v.l. Adil Sheibika (Diakonie); Nastya Rozvadovska, Moritz Meyer, Philipp Weißkamp und Paul Melot de Beauregard (Jones Day); sowie Daniela Bröhl (Diakonie) (Foto: Diakonie Düsseldorf)
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Düsseldorf. Sie beraten große Unternehmen – und seit März Geflüchtete im Welcome Point 02: Die Anwält:innen und wissenschaftlich Mitarbeitenden der Kanzlei Jones Day. Unterstützung bekommen sie von einer Kollegin, die aus der Ukraine stammt.

Als der Krieg ausbrach, zögerten sie nicht lange, packten nur das Nötigste ein und fuhren los. Raus aus Kiew, der Stadt, in der sie solange gelebt hatten, Hauptsache weg von der Gewalt. Die Reise endete in Düsseldorf, doch die Odyssee war dort noch lange nicht zu Ende. Denn die Rücklagen waren längst aufgebraucht und das ältere Ehepaar war verzweifelt: Wie sollte es jetzt bloß weitergehen? Hilfesuchend wendete sich das Paar an Nastya Rozvadovska, die im Welcome Point 02 der Diakonie Düsseldorf am Platz der Diakonie ehrenamtlich Geflüchtete unterstützt.

Nastya hat diese Begegnung noch sehr gut in Erinnerung. Im Laufe des Gesprächs habe sich herausgestellt, dass das Paar und sie in Kiew Nachbarn waren. „Wir haben nur ein paar Straßen entfernt voneinander gewohnt, ohne uns zu kennen“, erzählt sie. Das Schicksal der beiden habe sie auch deshalb sehr berührt. „Es muss unheimlich schwer für die beiden gewesen sein, alles zurückzulassen“ sagt sie und fügt nachdenklich an: „Wahrscheinlich habe ich das emotional stärker an mich herangelassen, als es gut ist. Aber ich habe auch gemerkt, warum wir das machen und warum es so wichtig ist, sich zu engagieren.“

Mit „wir“ meint Nastya ihre Arbeitskolleg:innen aus der Kanzlei Jones Day. Als der Ukraine-Krieg ausbrach hatte ein Freundeskreis die Jura-Studentin und acht weiteren Kommilitoninnen, die sich auf Verhandlungsrecht spezialisiert haben, an verschiedene Kanzleien in Düsseldorf vermittelt, die sogenannte Patenschaften für die Studententinnen übernahmen. Die Kanzlei Jones Day ist eine von ihnen. Kanzlei-Partner Paul Melot de Beauregard schätzt Nastya sehr und war froh, helfen zu können. „Aber das reichte uns nicht, wir wollten mehr tun“, sagt de Beauregard. Der 48-Jährige ist Mitglied des Kuratoriums der Diakonie Düsseldorf, dem ehrenamtlichen Aufsichtsgremium des Wohlfahrtsverbands. „Insofern war der Weg zu Diakonie und zum Welcome Point nicht weit.“

Zwei Mal in der Woche beraten dort nun montags und donnerstags Mitarbeitende der Kanzlei abwechselnd Geflüchtete – ehrenamtlich. Immer mit dabei: Nastya. Die 21-Jährige übersetzt die Fragen der Geflüchteten für die Anwälte und wissenschaftlich Mitarbeitenden aus dem Ukrainischen ins Englische, wenn die Hilfesuchenden kein Englisch sprechen. Und es sind eine Vielzahl von Fragen, die an die Helfer:innen herangetragen werden. Das habe anfangs auch die Mitarbeitenden der Kanzlei überrascht, die es ja eigentlich gewohnt seien, komplexe Probleme zu lösen, gibt de Beauregard offen zu. „Fairerweise muss man sagen, dass wir mit unserer Kanzlei sonst ausschließlich große Unternehmen beraten. Insofern war es für uns Neuland, plötzlich einem Menschen gegenüberzustehen, der wirklich existenzielle Themen hat. Damit unmittelbar umzugehen ist auch eine emotionale Herausforderung, abgesehen davon, dass wir – was zum Beispiel das Asylrecht betrifft – so schlau waren, wie jeder:r Zeitungsleser:in.“

Doch die Ehrenamtlichen sind schnell im Thema, legen FAQ’s an, in denen sie für die anderen Kolleg:innen festhalten, wie sie welches Problem gelöst haben, damit diese nicht alles noch ein zweites Mal recherchieren müssen. Dabei wissen sie auch: Die Fachleute von Flüchtlings- und Migrationsberatung der Diakonie sind immer für sie da, wenn Unterstützung benötigt wird. Etwa, wenn in einer Beratung bei den Klient:innen Traumata deutlich werden oder ein Fall besonders komplex ist, so dass die ehrenamtliche Beratung, die als eine Ausfüllhilfe zu verstehen ist, im Welcome Point nicht ausreicht.

Aber auch die Hauptamtlichen profitieren vom Engagement. „Klient:innen, die Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen oder Hilfe bei einer Übersetzung benötigen, können wir einfach in den Welcome-Point schicken“, erklärt Daniela Bröhl, Leiterin des Sachgebiets Integration, Migration und Flucht der Diakonie. Auch Adil Sheibika, Mitarbeiter im Welcome Point, schätzt das Engagement der Ehrenamtlichen sehr: „Es ist einfach toll, dass wir mit Unterstützung der Kanzlei so schnell ein so niedrigschwelliges Angebot etablieren konnten.“ Wichtig sei allen Beteiligten dabei, dass sich das Angebot nicht ausschließlich an Menschen aus der Ukraine, sondern an alle Geflüchteten richtet. „Wir helfen jeder und jedem, der Hilfe benötigt“, stimmt de Beauregard zu und fügt an: „Die individuellen Fluchtgeschichten sind sehr berührend. Und nach zwei Stunden muss man manchmal beschämt zurückgucken und sich fragen: Wer hat hier eigentlich mehr profitiert? Menschen in Not zu beraten, egal woher sie kommen, das ist ein enormer Gewinn, auch für uns.“

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