Empfang am Jostenhof (Foto: privat)
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Moers/Neukirchen-Vluyn. „Emotionale Momente, die man nicht vergisst“

Sie sahen müde aus, als sie auf dem Hof der Enni ankamen. Den 13 Flüchtlingen aus der Ukraine und den fünf Enni-Mitarbeitern steckte die lange Fahrt sichtlich in den Knochen. Rund 2600 Kilometer hatten die Kollegen in vier Tagen abgerissen – das war jedoch nicht zu vergleichen mit der Flucht vor Bomben und Raketen, die die Großfamilie seit Beginn des Krieges erlebt hatte. Und so war neben der Müdigkeit auch eine große Erleichterung zu spüren, als die fünf Erwachsenen und acht Kinder im Innenhof des Verwaltungsgebäudes am Jostenhof Platz nahmen. „Die ganze Tour ist sehr gut und absolut reibungslos verlaufen. Nun wollen wir der Familie helfen, in Moers Fuß zu fassen“, sagte Abfall-„Kümmerer“ Denis Zierdt, der den Hilfstransport organisiert hat.

Mit einem Lkw und einem Caddy voller Hilfsgüter sowie zwei Neunsitzern hatte sich der Konvoi in der vergangenen Woche auf den Weg ins 1300 Kilometer entfernte polnische Lubartow kurz vor der ukrainischen Grenze gemacht. Hier übergaben die fünf Familienväter die Waren, die Enni-Mitarbeiter, Unternehmen und Vereine aus der Region gespendet hatten, an das Polnische Rote Kreuz. Dies transportiert die medizinischen Hilfsgüter weiter in die Ukraine, die Lebensmittel hingegen sollten in Polen bleiben, wo täglich tausende Flüchtlinge ankommen und in Auffanglagern ausharren. „Obwohl die Situation schwierig war, war unsere Stimmung gut. Dabei gab es immer wieder Situationen, in denen wir nachdenklicher wurden. Etwa bei der Aufnahme der Flüchtlinge in einem abgelegenen Waldstück, wo sie auf uns gewartet hatten“, so Zierdt.

So brachten die Enni-Mitarbeiter in den von den Autohäusern Lauff und Minrath kostenlos zur Verfügung gestellten Neunsitzern die 13-köpfige Familie mit. Mutter und Vater mit sechs Kindern, eine Tante mit zwei Kindern und die Großeltern stammen aus der 700.000 Einwohner zählenden Stadt Zaporizhzhya in der Ostukraine. „Die Kommunikation mit ihnen war nicht einfach. Aber mit Händen und Füßen und dem Translator auf dem Handy hat es irgendwie funktioniert“, erklärt Zierdt und verrät, dass es auf der Fahrt sehr emotionale Momente gegeben habe – etwa bei der Grenzüberfahrt nach Deutschland.

Am Jostenhof erlebten die Flüchtlinge einen herzlichen Empfang. Vor Ort waren unter anderem die vier Enni-Mitarbeiter, die jeweils einen Teil der Familie bei sich aufgenommen haben. Dabei hatte der Moerser Verein „Erinnern für die Zukunft“ für fünf Dolmetscher gesorgt, die nun auch bei Behördengängen behilflich sind. Die fünf Enni-Mitarbeiter indes sind wieder im Arbeitsalltag angekommen – etwa bei der Abfallabfuhr oder in der Straßenunterhaltung. Bei ihnen hat der Hilfstransport Spuren hinterlassen. „Auf der Fahrt haben wir versucht, das Ganze möglichst wenig an uns herankommen zu lassen. Aber im Nachhinein kommt das Erlebte doch mehr raus. Ich sehe die Nachrichten nun mit anderen Augen. Die Menschen in der Ukraine brauchen unsere Hilfe. Und ich sehe es als unsere Pflicht, sie ihnen zu geben“, so Denis Zierdt.

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