Das Bild aus der Gestapo-Akte im LVR-Archiv zeigt Familie Leiss um 1937. Drei Gedenksteine liegen jetzt in der Ruhrstraße 76 in Meerbeck (Foto: LVR-Archiv)
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Moers. Seit 2013 werden von den Vereinen ‚Erinnern für die Zukunft‘ und ‚Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Moers‘ Stolpersteine gelegt, die an die Opfer des Nationalsozialismus aus Moers erinnern. In allen Fällen wurden Schulen und Jugendliche in die Gestaltung der Gedenkakte einbezogen. Neben den zahlreichen jüdischen Opfern aus der Innenstadt gibt es vor allem in der Arbeitersiedlung Meerbeck-Hochstraß Opfer aus dem politischen Widerstand und viele Menschen, die der sog. NS-‚Euthanasie‘ zum Opfer fielen. Am Dienstag, 14. Juni, wurden sieben weitere Stolpersteine gelegt. Die Gesamtzahl steigt damit auf 128.

Familie Leiss
Begonnen wird in der Ruhrstraße 76 mit drei Steinen für die Familien Leiss und Christen. Sieben Mitglieder der Familie Leiss, darunter zwei schwangere Frauen und ein dreijähriges Kind, wurden in Sippenhaft im Februar 1943 im KZ Sachsenhausen ermordet, weil der Panzergrenadier Wenzel Leiss angeblich an der russischen Front zum Feind übergelaufen sei. In Meerbeck gibt es schon seit 1946 eine Straße, die nach der Familie Leiss benannt ist. Für vier der Ermordeten wurden bereits Stolpersteine verlegt. Im Jahr 2022 wurden nun in der Ruhrstraße 76 die letzten drei Gedenksteine gemeinsam mit Schülern des Grafschafter Gymnasiums verlegt.

Karl Mondorf und Heinrich Wichert
Mit den nächsten beiden Stolpersteinen wurde zweier Opfer der NS-‚Euthanasie‘ gedacht. Der 70-jährige Hauer Karl Mondorf wohnte in der Bismarckstraße 70. Er wurde 1943 wegen Verwirrtheit in die Heil- und Pflegeanstalt Düsseldorf-Grafenberg eingewiesen. Schon bald danach wurde er in die in die Landesheilanstalt Ueckermünde gebracht, wo ihm körperliche Hinfälligkeit bescheinigt wurde. Wenige Monate später, am 21. September 1943, wurde der Tod durch ‚Altersschwäche‘ festgestellt. Nur unweit entfernt in der Bismarckstraße 52 lebte der 21-jährige Bergarbeiter Heinrich Wichert. Bereits als achtjähriges Kind hatte er erste epileptische Anfälle. In der Folge wurde er sechsmal in insgesamt vier verschiedene Heil- und Pflegeanstalten eingewiesen. In dieser Zeit wurde Heinrich Wichert auch zwangssterilisiert. Die letzte Station war die Heil- und Pflegeanstalt Großschweidnitz, die in der NS-Zeit zu einem Zentrum der ‚wilden Euthanasie‘ geworden war. Heinrich Wichert starb am 28.8.1943 angeblich an einer Lungenentzündung.

Fanny und Simon Vollmann

Der jüdischen Opfer Fanny und Simon Vollmann aus der Kirchstraße 11 wird mit diesen beiden neuen Steinen gedacht (Foto: pst)

Mit den letzten beiden Stolpersteinen wird im Jahr 2022 der jüdischen Opfer Fanny und Simon Vollmann aus der Kirchstraße 11 gedacht. Fanny Vollmann, geb. Buschhoff, gehörte mit ihrem Bruder Max Buschhoff das Haus Kirchstraße 11, das sie von ihrer Mutter geerbt hatten. Die Familie betrieb dort ein Geschäft, das sie nach der Reichspogromnacht nicht wieder öffnen durften. Max und seine Frau Martha waren bereits am 10. Dezember 1941 nach Riga deportiert und ermordet worden. Am 25. Juli 1942 wurden Fanny und Simon Vollmann mit 19 weiteren Moerser Juden nach Theresienstadt deportiert. Simon Vollmann wurde dort am 14. März 1944 ermordet. Fanny Vollmann überlebte Theresienstadt durch einen glücklichen Umstand. Sie war eine der 1.000 Juden, die am 5. Februar 1945 den einzigen Transport von Theresienstadt in die Schweiz besteigen durften. Nach dem Krieg lebte sie bei ihrer Nichte in Enschede.

Infobox: Die Vereine Erinnern für die Zukunft und Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit forschen ständig weiter zu den Schicksalen von Opfern des Nationalsozialismus im südlichen Altkreis Moers. Der Arbeitskreis Stolpersteine freut sich immer über neue Hinweise und Unterlagen, die diese Forschungsarbeit unterstützen. Neue Mitarbeiter, die selbst einen Beitrag zu dieser wichtigen Erinnerungsarbeit leisten wollen, sind im Arbeitskreis herzlich willkommen.

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