ist kritisch. Amine kommt zunächst in die Universitätsklinik Frankfurt, um sich von den Strapazen zu erholen. Zwei Tage später kann Amine in Herzzentrum Duisburg (HZD) verlegt werden. Sein Vater bezieht das Familienzimmer. Da er nur arabisch spricht, unterstützt ein Dolmetscher bei medizinischen Gesprächen. Aber auch ein Arzt aus dem HZD, der arabisch spricht, hilft beim Übersetzen.

Schwerer, angeborener Herzfehler

Die Untersuchungen im HZD bestätigen: Amine leidet an einer Transposition der großen Arterien (TGA). Dabei sind die beiden großen Gefäße, die das Herz verlassen, die Lungenschlagader (Pulmonalis) und die Körperschlagader (Aorta) vertauscht. Verbrauchtes, sauerstoffarmes Blut aus dem Körper wird von der rechten Hauptkammer nicht in die Lunge (zur Sauerstoffanreicherung), sondern wieder in den Körper gepumpt. Bei gesunden Menschen beträgt die Sauerstoff-Sättigung zwischen 95 und 100 Prozent. „Als Amine zu uns ins Herzzentrum kam, lag die Sauerstoffsättigung im Bereich bei 60 Prozent. Aufgrund des Sauerstoffmangels war eine normale kindliche Entwicklung bei Amine nicht möglich: mit seinen 6 Monaten wog er nur knapp über 3 Kilo, genauso wie nach der Geburt.

Bei Ankunft im Herzzentrum sank die Sauerstoffsättigung weiter auf lebensgefährliche 40-er Werte, so dass eine notfallmäßige Herzkatheteruntersuchung erfolgen musste“, erläutert Dr. Gleb Tarusinov, Chefarzt der Klinik für Kinderkardiologie – Angeborene Herzfehler. „Mit einem Ballonkatheter wurde eine Verbindung zwischen den Vorkammern geschaffen, die die Mischung des sauerstoffreichen Blutes mit dem sauerstoffarmen verbessert und somit den Sauerstoffgehalt im Körper erhöht. Dieser Eingriff nennt sich Rashkind-Prozedur und wird üblicherweise bei solch einem Herzfehler kurz nach der Geburt durchgeführt.“ Durch das sehr schnelle Handeln der Ärzte am Herzzentrum Duisburg konnte die Sauerstoffsättigung noch vor der großen korrigierenden Operation schon auf 80 Prozent gesteigert werden.

Lebensrettende OP kurz vor Heiligabend

Nach dem Eingriff im Katheterlabor wurde Amine von Dr. med. Michael Scheid, Chefarzt Sektion Kinderherzchirurgie und Chirurgie angeborener Herzfehler, anschließend operiert. Bei der Operation werden die Adern und die mit der Aorta verbundenen Herzkranzgefäße umgetauscht. Zusätzlich werden Trennwanddefekte zwischen den Herzkammern behoben. Die Operation verläuft ohne Komplikationen. Danach kommt Amine auf die kinderkardiologische Intensivstation. „Amine hat die Operation sehr gut überstanden und sich danach sehr gut entwickelt. Er hat in seiner Zeit auf unserer Station fast ein Kilo zugenommen. Das ist viel nach solch einem Eingriff“, erklärt der Chefarzt.

Bis Mitte Februar werden Amine und sein Vater noch in Duisburg bleiben und in dieser Zeit Untersuchungen im HZD wahrnehmen. Dann geht es zurück nach Marokko, wo Amines Mutter bislang nur über Fotos und Videos nachverfolgen konnte, wie es ihrem Baby von Tag zu Tag besser geht.

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