Oberbürgermeister Thomas Westphal bei seiner Ansprache zur Ausstellungseröffnung neben Polizeipräsident Gregor Lange (l.) und den Ausstellungsinitiatoren Andrea Wommelsdorf und Burkard Knöpker (Foto:Hinz/Stadt Dortmund)
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Dortmund. Tiefe Blicke, denen man kaum ausweichen kann. Markante Porträts ausdrucksstarker Menschen auf tiefschwarzem Hintergrund. Das Leben schreibt skurrile, ernste, lustige, unvorhersehbare, traurige, bewegende Geschichten. Und das sieht man den charakterstarken Gesichtern der Protagonisten der vom 6. bis zum 27. Mai in der Dortmunder Berswordthalle gastierenden Ausstellung „Der Mensch dahinter“ auch an. Im positiven Sinne. Sie zeigen ihr Gesicht, das ebenso individuell ist wie ihre eigene Lebens- und auch Berufsgeschichte.

Vier „Dortmunder Gesichter“ haben sich bei einem Termin im Polizeipräsidium Dortmund von den Initiatoren dieser wichtigen Aktion für mehr Vielfalt und Toleranz ablichten lassen:
– Anja Kanis vom Dortmunder Ordnungsamt
– Maria Frenking vom Kommunalen Ordnungsdienst
– Polizistin Natascha Hanke
– Feuerwehrmann Andreas Helmecke

In ausführlichen, rund 60-minütigen Interviews haben sie sich dem Initiatoren-Quartett gegenüber geöffnet und sie an ihren Gedanken teilhaben lassen. Sie wollen zeigen: WIR – sind „der Mensch dahinter“. Und WIR – wollen mehr Toleranz und Respekt für unsere Arbeit. Denn wie kann es sein, dass Einsatzkräfte im beruflichen Alltag immer häufiger angegangen werden, dass die Hemmschwelle für mitunter massivste Auseinandersetzungen immer weiter sinkt? Dass Beleidigungen oftmals eher die Regel sind als die Ausnahme?

Ausschreitungen führten zur Idee der Wander-Vernissage
Diese Frage trieb auch Andrea Wommelsdorf um. Sie ist die Frau, der in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 2020 die Idee zu dieser Wander-Vernissage in den Kopf kam. Damals gab es in Stuttgart heftige Ausschreitungen im Rahmen einer Versammlungsauflösung. Ein Video, in dem ein Demonstrant einem Polizisten mit ungeheurer Wucht in den Rücken sprang, zeigte eine neue Dimension unverhohlen zur Schau gestellter Gewalt. „Auf einmal hatte ich diese Vision“, sagt Andrea Wommelsdorf zu ihrem Aha-Moment bezüglich der Ausstellung und erinnert sich: „Ich möchte diese Menschen, die so wichtige Arbeit für unsere Gesellschaft leisten, ins Scheinwerferlicht stellen. Dafür muss ich nicht irgendwelche Models oder geschönte Bilder zeigen, sondern schlichtweg echte Fotos echter Menschen. Und je mehr Geschichten wir von diesen beeindruckenden Menschen hören, desto wertvoller und besser wird dieses Projekt.“

Ehrenamtliches Projekt
Andrea Wommelsdorf begeisterte zügig ihre Freunde Burkard Knöpker, Dirk Reinhardt und die Fotografin Charlotte Beck für das rein ehrenamtliche und nicht profitorientierte Projekt, begann gleich mit der Organisation und Realisierung der Ausstellung. Beschäftigte von Polizei, Bundeswehr, Feuerwehr, Rettungsdienst oder Ordnungsämtern und -diensten aus ganz Deutschland machten bereitwillig mit. Die Akquise ging leichter vonstatten als gedacht. Andrea Wommelsdorf: „Die Rückmeldungen, sowohl unserer Protagonisten als auch unserer Besucher, machen uns einfach stolz. Denn man merkt: Das sind keine Bilder oder Texte, an denen man einfach so vorbeigeht, sondern vor denen man stehen bleibt. In die man eintaucht.“ Der für die begleitenden Texte zuständige Burkard Knöpker ergänzt: „Mein Herz schlägt für das Schreiben im Generellen und dieses Projekt im Speziellen. Ich möchte Menschen emotional berühren, das mache ich gerne.“

