(v.l.) Arbeitgeber Denis Voigt und Arbeitnehmer Cedric Jesko in der Saarner Tankstelle (Foto: Walter Schernstein)
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Mülheim an der Ruhr. In seinem ersten arbeitslosen Jahr hat der gelernte Kaufmann Cedric Jesko knapp 200 Bewerbungen geschrieben. Später wurden es weniger, vielleicht, aber aufgegeben hat er nie: „Ich war einfach der, der bei den Personalchefs immer auf dem falschen Stapel landete“, sagt der 40-Jährige. In einer Tankstelle in Saarn hat er nun eine Arbeit gefunden, die ihm Freude macht: „Das ist eine sinnvolle Tätigkeit hier – tanken muss schließlich jeder, und essen auch.“ Was er am meisten schätzt? „Den Kontakt zu den Menschen.“

Cedric Jesko ist einer von derzeit 164 langzeitarbeitslosen Menschen in Mülheim, die dank eines Gesetzes mit sperrigem Namen wieder in Arbeit gekommen sind: Das Teilhabechancengesetz ermöglicht es seit Januar 2019, den Arbeitgebenden einen Zuschuss zu bezahlen, wenn sie Arbeitnehmer*innen mit „multiplen Vermittlungshemmnissen“ beschäftigen – in den ersten beiden Jahren kann der Zuschuss 100 Prozent betragen. Zum Paket gehören Weiterbildungen (für die die Arbeitnehmer*innen) freigestellt werden müssen und ein kontinuierliches Coaching.

Für Cedric Jesko bedeutet die Betreuung ein regelmäßiges Telefonat, in dem er Sorgen und Nöte besprechen könnte (nur hat er gar keine, die Arbeit gefällt ihm sehr). Zudem macht er gerade seinen Führerschein, „damit ich auch die Spätschichten übernehmen kann“ – denn noch ist er darauf angewiesen, mit dem Bus von Saarn zu seiner Wohnung in Speldorf zu fahren. Für Arbeitgeber Denis Voigt ist es eine Selbstverständlichkeit, darauf Rücksicht zu nehmen: Cedric Jesko übernimmt bei ihm derzeit nur die Mittelschicht, hat gerade seine Arbeitszeit von fünf Stunden auf sechseinhalb Stunden täglich erhöht. Und darf sich über einen nunmehr unbefristeten Arbeitsvertrag freuen, denn Denis Voigt freut sich „auf die nächsten zehn Jahre“ gemeinsamer Arbeit: „Ich brauche Personal, das arbeiten will und das zuverlässig ist“ – für ihn zählt „die Chemie“ darum mehr als anonyme Bewerbungsunterlagen.

Das Jobcenter bemüht sich, die Stellen passgenau zu vermitteln, dazu gehört ein zweiwöchiges Praktikum im jeweiligen Betrieb. Selbst in jenen Fällen, in denen die Arbeitnehmer*innen nach der maximalen Förderdauer von fünf Jahren nicht weiterbeschäftigt werden, könne man eine positive Bilanz ziehen, so Heike Gnilka vom Mülheimer Jobcenter: „Wenn die Arbeitssuchenden sich dann neu auf dem Arbeitsmarkt orientieren, haben sie deutlich bessere Chancen.“

Das Jobcenter Mülheim möchte in diesem Jahr noch 40 weitere Menschen mit dem Teilhabechancengesetz in Arbeit vermitteln. Für interessierte Arbeitgeber*innen gibt es ein Merkblatt mit allen Details zu Fördervoraussetzungen.

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