Die vier „Dortmunder Gesichter“ von Polizei, Feuerwehr und Stadt, die sich dem Fotoshooting mit Fotografin Charlotte Beck und den Interviews mit Burkard Knöpker sowie Andrea Wommelsdorf stellten, sind restlos überzeugt von ihrer Teilnahme an dem Projekt, das im besten Fall Signalwirkung haben soll. „Ich bin Feuerwehrmann geworden, um anderen zu helfen. Das ist eigentlich das Ziel der Feuerwehr. In genau dem Moment angegriffen zu werden, in dem man seinen Mitmenschen zur Seite steht, ist eine bittere Erfahrung, die einen fassungslos und wütend macht. Und es macht ein ungutes Gefühl im Bauch, wenn es zum nächsten Einsatz geht. Ich bin ein Mensch und nicht die bezahlte Einsatzkraft, die alles auszuhalten hat,“ bringt Feuerwehrmann Andreas Helmecke das auf den Punkt, was viele seiner Kolleg*innen umtreibt.

Maria Frenking vom Kommunalen Ordnungsdienst: „Helfen, ohne zu fragen wem! Wir Einsatzkräfte selbst haben die Bereitschaft und Fähigkeit, den Menschen mit Respekt gegenüberzutreten. Genau darauf haben auch wir Anspruch.“ Anja Kanis von der Verkehrsüberwachung ergänzt: „Für uns als Einsatzkräfte ist es ein Anliegen mit diesem Projekt Transparenz für unsere Arbeit aufzuzeigen. Eine unserer Aufgaben ist es Konflikte mit Empathie und Gerechtigkeit zu lösen, sowie zu gewährleisten, dass allen Menschen die gleichen fairen Voraussetzungen gegeben werden, um am Straßenverkehr teilzunehmen.
„Als Einsatzkräfte, egal ob Feuerwehr, Stadt oder Polizei, sind wir nicht nur bloße Uniformträger, die als Prellbock für persönliche Frustrationsbewältigung tätig sind. In jeder Uniform steckt ein Mensch, der sich entschieden hat, einen Teil der individuellen Interessen und Bedürfnisse für gesellschaftlich wichtige Aufgaben zurück zu stellen“, sagt Polizistin Natascha Hanke.

Oberbürgermeister Thomas Westphal unterstreicht die Bedeutung der Ausstellung: „Unsere Mitarbeiter*innen bei der Feuerwehr, dem Ordnungsamt und auch die Kolleg*innen bei der Polizei setzen sich tagtäglich für unsere Sicherheit und unsere gesellschaftlichen Werte ein. Die Zunahme von Gewalt gegenüber Rettungskräften und Ordnungsbehörden dürfen wir einfach nicht hinnehmen, da sie im Endeffekt uns allen schadet. Und vor allem schadet sie den Menschen, die für die Sicherheit und die Werte einstehen. Die Ausstellung soll zum Nachdenken anregen. Ich kann alle Dortmunder*innen nur ermutigen, beim nächsten City-Besuch sich die Zeit zu nehmen und sich „Der Mensch dahinter“ in der Berswordthalle anzuschauen. Mich haben die Schilderungen der Menschen und ihre Bilder beeindruckt.“

Polizeipräsident Gregor Lange nahm sich viel Zeit beim Termin mit den „Dortmunder Gesichtern“ und den Initiatoren der Ausstellung „Der Mensch dahinter“, um mehr darüber zu erfahren. „Ich bin begeistert, dass dieses Projekt mitten aus der Bürgerschaft heraus entstanden ist. Immer wieder haben Kolleginnen und Kollegen im Einsatzalltag mit heftigen Widerstandshandlungen zu tun. Es kommt nicht selten vor, dass Einsatzkräfte der Polizei auf das Übelste beleidigt, angespuckt oder körperlich angegangen werden“, sagt Gregor Lange: „Die Porträts sind so fotografiert, dass man dem Blickkontakt wirklich nicht entgehen kann. Ich empfand die Verzahnung der Porträtfotos und sehr persönlichen Texte als sehr gelungen. Ich freue mich, dass Natascha Hanke sich sofort bereit erklärt hat, ihr Gesicht zu zeigen, ihre Geschichte zu erzählen. So übermittelt sie die wichtige Botschaft, dass hinter der ‚Hülle‘ aus Uniform, Funkgerät, Handfesseln und Schusswaffe immer noch ein Mensch steckt.“

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